„Wenn Frauen heute denselben Job haben wollen wie ein Mann, müssen sie mehr performen.“
Liebe*r Wegbegleiter*in,
zum Wochenausklang bekommst du von mir Zugang zu meinem Interview mit der Filmemacherin und Autorin Saralisa Volm. Die hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "Das ewige Ungenügend– Eine Bestandsaufnahme des weiblichen Körpers". Das war bei uns lange Zeit DAS Gesprächsthema.
Falls es dich interessiert, ich sprach mit Frau Volm über Sexualität, Kunst und den richtigen Umgang mit Instagram.
Hier das Interview auf Riffreporter (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Fotograf mit Fragen: In einer Werbung vom Ullstein-Verlag wurde ein Zusammenhang hergestellt zwischen Ihrem Buch und Ihrer Vulva. Stellen Sie fest, dass Sie als Autorin von ihrem Verlag in eine Richtung gedrängt werden?
Saralisa Volm: Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Es wird gesprochen über Schönheitsideale, über Filter und häufig werde ich zu Essstörungen befragt. Aber da hört es schon auf. An den Orgasm Gap trauen sich wenige. Dabei ist es eines der Themen des Buches. Es geht um Sexualität und um meine Vulva. Da gibt es ein Kapitel, das sich mit Sexualkunde-Unterricht befasst und der mangelnden Fähigkeit, beim Sex zu kommunizieren. Der Überbegriff dafür ist sexuelle Bildung. Als der Ullstein-Verlag für eine Werbung einen Ausschnitt aus diesem Kapitel gewählt hat, habe ich mich gefreut. Sich an das Thema nicht ran zu trauen, finde ich schade. Mein Buch verhandelt auch andere Themen, wie sexuelle Gewalt, Abtreibung oder Zwangsehen. Alles Dinge, über die die Leute weniger gerne sprechen als über Botox und Instagram-Filter.
Fotograf mit Fragen: Genau. In ihrem Buch geht es darum, dass Frauen sich für ihre Sexualität schämen sollen. Um sich dem männlichen Blick zu entziehen, gibt es den Hidschab, die Burka und schreckliche Rituale wie die Klitorisbeschneidung. In meinem Alltag bekomme ich ein anderes Frauenbild. Ich erlebe die Frau als gebildet, selbständig und als Menschen, die mich als Mann vor Herausforderungen stellen. Was lebe ich meiner siebenjährigen Tochter vor?
https://www.instagram.com/stories/highlights/17991263435064613/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Saralisa Volm: Ein wohlfeiles Argument, das gerne benutzt wird, ist, „ich kenne ja nur solche Leute“ oder „ich erlebe Frauen so und so“. Das ist super. Und diese anekdotische Empirie ist notwendig, um uns zurechtzufinden. Aber manchmal ist es wichtig, zu schauen, was sagt uns denn das große Ganze außerhalb unserer Bubble. Es ist wahnsinnig schön, den eigenen Kindern vorzuleben, dass Frauen gleichberechtigt sind und so kleine emanzipierte Inseln in unserer Gesellschaft zu schaffen. Das ist phantastisch, weil Vorbilder uns prägen. Trotzdem gilt es, das Wissen zu vermitteln, dass es nicht allen Frauen so gut geht und dass es unsere Aufgabe ist, weitere Frauen zu befreien. Und nicht nur Frauen.
Fotograf mit Fragen: Sie formulieren als ein Ziel der Gleichberechtigung, dass mittelmäßig begabte Frauen ihr Ding machen sollen. Das klingt wenig anspruchsvoll. Ist die entspannte weibliche Mittelmäßigkeit als Anspruch nicht ein bisschen dünn?
Saralisa Volm: Wieso sollte das zu wenig sein? Es ist doch das, was alle die ganze Zeit über machen. Es kann nicht sein, dass man nichts leisten muss, nur weil man mit übermäßigen Privilegien geboren ist, und deshalb den Posten bekommt. Wenn eine Frau denselben Job haben will wie ein Mann, muss sie deutlich mehr performen bei gleichzeitig höherer Verantwortung in Sachen Care-Work. Das ist doch absurd. Wirkliche Gleichberechtigung würde bedeuten, eine Frau erhält die gleichen Produktionsmittel und kann mit derselben mediokren Arbeit überleben.
Fotograf mit Fragen: Die Performance-Künstlerin Marina Abramovic sagte in Interviews, Kinder und Kunst sei nicht vereinbar. Liebe, Familie und Kinder, all das wolle eine Frau nicht opfern.
Wie lässt sich ein System verändern, damit Frauen selbsterfüllt das sein können, was sie wollen?
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