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Warum es wichtig ist, dass gerade du dieses Buch schreibst

Draußen schneit es, das Grau wird so langsam dunkelblau. Drinnen leuchtet die Laptop-Tastatur. In knapp zwei Monaten soll mein neues Manuskript fertig sein, so langsam muss ich mal ranklotzen. Eigentlich wollte ich schon weiter sein, aber erst haben mich andere Projekte aufgehalten - und dann ist da ja noch mein gar nicht mal seltenes, aber nutzloses Talent zur Prokrastination. Dabei ist Social Media mein geringstes Problem. Nein, vielmehr verfalle ich regelmäßig in eine Art Schockstarre, weil diese Stimme ganz hinten in meinem Kopf flüstert: Was machst du da eigentlich? Hast du dir das mal durchgelesen? Alles stumpfsinniger Mumpitz, langweilig, null sprachgewandt … und so weiter und so fort. Wenn du das nicht kennst: Wunderbar! Falls doch: Lies bitte weiter, denn dieser Text ist für dich.

Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, viel zu lesen, um selbst auf dem Buchmarkt mitspielen zu können. Einerseits, weil es eine Art Weiterbildung ist: Welche Tropes sind besonders beliebt, welche gehen gar nicht? Welcher Ton schwingt in der Sprache mit? Welche Formulierungen kann ich selbst nicht mehr sehen und sollte sie folglich im eigenen Manuskript vermeiden? Wie detailliert darf es sein, ehe ich in Versuchung komme, querzulesen? Wobei ich da womöglich kein guter Maßstab bin, meine Aufmerksamkeitsspanne ist ziemlich … Äh, wo war ich? Und nicht zuletzt ist es eine enorme Hilfe bei der Suche nach Vergleichstitel (if you know, you know). Nee, stimmt nicht, nicht zuletzt macht es Spaß!

Und doch gleicht es zuweilen einer Gratwanderung. Es gibt Momente, da nehme ich ein Buch in die Hand und stelle erleichtert fest, dass die Autorin ihre Suppe auch nur mit Wasser kocht. Und dann gibt es solche, in denen ich mich frage: Warum tue ich mir diesen Stress eigentlich an? Es gibt so viele Bücher! Und da ich eine wählerische Leserin bin, kann ich ergänzen: Es gibt so viele gute Bücher! Muss ich da wirklich mitmischen? Kann ich da überhaupt mitmischen? Oder wäre es nicht klüger, auf der Couch zu chillen und meinen SUB weiter nach dem Prinzip lies eins, nimm drei zu bearbeiten, ohne mir täglich vor Augen zu halten, dass im Grunde jede Geschichte schon mehrfach erzählt wurde?

Vom Kampf um Vorbestellungen will ich gar nicht erst anfangen. Erst heute las ich den Beitrag einer Kollegin, die ihre Enttäuschung über die geringe Resonanz zu ihrer Signieraktion teilte - nach wochenlangem Marketing. Es reicht nicht mehr, eine gute Geschichte zu schreiben (als ob das nicht Herausforderung genug wäre), du musst auch noch dafür sorgen, dass sie gelesen wird. Auf diesen Druck möchte ich in einem gesonderten Beitrag eingehen, daher werde ich das an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

Also mal angenommen, das Marketing-Thema wäre erledigt, wozu schreibst du sie denn nun, diese vermeintlich unnötige Geschichte, wenn es doch tausende andere gibt und du zu allem Überfluss auch noch festgestellt hast, dass deine Idee gar nicht so revolutionär ist, wie du dachtest? Warum züchtest du nicht lieber Schafe oder gestaltest das Wohnzimmer um oder baust einen Hühnerstall (obwohl du das auch nicht kannst, aber da merkt es keiner)?

Weil nur du diese Geschichte auf deine Art erzählen kannst.

Ich gebe ja neuerdings Freewriting-Workshops und habe auch vorher schon öfter gemeinsam mit anderen zu gemeinsamen Impulsen geschrieben. Das ist eine Erfahrung, die jede Autorin, jeder Autor einmal machen sollte: Ein vorgegebenes Thema, ein bestimmter Satz, für alle die gleiche Szene als Ausgangspunkt - es wird garantiert nie das selbe Ergebnis dabei herauskommen. Während du schreibst, denkst du vielleicht: Das taugt nichts. Das ist allerhöchstens mittelmäßig. Das kann ich niemandem zeigen. Aber sobald du es doch tust, wirst du merken, dass das nicht stimmt.

Aus genau diesem Grund ermutige ich die Teilnehmenden gern dazu, ihre Texte vorzulesen. Denn in dieser Vielfalt steckt ein Zauber, der aus dem, was eben noch Murks war, ein seltenes Fundstück macht. Und es wird immer eine Person geben, der genau dieser Text ins Herz geht. Im besten Fall bist diese Person du selbst.

Also schreib weiter. Wirf deine Zweifel in eine Sprachnachricht an die beste Freundin. Kauf dir Bücher, die du dann nicht liest, und sei Teil dieser bunten Wortwelt. Gib dir die Chance, dich und deine Lesenden zu überraschen. Tipp deinen Murks in die leuchtende Tastatur. Er wird einzigartig sein, versprochen.

Dieser Beitrag ist der erste von hoffentlich einigen, in denen ich ein paar Erkenntnisse meiner Autorinnenreise mit dir teile. Das wird mehr Tagebuch als Schreibratgeber sein, meistens spontan, vermutlich nicht regelmäßig, aber ich bemühe mich. Sollte es eine Frage dieser Art geben, die dich immer wieder beschäftigt, dann schreib sie mir gern. Vielleicht habe ich eine Antwort für deine Zweifel parat.
Sujet Mut zum Murks