Ich fühle mich von Olivia Rodrigo null gesehen.
Der vollkommen subjektive Newsletter über Medien, Digitalgedöns und extrem viel Privatleben. Diesmal: Charts, Prognosen und kein Bock auf viel Arbeit.
Kürzlich bei LinkedIn las ich von einer Frau, die auch in ihrer frisch gebackenen Selbstständigkeit weiter auf ihre 32h-Woche beharrt. Freitags bleibt das Notebook zu. Tatsächlich war das Thema Arbeitszeit einer meiner größten Sorgenpunkte, bevor ich mich fürs Freelancen entschied. Aber ist der Ausspruch "Selbst und ständig" nicht langsam ein ausgenuckelter Allgemeinplatz? Liegt meine Zeiteinteilung nicht allein in meinen Händen? Ich sprach mit freien Freund:innen, die das Nein-Sagen bewarben und so viel Freizeit hatten wie nie (wenn auch andere Sorgen). Was die LinkedIn-Frau entschieden hat, finde ich jedenfalls gut. Ist es in der Realität umsetzbar? Ich werde es erfahren. Eins ist klar: Wenn ich langfristig mehr als vorher arbeite, muss ich was verändern.
Pinterest hat in die Glaskugel geguckt und die Trends für 2022 herbei orakelt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Was kommt: kurvige Möbel, Tea Porn, Naturszenen-Nail Art, Knallfarben-Klamotten vs. Goth-Fetisch und ganz, ganz viel Achtsamkeit.
YouTube indes sieht die Zukunft in Shorts und Live-Formaten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Die Instagramisierung, meine Freunde, sie passiert.
Kochen ist 90% schneiden, also warum es nicht so nennen und suddenly alle können es, niemand hat mehr Angst, Menschen liegen sich satt und gesund in den Armen, jemand seufzt, lass gemütlichen Schneidabend machen.
Bevor ich selbstständig wurde, saß ich im Management bei Steady (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Dort hatten wir überraschenderweise nicht das Problem, Content Creators zu erklären, wie sie sich mithilfe ihrer Community finanzieren können. Sondern ihnen klar zu machen, dass sie ihre Fans um Geld bitten dürfen. Und das, ohne unbedingt mehr machen zu müssen als vorher. Klar: Um Geld zu bitten ist unangenehm und macht Druck, mehr zu produzieren. Aber wie schrieb ich noch auf die Steady-Startseite? Gute Arbeit verdient mehr als ein Like. Eigenwerbung ist okay. Du machst deinen Job schließlich auch so gut, dass du die Ergebnisse gern vorzeigst, oder? Mein Ex-Kollege Sebastian Esser schreibt in seinem neuen Membership-Newsletter Blaupause (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): "Du musst den Leuten so sehr auf den Senkel gehen, dass es dir selbst unangenehm ist". Bitte mach das. Es tut weh zu sehen, wie viele Menschen Zeit und Herzblut investieren und außer gutem Eindruck nicht viel gewinnen.
Dafür, dass Spotify sein Augenmerk auf Podcasts und ihre Monetarisierung gerichtet hat, fühle ich mich auf der Suche nach passenden Formaten für mich wie ein verdammter n00b. Schön und gut, dass Spotify seine eigenen Produktionen besonders pusht, aber ich würde gerne mehr sehen als öffentlich-rechtliche Angebote, Hörer:innen-Charts und Produktionen mit Stars. Irgendwie rutschen die kleinen Nischenthemen, die für mich gut wären, in die völlige Unsichtbarkeit. Dein Mix der Woche mit Episoden zu verwandten Themen zu jenen, die ich bereits hörte – wie schön das wäre. Kacke da nur ich drauf ab?
Ein bisschen late to the party, aber ich kenne fast keinen Song des Jahres im Musikexpress 01/22 . Das ist der Moment, vor dem ich mich immer gefürchtet habe. In Jugendtagen habe ich noch mit Monokel jede Ausgabe der intro nach Juwelen durchkämmt, die mir vielleicht entgangen waren, war aber alles in allem sehr selbstzufrieden mit meinem Knowledge. Hier gehörte ich hin, hier konnte ich sein. Ich wollte nie eine Person werden, die nicht mehr weiß, was in den Charts läuft. Egal, wie beschissen es ist. Ich weiß gern bescheid. Ich bin die Tante mit den Röhrenjeans, die sich zu den Kids stellt und "Was ist denn so Trumpf bei euch, Leute?" fragt, sich von Olivia Rodrigo aber null gesehen fühlt. Bin ich in Wirklichkeit längst zur Rolling Stone-Leserin gemorpht?