Warum es so unangenehm ist, für sich selbst zu werben
In einem der ersten Texte unseres Blog-Archivs schrieb Steady-Gründer Gabriel Yoran 2016 über die Herausforderungen der Eigenwerbung. Viele seine Einsichten gelten bis heute. Ein Repost.
Von Gabriel Yoran
Wer regelmäßig ins Internet schreibt, YouTube-Videos oder Podcasts produziert, will gelesen, gesehen oder gehört werden. Trotzdem scheuen sich viele dieser Leute, Werbung für ihre Arbeit zu machen.
Wenn man diese Publisher dann fragt, warum sie nicht für sich werben, sagen sie oft so etwas:
„Meine Arbeit soll für sich sprechen.“
„Ich habe keine Zeit für sowas.“
„Ich will meine Leser nicht vollspammen.“
„Ich habe keine Ahnung von Marketing.“
Hinter diesen rationalen Erklärungen steckt aber meist eine andere Wahrheit: Es ist vielen schlicht unangenehm, für sich zu werben. Denn es ist ja weniger Werbung für einen Text, ein Video oder einen Podcast als Werbung für die Person dahinter. Viele Leute, die wahrgenommen werden wollen, wollen nicht, dass man sie als Leute wahrnimmt, die wahrgenommen werden wollen.
Man will wahrgenommen werden, aber nicht als jemand, der wahrgenommen werden will
Dieser feine Unterschied ist einer der wesentlichen Gründe, warum es unabhängige Publisher so schwer haben, die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie sich wünschen. Und diese mangelnde Aufmerksamkeit erschwert es natürlich auch, mit der eigenen Kreativität Geld zu verdienen.
Georg Franck schreibt in seiner „Ökonomie der Aufmerksamkeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“, dass hier ein „Bruch zwischen dem Wunsch nach Beachtung und der Sorge um den Selbstwert“ droht: Der Selbstwert geht in den Keller, wenn man auf die falsche Art um Beachtung bittet. Die klassische Autorin, der klassische Autor hat es etwas leichter: Wenn man schon ein Publikum gewonnen hat, übernimmt der Verlag die Aufgabe der Werbung. Dieser Luxus kommt aber nur wenigen zuteil. Die vielen unabhängigen Publisher im Netz müssen selber werben. Aber wie?
Der Selbstwert geht in den Keller, wenn man auf die falsche Art um Beachtung bittet
Zu den unabhängigen Publishern gehören so unterschiedliche Leute wie Politblogger, die über den lokalen Wahlkampf schreiben, Spezialisten für alternative Energien, Literatur-Podcaster, Fachautoren für Fußballstrategie. Wenn man sie fragt, ob sie ihren Lesern regelmäßig Newsletter schicken würden, schütteln die meisten den Kopf. Fragt man aber, ob sie ihre Leser per E-Mail auf einen neuen Artikel aufmerksam machen würden, sagen sie ja. Wo ist der Unterschied? Sind das nicht beides Newsletter? Technisch schon. Der Unterschied liegt in der Auswirkung auf die Selbstachtung des Publishers. Ersteres erscheint ihr oder ihm als billiges Heischen um Aufmerksamkeit, letzteres als nützlicher Hinweis, bei der nicht die Autorin oder der Autor, sondern eine hoffentlich relevante Information (es gibt etwas Neues) im Vordergrund steht.
Aber selbst dann ist es für viele Publisher technisch zu aufwendig, solche Mails zu verschicken – und oft haben sie auch nicht die Mailadressen ihres Publikums. Denn um die müsste man bitten und das wäre wieder Werbung. Ein Teufelskreis des gefürchteten schlechten Eindrucks.
Franck schreibt, dass unmittelbare Selbstachtung und durch äußere Wertschätzung vermitteltes Selbstwertgefühl die Selbstwertschätzung speisen. Kurz gesagt: Entscheidend ist das, was man denkt, das andere von einem halten. Die Selbstachtung fungiert als Kontrollinstanz, als Filter, der die Zuwendung durch andere kritisch überprüft. Wenn diese Instanz ausgeschaltet ist, wird jedes falsche Kompliment, jede billige Schmeichelei blindlings auf das Konto der Selbstwertschätzung gebucht. Man würde Opfer der eigenen „Gefallsucht oder [der] Lust am Auffallen“.
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