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Langstrecke 8

CW: Suizid (Depression, Gewalt, Trauma)

Dieser Text soll den Post (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) aus der Nacht des 17. März begleiten, in dem ich von einem zwanzig Jahre zurückliegenden Suizidversuch erzählt habe. Es war mein zweiter. Ich weiß noch nicht genau, wohin der Text führt. Über dem gesamten Text liegt also eine Triggerwarnung. 

Für mich liegt über diesem Text aber auch der Wunsch nach einer Enttabuisierung, nach einem Aussprachebedürfnis. Um diese zutiefst menschliche Verletzbarkeit zu zeigen, erscheint es mir aber nicht nötig oder angebracht, hier auf konkrete Details einzugehen. Ich hoffe, dass mir hier ein guter textlicher Weg gelingt, der eine Empathie trotzdem möglich macht und der sie vor allem von mir als Person löst und diese Empathie gut auf andere überträgt.

Und eine wichtige Information vorab: Ich bin keine Expertin für Mental Health. Psychische Probleme benötigen und verdienen die Hilfe von Profis. Therapie findet nicht im Internet und nicht mittels Texten statt. Wenn Du Suizidgedanken hast, ist hier die Nummer der Telefonseelsorge (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): 0800 111 0 111.

Hier nochmal der Text des ursprünglichen Posts:

Es ist fast Mitternacht. Ich fahre übern Alexanderplatz, mit einem Leihfahrrad - ich kenne die Schleichwege, ich weiß, wie man sich bewegt in dieser Stadt. Ich komme von einem guten Abend. Von gutem Essen, sehr guten Gesprächen. Ich bin eine erfolgreiche - fast vierzigjährige - Frau. Verheiratet. Ich habe zwei Kinder. Einen Job, den ich liebe. Nein, zwei. Ich bin glücklich.

Ich bin auf dem Weg nach Hause, im Norden der Stadt. Nein, ich bin zuhause. In der Stadt, in die ich wollte, seit ich 17 bin. Ich weiß es noch genau: Abi nachholen, Geschichte studieren, Berlinerin werden. Das war mein Plan. Berlin war ein Versprechen für mich - schon immer.

Ich wollte hierher kommen, mit dem Menschen, den ich liebe. Eine ganz typische Liebe, wie man sie mit 17 liebt, groß, hungrig, unbedingt. Das Herz voll bis zum Überlaufen. Jeder Moment von Bedeutung, jedes Wort magisch, jede Begegnung hat das Universum zum Explodieren gebracht.

Es ist schief gegangen. Gewaltig schief. So schief, dass ich keinen Ausweg mehr sah und bereit war, allem ein Ende zu setzen. Nicht als Versuch, nicht als Test. Die Spuren sieht man heute in meinem Gesicht, wenn man genau hinschaut, wenn ich einen Teil meiner Stirn nicht runzeln kann. Und das war nur der eine Versuch. Ich spreche darüber nicht. Oder manchmal, wie im Scherz, was fast der größere Verrat ist. Das Wissen um diese Grenzüberschreitung begleitet mich auch nach so langer Zeit fast jeden Tag. Es ist nicht immer präsent, aber so an meine Grenze gestoßen zu sein, macht automatisch etwas mit meinem weiteren Sein. Und die Bedeutung, die hinter all dem stand, denn auch das war nur ein Ventil für älteren Schmerz. Ich radle durch die Stadt. Ich sehe den Allesandersplatz, er mahnt mich. Ich radle vorbei an Leuten, die heile und ganz scheinen, an Leuten mit Grenzerfahrungen, Leuten, denen Therapie geholfen hat und solchen, denen sie nur geholfen hat, den Status (lebendig) aufrecht zu erhalten. Ich bin voller Versöhnung mit meinem damals achtzehnjährigen Ich.

Warum erzähle ich das heute Abend so vielen Leuten, die ich nicht kenne? Weil wir eben alle nie alles kennen. Von niemandem. Weil es Schichten gibt, von denen wir nicht wissen.

Ich bin für diesen Text gestern abgestiegen: Mit klammen Fingern, es ist eine laue Märznacht, trotzdem bin ich zu dünn angezogen. Immer in meinem Leben bin ich zu dünn angezogen. Mit klammen Fingern mache ich das Foto. Dieses Thema darf nicht auch noch mein Gesicht benötigen. Das Haus passt so gut. Es muss stellvertreten, das ist es gewohnt. In einem Rutsch tippe ich den Text dazu. Mit den klammen Fingern, vertippe ich mich oft, aber bis zum finalen Satzzeichen weiß ich gar nicht, ob ich heute, an diesem Abend wirklich auf teilen klicken werde. Dieser Text, nein eher seine Botschaft, begleiten mich schon eine ganze Weile. Ich denke immer mal wieder darüber nach, scheue dann davor zurück. Die Themen warten. Aber ist heute der Moment dafür? Und ist dieses Medium geeignet? Ich brauche zu viele Platz, nehme zu viel Raum ein, mit dem, was ich erzählen will. Die Hälfte der zwanzig Minuten, die das alles vielleicht dauert, verbringe ich damit, Buchstaben zu kürzen, wo sie meiner Tonlage nicht fehlen werden. Dann atme ich tief aus, drücke auf teilen und steige wieder aufs Rad. Ich lasse die Musik in meinen Ohren weiterlaufen, als ich rechts in die Rosa-Luxemburg-Straße abbiege. Alanis Morissette singt wie ein Klischee:

„I'm broke but I'm happy, I'm poor but I'm kind

I'm short but I'm healthy, yeah

I'm high but I'm grounded, I'm sane but I'm overwhelmed

I'm lost but I'm hopeful, baby...“

Das Lied kam raus, als mein Leben kompliziert wurde. Während ich in die Pedale trete, den Prenzlauer Berg hinauf, singe ich mit und nehme mir vor, am nächsten Morgen spontan zu entscheiden, ob ich das alles wieder lösche. Auf jeden Fall fasse ich da schon den Plan, dass ich diesen Text hier als Ergänzung schreiben werde, falls der Post online bleiben wird. Und dass dieser Text dann ebenfalls öffentlich sein wird. So viel dazu, wie wir hier überhaupt gelandet sind.

Natürlich hadere ich mit dem Zeitpunkt. Jetzt, wo die Ukraine vor unser aller Augen so verwundet wird, wo unsere westeuropäische Vorstellung von Frieden als naive Illusion entlarvt wird, wo die Demokratie solchen Schaden nimmt, wie unnötig ist es da, von persönlichen Narben zu erzählen? Ich finde mein Timing diesbezüglich selbst enorm schlecht, das kann ich euch sagen.

Ich hatte in dieser Woche zufällig intensive literarische Auseinandersetzungen mit Büchern, die das Thema behandeln: In „Tick Tack“ von Julia von Lucdou legt sich eine Fünfzehnjährige auf die Gleise und wird gerade noch im letzten Moment gerettet. In „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl steht eine Mutter vom gemeinsamen Abendessen mit ihren drei Kindern und ihrem Mann vom Tisch auf und stürzt sich vom Balkon. Das triggert mich nicht im üblichen Sinn, aber natürlich muss es unbewusst eine Rolle gespielt haben, beim Posten gestern.

Ich hatte aber gestern auch einen Tag mit absolut erhebenden Begegnungen hinter mir. Diese ganze Woche war für mich voll von ihnen. Ich habe während der Arbeit und danach, überraschend und mit langer Vorfreude (gut geboostert und natürlich getestet), wunderbare Menschen getroffen und tolle Begegnungen gehabt (es gab übrigens keinen Abend, an dem die Ukraine kein intensives Thema war). Es waren so gute Begegnungen, es tat so wohl, in diesen Zeiten, die natürlich für uns alle beosnders haltlos sind. Ich war bestärkt und herzoffen. Vielleicht brauchte ich diese Basis für das, was ich schon lange erzählen wollte.

Und dann war ich unterwegs durch diese Stadt, zurück von einer dieser guten Begegnungen, fast mitternächtlich, allein, und fühlte mich doch so sicher, auf dem Fahrrad, auf den vertrauten Wegen und ich fühlte mich so wohl in dieser Stadt, in der ich so gern wohne. Ich habe in meinem Leben immer ein Thema mit dem Zuhausefühlen gehabt. Seit ich das Zuhause verlor, in dem ich ein Kind war. Da war ich zwölf. Kein Elternhaus. Kein Ort. Keine Option auf Rückkehr. Keine Erinnerungen, die irgendwo verstauben und zu denen ich sentimental oder noch lieber genervt zu Besuch kommen könnte. Eigentlich auch keine Eltern, das eigentlich war schon immer der bezeichnende Mangel, der überraschenderweise auch mit fast vierzig Jahren nicht weniger lückt; wobei es mir da eher um das klassische Kindseindürfen geht, ich bin ja nicht ohne Familie auf der Welt.

Gegen manche Orte hat mein Körper regelrecht angekämpft in meinem Unterwegssein seither. Gegen manche Orte hat meine Seele so verzweifelt gearbeitet, dass ich mich heute noch bei ihr entschuldige ab und zu. Manche Orte haben mich krank gemacht, andere haben mich nur kurzfristig erniedrigt. Aber seit ich siebzehn war, schien Berlin ein echtes Ziel für mein Leben zu sein. Wir tragen alles, was wir je erlebt und gefühlt haben, immer mit uns mit. Ich trage all meine Erlebnisse mit mir, meine Ohnmachten und Höhepunkte, meine Glücksmomente und meine tiefsten Verletzungen. Sie sind nicht immer gleichermaßen nah an der Oberfläche, das wäre ja kaum auszuhalten, aber sie sind da, pochen mal lauter mal ganz unterschwellig mit, beraten mich, mahnen mich, lassen mich verletzlich fühlen, stärken mich. Manches ist gut aufgeräumt, aber nichts ist mehr angstvoll weggesperrt, von wo es mich immer dann überfällt, wenn ich es gerade gar nicht aushalten kann. Nichts ist mehr mit sieben Siegeln verschlossen und verdrängt. Was wenig überraschend harte Arbeit war und enorm viel Glück. Es ist alles da und ich weiß darum. Manches kommt nur in besonderen Momenten zum Vorschein, aber es reißt mich nicht mehr von den Füßen. Kein Schmerz in mir löst sich einfach auf, verpufft zu Luft, kann wirklich wie nie da gewesen wegtherapiert werden. Nicht meine Verletzungen und auch nicht die Verletzungen die ich einfach übergestülpt bekommen habe und nur weitertrage von anderen. Es hat mir allerdings enorm geholfen, zwischen diesen beiden Verletzungen unterscheiden zu können. Schmerzhaft sind sie trotzdem.

Ich habe in den letzten zwanzig Jahren immer wieder gespürt, dass dieses Erwachsensein keinen neuen Menschen aus mir macht. Und ja, ich war wirklich erstaunt darüber und habe lange gebraucht, bis ich einen Vorteil darin sehen konnte, eine Stärke. Mein eigenes Wiedererkennen ab und zu, und zwar nicht als unerwarteter Flashback, der mich außer Gefecht setzt, sondern als Vertrautheit, als Anerkennung dessen, was ich erfahren habe und was mich geprägt hat. Die zärtliche Versöhnung mit all der Düsternis, den schwierigen Momenten und mit dem, was in der allgemeinen Auffassung nichts ist, worauf man stolz ist, nichts worüber man überhaupt nur spricht in all der präsentierten Perfektion, in der Glätte des dauernden Gelingens. Das sind alles keine Themen mit denen man sich an den schimmernden Erfolgsstories der Menschen in Mitte, Pankow oder im Wedding beteiligt. Das wird in München nicht anders sein. Das ist kein Thema für Spielplätze oder Stammtische, es passt nichtmal zur gewünschten Unkompliziertheit meiner Gespräche im engeren Freundeskreis. Und nein, wenn ihr nicht ausgebildet seid, könnt ihr da auch einfach mal nicht helfen. Auch da nicht. Es ist so schwer zu ertragen, wenn wir nicht helfen können. Ich kenne das auch. Hier können keine Probleme mal eben so gelöst werden, hier helfen keine Floskeln, hier geht es ums Zuhören und ums Aushalten, ums Wahrnehmen, ums Anteilnehmen. Aber auch das ist manchmal gar nicht gewollt. Auch das kenne ich gut. 

Ich fuhr also gestern Abend direkt auf das Haus der Statistik zu, das ich so mag. Hier habe ich mal moderiert, gemeinsam mit Ludwig. Ein wirklich großes Ding war dieses Event für uns beide. Jemand hatte uns vertraut, jemand hatte unseren Wert gesehen und uns etwas zugetraut, was wir so noch nie gemacht hatten. Wie anders fühlte sich das noch immer an, im Vergleich zu dem wie es für mich lief, bevor ich nach Berlin kam. Allesandersplatz steht über dem Haus (darunter STOP WARS). Und so aufgeraut, wie mein Herz gestern war und so glücklich über den nahenden Frühling, ahnte ich, jetzt ist der Moment. Dankbar dafür, wie gut es sich anfühlt und wie privilegiert, dass ich bleiben kann in dieser Stadt, die ich so mag, in der ich viele Leute gern mag und manche ganz besonders innig mag und einige wenige tief liebe. So dankbar dafür, dass so vieles gerade so unglaublich gut läuft in meinem Leben, so nötig schien es mir, endlich darüber zu sprechen, über diesen ausgelutschten „Crack in everything …“.

Der ist nämlich manchmal nicht klein und schön und glitzert im Morgensonnenschein besonders kunstvoll. Der Crack ist für manche von uns ein dunkler, unebener Riss, ungewisser Tiefe. Manchmal schmerzen seine ausgefransten Ränder, fressen sich weiter in gesundes Fleisch, manchmal pocht diese entzündete Wunde und ab und zu suppt es stinkend heraus und hinterlässt eitrige Flecken auf dem Designerteppich auf dem man gerade zufällig steht. Und nicht jede*r von uns hat das Glück oder die Hilfe oder beides, diese Verletzung überhaupt nur so weit behandelt haben zu können, dass ein Alltag ohne Netz und doppelten Boden, ohne Einschränkungen überhaupt möglich ist. Und zwischen funktionstüchtig und geheilt sind ja noch tausend Möglichkeiten.

Wir haben uns daran gewöhnt, längst. Aber wir instrumentalisieren dieses Thema, wie alles im Leben. Ein bisschen mental issues zu zeigen, ist ja durchaus gesellschaftsfähig, gerade in dem Bereich, in dem ich beruflich unterwegs bin. Das ist kreativ, zeugt von Empfindsamkeit und Tiefe. Wenn es zu Kunst führt, umso besser. Mein Zitat oben im Text: Ich „habe ein Thema mit“ dem Zuhausefühlen … was für ein Bullshit, ist übrigens der Beweis, dass auch ich nicht frei bin davon.

Ich habe kein Thema, ich habe ein Drama. Ich habe jahrelang fast jede Nacht in mein nass geweintes Kissen gejault wie ein gehäutetes Tier, vor Verlust und Einsamkeit, aus dem unerträglichen Schmerz über dieses schreckliche Gefühl, es nicht wert zu sein, mich geborgen zu fühlen und geliebt zu werden, vor Sehnsucht nach einem Ort, den es nicht mehr gab und Menschen, die es (so) nicht mehr gab und aus Trauer über das Gefühl des Verlassenseins, das mich begleitet hat, seit ich bewusst denken kann. Das ist kein Drama, das ist ein Trauma. Und es hat mich enorm viel gekostet, damit zurecht zu kommen.

Ein so tiefer Schnitt im Leben, ein so deutlicher Bruch in der Biografie, kann nicht über eine depressive Episode zu erklären sein. Und damit will ich die keineswegs klein reden. Ich hatte in meinem Leben noch keine Depression. Nie. Wenn es nicht um eine kleinere Episode geht, sondern um das Straucheln und Stürzen, das jemanden wirklich tief fallen lässt, dann soll der Dreck von diesem Sturz aber bitte nicht zu hoch spritzen. Und alles soll bitte immer fein säuberlich abgeschlossen sein. Und dann auf zur Tagesordnung! Aber so ist doch das Leben nicht, dachte ich gestern. So bin ich nicht und diese Menschen da vor mir auf dem Rad vermutlich auch nicht und die, die dahinten stehen oder du und du und du vermutlich auch nicht. Es gibt sicherlich Menschen, die haben das Glück und mussten sich nie in psychischen oder emotionalen Krisen wiederfinden. Aber je genauer ich mich umschaue, um so sicherer bin ich, dass wir alle mehr als einen kleinen Crack haben. Und dass das nicht bedeutet, dass wir damit nicht wachsen können. Dass es im Gegenteil oft ein Leben MIT diesen Brüchen ist. Wir sehen diese Brüche nicht, manchmal dürfen wir einen Blick auf ihre Narben erhaschen. Aber wie wichtig wäre es, auch Beispiele zu sehen dafür, dass es ein Leben mit diesen Brüchen gibt. Und zwar vermutlich überall um uns herum.

Ich bin dieser glückliche Mensch. Ich bin diese liebende (und im Rahmen ihrer glücklichen Ehe zum Glück meist nur harmlos überforderte) Mutter. Ich bin diese Schwester und diese Freundin. Ich bin diese Frau mit Plänen und Träumen. Aber ich bin in mir immer noch genau die gleiche Person, die sich zwei Mal absolut ernsthaft das Leben nehmen wollte, weil es mir so ekelerregend, verkorkst, wertlos und schmerzvoll schien, mein Leben und mir die Möglichkeit, es zu beenden als einziger Ausweg aus all dem erschien. Ich bin die Frau, die ein nicht unerhebliches Problem mit Drogen hatte, die Übergriffe erlebt hat und die mit dem „selbst Schuld“-Dogma ihrer Generation bestens vertraut ist und es nur mühsam ablegen konnte. Während ich nach vorn blicke, blickt ein Teil von mir immer darauf zurück. Alles, was in meinem Leben funktioniert, steht auf einem Fundament, das diese Brüche kennt und ausbalancieren muss. Ja, es trägt. Aber viele Dinge erfordern größere Anstrengungen. Ich kann jetzt auch darüber sprechen, weil ich seit vielen Jahren erlebe, wie stabil das Leben für mich trotz dieser Erfahrungen funktioniert. Wie viel Glück ich hatte. Resillienz ist nicht nur Übung. Vieles war Glück. Mein Körper wurde zwei Mal gerettet. Doch damit fing die Arbeit erst an. Ich habe seit nunmehr 22 Jahren bewiesen, wie sehr ich am Leben hänge. Hundert will ich werden! Mindestens! Aus dieser Position ist es heute leicht(er), darüber zu sprechen. Die Zeit hilft auch, dass solche eigene (Gedanken)Räume frei werden, die Zeit, die seither vergangen ist, aber auch je größer die Kinder gerade werden. Es ist ein Geschenk, dass ich es tun kann und mir Menschen zuhören. Was ich mir wünsche? Dass irgendjemand von euch da draußen, die*der sich gerade nicht richtig in seinem Leben fühlt, weil angeblich alle um sie*ihn herum es gut auf die Reihe kriegen, dieses komplizierte Leben, bestätigt werden in dem Gefühl, dass wir alle mal schwanken. Manche leicht und eher schaukelnd, manche leiden unter einer inneren stürmischen See, die man von außen niemals ahnen würde. Manche kentern, werden auf schneidend scharfe Felsen geworfen oder überleben eiskaltes Wasser nur knapp, verlieren Finger und Zehen. Ich will mich nicht festlegen lassen. Ich habe auf so viele Schubladen keine Lust mehr. Vielleicht poste ich auf Insta die nächsten Jahre nur noch die wunderbaren Bücher, die ich gelesen habe. Aber vielleicht streue ich ab und an auch nochmal andere Themen ein. Vielleicht ist ab und zu etwas dabei wie heute. Und ihr wisst es jetzt. Ihr wisst jetzt, dass hinter dieser Fassade, die ihr seht, vieles ist, dass ihr vermutlich nie gedacht hättet. Und das gilt wohl für jede Person, auf die ihr trefft. Vielleicht auch auf die Menschen, die ihr vermeintlich gut kennt. Ihr tragt sie doch auch, die Päckchen, die keiner sehen soll. Nicht mal unbedingt aus Scham. Manchmal will man auch Dinge nicht in Anspruch nehmen, die als (gutgemeinte) Reaktion folgen könnten. Manchmal will man nicht stellvertreten, weil man eben kein Haus der Statistik ist. Und manchmal ist man es doch, für andere und es ist gut so. Manchmal geht es die anderen auch einfach nichts an, was man gerade durchmacht, welchen Sturm man überstanden hat, welche Schichten sich ablagern und auftürmen, welche Umwege nötig waren bis hierher.

Seid sanft! Mit euch und den anderen! Nehmt eure Schichten wahr! Und erkennt, dass ihr die der anderen meist nicht einmal ahnen könnt.

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