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Die Mehrwertsteuer für Podcasts muss sinken

Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: Eine Reform, die die neue Koalition vergessen hat und warum 7 Prozent Steuern besser sind als 0 Prozent.

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Hallo!

Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber wir bekommen eine neue Bundesregierung. SPD und CDU haben sich auf einen 144-seitigen Koalitionsvertrag geeinigt. Darin steht einiges, das für traditionelle Verlage genauso wie für unabhängige Medien und Creators relevant ist.

Wirtschaftlicher Druck auf gedruckte Medien

Zunächst mal enthält der Koalitionsvertrag drei für die traditionellen Verlage schmerzhaften Pläne.

  1. Der Mindestlohn steigt (wahrscheinlich) auf 15 Euro. Das macht das Zeitungsaustragen teurer – ein wichtiger Kostenpunkt für gedruckte Zeitungen. Austräger:innen zu bezahlen lohnt sich immer weniger, weil immer weniger Zeitungsexemplare jeden Morgen über immer größere Strecken verteilt werden. Also wird das Austragen jeder einzelnen Zeitung teurer und teurer. Das wird sich kaum aufrechterhalten lassen, sobald die Leute angemessen bezahlt werden, die in aller Herrgottsfrühe aufstehen und Zeitungen einwerfen.

  2. Wenn Verlage einer Oma am Telefon ein Hörzu-Abo aufschwatzen, muss die es anschließend nochmal schriftlich bestätigen. Ansonsten gilt so ein Vertrag („telefonisch angebahnte Dauerschuldverhältnis“) nicht mehr als rechtsgültig. Das ist ein weiteres Problem für Verleger, da sie offenbar viele Abos auf diese Weise loswerden. War mir neu – und mein Mitleid hält sich in Grenzen.

  3. Eine regelrechte Demütigung ist dieser Satz im Koalitionsvertrag: „Die Herausforderungen der Zustellung der Zeitungen werden wir mit den Verlagen erläutern.“ Grammatikalisch ergibt das schon mal keinen Sinn (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (gemeint ist wohl „erörtern“). Ich übersetze in verständliches Deutsch: „Verlegerverbände, schminkt euch die Presseförderung ein für alle Mal ab.“ Wir erinnern uns: Die Verlage sollten fast eine Viertel-Milliarde Euro Subventionen von der Regierung bekommen, die digitalen Medien: nix. Am Widerstand der neuen Medien scheiterte diese verfassungswidrige Wettbewerbsverzerrung schließlich (ich war daran nicht ganz unbeteiligt). Eine erneute Golddusche für die Verleger wird es nun auch von der neuen Koalition nicht geben.

Sensation 1: leider abgesagt

Einigermaßen sensationell sind aber andere medienpolitische Vorhaben – zumindest sah es danach aus, als die Arbeitsgruppe Kultur und Medien ihrer Chefetage die Vorschläge schickten (Original-Dokument hier bei Frag den Staat (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)). Im Papier der Medienpolitiker standen am 23. März zwei Dinge, mit denen eigentlich niemand gerechnet hatte, der sich für Medienpolitik interessiert (das sind zugegebenermaßen nicht viele in Deutschland).

Erstens schlug die Arbeitsgruppe völlig überraschend vor, die Mehrwertsteuer für Presserzeugnisse auf sage und schreibe 0 Prozent zu senken. Doch die ungläubige Freude währte nicht lang, denn im finalen Koalitionsvertrag taucht diese Mehrwertsteuerabschaffung nicht mehr auf – offenbar war sie mit etwa 700 Millionen Euro zu teuer.

(S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Koalitionsverhandlungen CDU/CSU/SPD AG 14 - Kultur und Medien

Sensation 2: könnte klappen

Was bleibt, ist die zweite Überraschung: Journalismus soll in Zukunft gemeinnützig sein können. Zwar gibt es schon heute gemeinnützige Medien, wie zum Beispiel das Correctiv, Netzpolitik, Finanztip, Queer.de, Haus Eins, Dekoder und ähnliche (organisiert im Forum gemeinnütziger Journalismus (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)). Bisher mussten sie sich jedoch mit Tricks behelfen, um als gemeinnützig zu gelten, zum Beispiel in irgendeiner Form Bildung betreiben.

Gemeinnützigkeit hat Vorteile: Sie ermöglicht es Medien, Gelder von Stiftungen zu bekommen und Spendenquittungen auszustellen. Und sie müssen für Spenden natürlich keine Mehrwertsteuer abzuführen. Eine solche Neuregelung hatte es schon einmal in den Koalitionsvertrag der Ampelparteien geschafft, allerdings passierte drei Jahre lang nichts. Jetzt steht genau diese Gemeinnützigkeit erneut im Koalitionsvertrag von SPD und CDU, und gerade die Union war bisher skeptisch. Diesmal könnte es also klappen.

Genau damit hatten alle gerechnet: nichts

Besser als nichts. Denn genau damit hatten alle gerechnet: nichts. Für die allermeisten unabhängigen Medienmacher:innen ist die Gemeinnützigkeit leider nicht wirklich relevant. Eine Mehrwertsteuersenkung wäre dagegen eine echte Hilfe gewesen.

Meiner Meinung nach geht die knapp gescheiterte Abschaffung allerdings an der Realität vorbei – während über das eigentliche Problem fast niemand redet. Nichts dagegen, wenn journalistische Abo- und Mitgliedschaftsangebote generell mit 0 Prozent besteuert würden. Nur: Wo zieht man da die Grenze? Nehmen wir zum Beispiel die massiv erfolgreichen True-Crime-Podcasts der ZEIT – ist sowas journalistisch relevant genug für eine Steuerbefreiung? Und wenn ja, was wäre dann mit Koch-Podcasts? Mit den Pochers? Mit AfD-Content? Es wäre messy geworden und zwangsläufig unfair.

Deshalb halte ich die Idee einer allgemeinen Steuersenkung auf 0 Prozent nicht für sinnvoll. Dringender ist aber ein anderes Thema, das kaum jemand auf dem Schirm hat: die Kanal-abhängige Besteuerung von Inhalten. Inhalte zahlen unterschiedliche Steuern, je nachdem, ob sie als Podcast, Newsletter, Video oder in anderer Form erscheinen. Wusstest du auch nicht, oder?

Besser 7% als 0% Mehrwertsteuer

Seit Ende 2019 gilt in Deutschland auch für digitale Presseprodukte der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent. Allerdings profitieren nur bestimmte digitale Inhalte von dem reduzierten Steuersatz. Die Finanzverwaltung behandelt Podcasts zum Beispiel nicht als begünstigtes Presseerzeugnis. Sie gelten umsatzsteuerlich als „sonstige elektronische Dienstleistung“ und unterliegen daher dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Der reduzierte Satz (7 Prozent) kommt hier nicht zur Anwendung, weil Podcasts keine digitalen Bücher oder Zeitschriften darstellen, sondern überwiegend aus Toninhalten bestehen – fürs Finanzamt also eher sowas sind wie Schallplatten, Radioaufnahmen oder Hörspielkassetten (Hörbücher zahlen übrigens 7 Prozent – logisch, oder!?!).

Nach dem Motto: Podcasts sind für uns alle Neuland.

Es ergibt für mich überhaupt keinen Sinn, Inhalte unterschiedlich zu besteuern, nur weil sie auf verschiedenen Kanälen veröffentlicht werden. Ob etwas geschrieben, gesprochen, vielleicht KI-basiert oder zukünftig Gedanken-telegrafiert wird – steuerlich begünstigen sollte der Staat doch die Inhalte, nicht den Transportweg.

Lasst uns Interessen vermitteln

Das eigentliche Problem ist meiner Erfahrung nach nicht ein böser Wille. Sondern, dass Politiker sich schlecht in Creators hineinversetzen können, weil sie vor Zeitungs-, Radio- und Fernsehleuten umgeben sind, aber die Creator Economy eher vom Hörensagen kennen. Falls jemand aus der Blaupause-Leserschaft medienpolitisch gut vernetzt ist, an offene Ohren weitergeben oder sich dazu austauschen möchte: Meldet euch gern.

Und es liegt daran, dass wir unsere Interessen nicht gemeinsam artikulieren – es gibt keinen Lobby-Verband für unabhängige Medienmacher:innen. An dieser Situation könnte sich aber bald etwas ändern, zumindest gibt es verschiedene Gespräche in unterschiedlichen Gruppierungen. Stay tuned.

Bis übernächsten Montag, frohe Ostern!
👋 Sebastian

PS: Ich habe vor einiger Zeit mein-Twitter-Archiv heruntergeladen (und danach alle Inhalte gelöscht). Dabei habe ich eine Menge Memes und Internet-Fundstücke wiedergefunden. Unter anderem dieser New-Yorker-Cartoon von Kaamran Hafeez (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der meiner Abneigung gegen unnütze Meetings Feuer gibt. (unten im Mitglieder-Teil gibt es noch mehr).

Und?

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