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KÖNIGS KLEINER KRITZELKURS 12

Luca Rivera fragt:

„Technik, ok. Aber wie findest du jeden Tag neue Ideen? Einkaufen im REWE? Browsen in Gayromeo? Freundesliste abtelefonieren? Mit Sagat im Quartier Gassi gegehn? Strassenbahn fahren und Leute beobachten? All of them?“

 Gut: Den REWE-Filialleiter aus VERVIRTE ZEITEN gab es wirklich. Er war zwar nicht sooo umwerfend schön und sexy, dass Schwule und Frauen fiepend vorm Laden Schlange standen, aber er war durchaus umwerfend schön und sexy! Ein richtiger Hingucker, so was läuft ja gelegentlich da draussen rum. Und sowas inspiriert mich dann zu sowas. Im Falle der KONRAD UND PAUL Comics laufen die Geschichten von alleine, da kommt einfach jeden Tag eins zum anderen und entwickelt sich etappenweise irgendwohin. Wenn man starke Charaktere hat, machen die irgendwann ihr eigenes Ding, das sagte schon Charles Schulz über seine PEANUTS.  Dann hört man denen fast nur noch zu. Ich bin wirklich oft selbst überrascht und so zu erzählen ist ein grosses Vergnügen.  

Aber generell kann ich die Frage kaum beantworten, woher mir das kommt. Sicherlich gibt die Realität oder was mir mal passiert ist oder was ich gehört habe den Anstoß. Aber sehr selten erzähle ich es 1:1. Ich finde darum vereinzelte Kommentare, die süffisant die Frage stellen, ob ‚ich‘ eigentlich Paul sei und ob dies und das autobiografisch sei etwas übergriffig. Man darf dem Autoren schon etwas Phantasie zutrauen. Wenn auch dies und das selbstredend mit einfliesst, zum Beispiel meine ewige Midlifekrise. Mit Konrad und Paul konfrontieren sich auch zwei Seelen in meiner Brust. Erspart mir womöglich den Psücharter. :)

Bei meinen dicken Comic ‚Romanen‘, die nicht vorab online veröffentlicht wurden, also meinetwegen ‚HEMPELS SOFA‘ oder ‚SIE DÜRFEN SICH JETZT KÜSSEN‘ etc. kam ich bei meiner Arbeitsweise des ohne-Skript-einfach-drauflos- Zeichnens schon eher mal in dramaturgische Klemmen und das ist bei drückenden Abgabeterminen richtig Scheiße!  Bei DSCHINN DSCHINN z. B. hatte ich richtigen Stress über Wochen, denn die Story wurde immer grösser, das Buch immer dicker, der Abgabetermin blinkte auf dem Kalender und ich kam sehr spät auf die Idee, dass es ja auch zwei Teile und somit zwei Bücher werden könnten. Mit Abgabeterminen kann ich nicht gut umgehen, es dauert so lange, wie es eben dauert, aber dahinter steckt natürlich eine Verlagsplanung: Da wird das Papier bestellt, da gibt es Ankündigungen für Buchhändler und das alles gibt unschönes Gedöns, wenn der Autor mit dem Werk nicht rechtzeitig rüberkommt.

Also Ideen, wo kommen die her? Mir auch oft ein Rätsel. Mit einer Hirnhälfte bin ich wohl dauernd am grübeln. Das Finale von BULLENKLÖTEN („Du Möse lecke!“) kam mir beim Tanzen beim Gay Happening in Krefeld, da habe ich auf der Tanzfläche gekichert. Das derzeit viel diskutierte Cannabis hat auch oft nachgeholfen, ich kiffe seit ich 15 bin und kann nicht sagen, dass es mir je im Leben geschadet hätte, aber jeder reagiert natürlich anders. Die Ideen zu Handlungen sind das eine, das andere sind die Dialoge. Die fallen mir tatsächlich leicht.  Ich habe einen sehr verbalpfiffigen Freundeskreis, da purzeln zeitweise die Pointen schneller, als man lachen kann!   Das landet zwar selten direkt in den Sprechblasen, aber trotzdem inspiriert die Art und Weise, wie geredet wird. Das ist keine Frage von Beobachtung. Ich sitze am Laptop und die Figuren fangen einfach an, zu labern, dann wird vielleicht noch die Pointe von vorn nach hinten gesetzt, Sätze verschoben und gekürzt, wo es geht, und der Dialog ist fertig.

Ich habe als Kind meine Cousins mit dem Kasperltheater zu Lachkrämpfen gebracht und mit meinen Asterix-Figürchen aus der Kaugummi- Wundertüte und Legosteinen ganze Monumentalfilme nachgespielt! Ich glaube, damals ging das los. Weil ich in der Kindheit auf dem Dorf in Ostwestfalen noch nicht zugeballert wurde mit Unterhaltung, hab ich mir halt selbst was ausgedacht. Auch später in der Holzfabrik, um nicht bekloppt zu werden von der Monotonie an der Holzklötzchen- Bohrmaschine, hab ich mir Geschichten ausgedacht, Not-Kopfkino sozusagen. Ein Hoch auf die Langeweile, die bringt Kreativität in Gang! Schlimmer Gedanke: Da draußen verkümmert so manches Kinderhirn vorm Internet und vor Netflix.

 

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