Überwintern (Januar-Logbuch)
Unter diesem Himmel bin ich noch immer am Überwintern, immer noch barfuß, die Kälte beißt, komm zurück, KOMM ZURÜCK! Und dieses Lichtloch im Grau, bist das du? Und bin das ich oder ist das der Sturm, der an meiner Rüstung reißt? Weil sie so schlecht zusammenhält …
Der Januar kam mir ewig lang vor. Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass ich am Anfang sehr zuversichtlich auf dieses neue Jahr geschaut habe. Dreimal pro Woche Sport, ich lerne wieder eine Sprache (ja, ich bin in die Neujahrsfalle getappt), die Projekte laufen gut, das Jahr wird super! Und ich denke, so grundsätzlich stimmt das auch weiterhin. Genau das ist der Punkt: Ich denke. Denn das Gefühl kommt da nicht mehr hinterher. Denn mit jedem Akt dieser Januar-Shitshow habe ich mich emotional mehr in den Winterschlaf versetzt, habe mir Ersatzgefühle angezogen, während ich selbst kaum aufrecht stehen konnte. Mich wieder mehr spüren wollte ich, aber doch nicht so!

Kann noch immer nicht fassen, dass ich mich für fantasielos hielt. Vom echten Leben inspiriert, aha. Aber woher dann Hach, Kitsch, Happy End - statt Fuck, Autsch, Wann hört das auf?
Eigentlich wollte ich dieses Logbuch gar nicht schreiben. Ich lasse das einfach durchziehen, habe ich mir gesagt, froh, den Monat überstanden zu haben. Der Januar war wie ein Ladebalken für mein Schreibjahr, ich habe den virtuellen Tisch aufgeräumt und nun stecke ich endlich wieder im aktuellen Manuskript, ohne Ablenkung (hahaha, der war gut), also außer weltpolitischem Chaos, der Planung meiner nächsten Veröffentlichung und dem Ringen mit meinem ständigen Bedürfnis, Bücher zu kaufen. Der Ersatzgefühle wegen.
Es wird ein Buch
Bleiben wir doch gleich beim Thema: Es ist bereits Februar und das heißt, ich werde endlich mehr über mein nächstes Buch verraten können. Wenn alles klappt. Denn im Januar habe ich nicht nur die letzte Lektoratsrunde abgeschlossen, sondern auch einiges im Hintergrund organisiert. Ein Vertrag mit dem Vertrieb wurde abgeschlossen, Druckangebote eingeholt, letztendlich ein Slot reserviert, dazwischen gab es viel Rechnerei, Austausch mit lieben Kolleginnen, ein bisschen Überforderung und nicht zuletzt Dankbarkeit dafür, mir das leisten zu können. Ich halte es immer noch für unvernünftig, mit meiner Reichweite so viel in ein Buch zu investieren. Andererseits weiß ich, was der Einsatz dafür ist, und in ein paar Monaten ein fertiges Exemplar in der Hand zu halten, vielleicht sogar in der Buchhandlung liegen zu sehen, das wird mein Gewinn. Gerade in diesen Zeiten. (Wenn es jemand liest, ist das natürlich auch fein, aber kein Druck.)

Beim Schreiben der Danksagung hatte ich wieder kurz Schnappatmung. Was denkst du dir dabei, ein links-wokes Buch rauszubringen, in dieser Stadt, in diesem Blauland? Was, wenn dich jemand erkennt? Was, wenn du dafür künftig Sprüche kassierst, während du mit dem Kind an der Eisdiele stehst, weil die, die du kritisierst, ja gar kein Problem damit haben, laut zu sein? Aber darum geht es, oder nicht? Deswegen erst recht. Es ist jetzt nicht mehr die Zeit, um unpolitisch zu sein. Nicht die Zeit, um den Kopf einzuziehen.
In der Wartehalle des Weltuntergangs
Über den Dächern der Stadt hängen die Wolken tief, die Luft ist schwer von Gedanken. Worte, die keine werden wollen, kriechen in jede Ritze; feuchter Stein, kalte Träume. Die Stille ist trügerisch, doch meine Wangen trocken. Schockstarre, oder einfach nur das Leben?
“Mach dir mal keinen Kopf”, sagte ich neulich, “die Welt geht eh bald unter, dann ist das auch alles nur noch halb so wild.” Möglicherweise habe ich ein gewisses Level an Zynismus erreicht. Ich meine, wie könnte ich nicht? Ein wahnsinniger Clown führt nun einen der mächtigsten Staaten der Welt - falls er es denn tut und nicht dieser stinkreiche Typ mit den komisch geformten E-Autos, der auf offener Bühne versehentlich zweimal den Hitlergruß gemacht hat. Hoppla! Aber kein Grund zur Aufregung, er wusste ja sicher nicht, was er tut, und überhaupt, die Ausführung war eher mittelmäßig, vielleicht sollte es doch eher ein Herz in die Menge sein und … WOLLT IHR MICH EIGENTLICH ALLE VERARSCHEN? Na gut, zum Glück sind sich hierzulande alle demokratischen Parteien einig darin, nicht mit Rechten zu paktieren und …

(Das ist seit einer Weile mein Lieblings-Meme, ich fühle mich davon zutiefst verstanden.)
Ich möchte mich dazu jetzt nicht weiter äußern. Also, natürlich ist es wichtig, darüber zu reden, wach zu bleiben, die Sache ernst zu nehmen. Aber wenn du mir folgst und meine Bücher und Texte magst, muss ich dich wahrscheinlich nicht davon überzeugen, dass hier gerade menschenverachtender Bockmist passiert und deine Stimme bei der Bundestagswahl am 23. Februar wirklich wichtig ist. Und ich muss dir sicher auch nicht erklären, wie hilflos ich mich mitunter fühle. Und dass ich oft Momente habe, in denen ich das Doomscrolling nicht abstellen kann, als müsste ich mich mit Gewalt davon überzeugen, dass das alles real ist. (Aber gleichzeitig wäre es mir lieber, damit falschzuliegen.)
Und dann denke ich wieder, dass ich in diesen dystopischen Zeiten genau das richtige Genre schreibe: Liebesromane, in denen ich das Hach mit dem Autsch verbinde - mal mehr, mal weniger ausgeglichen. Und wie gut es mir tut, wenigstens dort die Kontrolle darüber zu haben, wie es ausgeht; dass meine Enden sich immer wie Anfänge lesen. Ja, das mag ich. Und daran halte ich fest.
Notfalls ohne Mut
Eigentlich wollte ich dieses Logbuch auslassen. Dann schrieb meine Freundin Sara nur mut (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und ich dachte mir, okay, ich fange einfach an. Notfalls auch ohne Mut. Denn zum Weitermachen braucht es ja erstmal nur einen nächsten Schritt.

Das ist wie beim Schreiben: Klar kann ich mir das Wortziel auf 3.000 setzen und mich hinterher ärgern, dass ich es nicht geschafft habe. Oder ich tippe los und schaue mal, was passiert.
Mit dieser Klecker-Methode habe ich im Januar immerhin 10.000 Wörter geschrieben, zwischen all dem anderen Kram. Damit ist der Mittelteil überstanden und es geht ins letzte Drittel, wobei ich mich davon abhalten muss, erst einmal die nächste Korrekturschleife zu drehen. Davon gab es nämlich schon sehr, sehr viele und da ich mich kenne, weiß ich, dass ich mich damit vor der Zielgeraden drücke. (Wir wissen alle, dass es bei mir nie eine Gerade wird, aber das ist jetzt nicht der Punkt.) Das Motto des Februars lautet also Mut zum Murks, Masse statt Klasse, mit Karacho in die Katastrophe, Hauptsache die Handlung steht auf’m Papier.
Und dann werde ich wohl nebenbei in den Marketing-Modus wechseln (yaaaaay), mir schwarz-humorvolle Beiträge ausdenken, an fehlender Interaktion verzweifeln, trotzdem weiter um Vorbestellungen kämpfen … Denn ja, mein Buch wird trotz Selfpublishing vorbestellbar sein. Zunächst nur als Print und ich möchte an dieser Stelle gleich betonen, wie wichtig es für mich ist, die 1. Auflage entsprechend kalkulieren zu können. Wenn es dann also losgeht und ich das Cover zeige, den Inhalt anteasere, anderes cooles Zeug verrate, und du dir denkst: Boah, ja, will ich lesen! Dann bestell lieber gleich als später (ja, das ist jetzt Werbung, sorry), denn nur so ist für mich abschätzbar, ob ich drei oder sieben Exemplare drucken lasse. (Ich bin da ja realistisch.)
Und mit diesem Optimismus beende ich das Logbuch, im Februar gibt’s hoffentlich mehr schöne Dinge zu berichten. Nur noch ein bisschen warten … noch ein bisschen warten … noch ein bisschen warten …
Bis dahin danke für deine Zeit und alles Liebe für dich!