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Die Welt seit Mittwoch

Bis es soweit war, habe ich mir nicht vorstellen können, dass Kamala Harris verliert. In den Tagen davor folgte ich einem Demoskopen aus Florida, Christopher Bouzy (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der in frech formulierten Tweets die schönsten Ergebnisse für sie prophezeite. Immer wieder kam er zum Ergebnis, dass das Rennen nicht knapp sei, sondern mit einem deutlichen Sieg enden wird. Damit wenigstens behielt er recht.

Am Morgen danach fragte ich ihn “Christopher, what happened?”

Seine Antwort: “white supremacy and misogynoir.”

Eigentlich habe ich mich verhalten wie die Trump-Anhänger, nur umgekehrt: Ich fand den Umstand, dass Bouzy so frech und zuversichtlich auftritt, irgendwie beruhigend.

Vor allem aber folgte ich einer veralteten Vorstellung davon, wie Wahlentscheidungen getroffen werden: Information, Abwägung, Entscheidung. Ich schaute auf die sozialen Trägerschichten, auf Arbeiter und Angestellte, auf die Parteien und Verbände – und sah nirgends eine Mehrheit für Trump und Musk. Ich verfolgte die Debatten in den klassischen Medien und auch da: Keine Trump-Mehrheit nirgends. Den normalen Wahlkampf hatte er aufgegeben, tanzte auf der Bühne herum. Als würde er all das nicht brauchen. Wo und wie bildete sich seine Mehrheit? Warum wählen Millionen von amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern jemanden, der lügt und für eine schlechtere Zukunft sorgt? Er wird sie gnadenlos enttäuschen, ist nur seinem Reichtum und dem seiner Freunde verpflichtet. Sein einziger politischer Punkt – die Errichtung von Handelsbarrieren – macht alle ärmer. Die Entfesselung von Gewalt und Hass macht das Leben für alle unsicherer.

Aber das sagt er natürlich nicht und in unsicheren Zeiten fühlen sich viele mit so einem weißen Mann an der Staatsspitze sicherer. Trumps Diskurs ist geschickt auf unsichere Männer ausgerichtet: Du bist in großer Gefahr. Ich bin ein skrupelloser Machtmann. Folge mir, und du bist sicher.

Klassischer Trickbetrügertrick, aber immer wieder erfolgreich.

Während die andere Seite ewige Weiterbildung, lebenslanges lernen und fortwährende Optimierung empfiehlt, um in der neuen Welt mithalten zu können, bietet Trump eine Abkürzung: Du bist ein Mann, das ist doch super. Und es gibt genug Frauen, die ebenso denken, die auch positiv auf diese Ordnungsdiskurs reagieren. Die beste Analyse dazu ist schon einige Jahre alt und stammt von dem Neurolinguisten George Lakoff: Je mehr von Trump die Rede ist, auch ablehnend, desto besser für ihn. Sein strenger Ton verfängt bei Menschen, die sich nach einer strengen, aber schützenden Ordnung sehen.

Mehr dazu hier. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Eine neue Medienökologie hat sich herausgebildet. Elon Musks Plattform X bestimmt die Szene. Journalistische Spielregeln, die aus sehr guten Gründen formuliert wurden, wie die Trennung von Bericht und Kommentar, von Verlag und Redaktion, von Wahrheit und Lüge sind überwunden. Niemand weiß, wer was und wofür bezahlt auf X. Und es wirkt. Botschaften werden gezielt zugeschnitten. Ich bekomme sei der Wahl dauernd Posts zu lesen, die nahelegen, dass Trump die Wahl manipuliert hat. Von Accounts, die ich nicht kenne. Ich glaube es keine Sekunde – aber X hat sich gemerkt, dass ich Bouzy folgte und bietet mir diese Verschwörungstheorie an.

Das alles wird noch alles zu erkunden sein. Einstweilen haben Donald Trump und Wladimir Putin einen der schönsten Triumphe ihres Lebens feiern können. Trump könnte sich nun von Putin emanzipieren: Was auch immer der russische Präsident an Kompromat über Trump hält, warum auch immer Trump ihn bewunderte – es ist hinfällig, Trump ist nun viel stärker. Der Kreml könnte ein Video veröffentlichen, auf dem Trump Hundewelpen auf Toast frühstückt – es würde seine Gegner nicht wundern, die Fans begeistern. Was auch immer Trump macht, es ist immer Fernsehen und wirkt daher harmlos. Er ist es aber nicht, seine zweite Amtszeit wird grausam. Aber es wird ihm auch erbitterter Widerstand begegnen. Viele Menschen vor uns haben mit ungünstigen, ja feindlichen politischen Bedingungen zurechtkommen müssen. und es wird auch uns gelingen. Geschichte ist dialektisch.

Im Januar, wenn er zum zweiten Mal seinen Amtseid leistet, steht Donald Trump auf dem Gipfel seiner Macht. Aber wie Michel de Montaigne schrieb, ist die Welt une branle pérenne, eine ewige Schaukel. Von diesem Moment an geht es abwärts. Trump und Putin werden beide verschwinden, nur noch als Fratzen in Fernsehdokumentationen herum spuken. Es dauert nur länger, als ich gehofft habe.

Europa segelt in denkbar schlechter Form in die neue Zeit. Das hätte aber nicht so sein müssen. Scholz und Macron haben sich als Champions in Selbstverzwergung erwiesen.

Wir hätten als größter Konsumentenmarkt der Welt einiges einzubringen, um politisch zu gestalten, verbringen die Zeit aber lieber in den nationalen Nischen und mit Nebensächlichkeiten.

In Deutschland wird eine große Koalition übernehmen. In Frankreich könnte Marine LePen zum Verlust ihres passiven Wahlrechts verurteilt werden und dann ist der Weg frei für den ideologisch flexiblen Jordan Bardella.

In Frankreich und in Deutschland sind die Sozialdemokraten arg in der Defensive. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Élysée, Matignon oder das Kanzleramt so schnell wieder in Reichweite kommen.

Eine sozialdemokratische Zukunft gibt es nur in einer supranationalen Verbindung um Glucksmann, Klingbeil, Barley und Pistorius. Nationale Politik erreicht die Höhe der Zeit nicht mehr.

Einer der wenigen Politiker, die immer wieder klar beschreiben, wie die Lage ist und was zu tun wäre, ist Raphaël Glucksmann. Am Freitag war auf France Inter zu Gast.

https://www.youtube.com/watch?v=6I9H1C7xFT0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Es war noch Sommer und in einer anderen Welt bzw in Frankfurt, als ich zur Aufzeichnung einer meiner Lieblingssendungen fuhr. Und das beste: Ich war nicht Zuschauer, sondern Gast!

https://www.arte.tv/de/videos/118865-006-A/jagoda-marinic-trifft-nils-minkmar/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Am amerikanischen Wahltag selbst habe ich es gehalten wie früher an Weihnachten – ich bin ins Kino gegangen, um die Wartezeit zu gestalten. Zufällig sah ich einen französischen Film, der auf sehr angenehme weise alldem widerspricht, wofür Trump steht. Am Ende war ich beeindruckt.

https://www.amazon.de/gp/video/detail/amzn1.dv.gti.5e3fe07a-9045-4c09-b135-cc738a8f496d?autoplay=0&ref_=atv_cf_strg_wb (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Wenn in einer Zeitung aus Paris über das Elsass geschrieben wird, liest sich das immer ein bisschen, als wäre diese tolle Region vorgestern entdeckt worden. Die Ortsnamen, die Landschaft, die Weine – ganz erstaunlich!

Eines lässt sich unbestritten über das Elsass feststellen: Es ist unmöglich, dort schlecht zu essen. Selbst Kantinen und Kneipen sind top.

Darum hat mich dieses Rezept gereizt, obwohl es das gleiche Gericht schon vor wenigen Wochen gab und der Riesling nicht mein Lieblingswein ist.

https://www.lemonde.fr/les-recettes-du-monde/article/2024/11/08/le-coq-au-riesling-et-spaetzle-la-recette-de-guillaume-keusch_6383286_5324493.html (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

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