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Es geht entweder gut, oder vorüber.

Willkommen in meinem feministischen WORTSPIELFELD. Ich freu mich, dass du meinen Newsletter abonniert hast und meinen Gedanken zu gesellschaftskritischen Fragen und feministischen Gedanken folgen möchtest. Wenn du meine Inhalte bereits aus meiner Musik, Publikationen als Autorin, Instagram oder der persönlichen Arbeit mit mir kennst, freue ich mich umso mehr, dass du den Weg jetzt hier mit mir weitergehst und das nächste Level mit mir besteigst. Bist du neu in meinem WORTSPIELFELD, werde ich dich womöglich herausfordern, erfrischen oder anregen. Ich würde mir alles von dem wünschen, da es dich und mich, unseren Austausch und unsere Entwicklung lebendig hält. Und Lebendigkeit ist doch das, was das Leben ausmacht.

Das Private ist politisch und wir sollten aufhören, strukturelle Probleme zu individualisieren.

Foto von Jasmin Zwick

Folglich rede ich also nicht gegen Männer oder gegen Frauen, sondern gegen ein frauenhassendes System, welches alle Geschlechter dazu erzieht alles Weibliche abzuwerten und zu diskriminieren. Unter patriarchalen Strukturen leiden alle Frauen, potenziell auch alle Männer, alle nicht binären Geschlechter und alle marginalisierten Gruppen, die nicht weiß, männlich, able bodied und cis hetero sind. Es profitiert allerdings nur eine Menschengruppe: Männer, und zwar alle.

Natürlich ist das Patriarchat eng verknüpft mit dem Kapitalismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit und allem vermeintlich Schwachen, wie Ageismus und Ableismus, sowie weiteren Diskriminierungsformen, die der neoliberalen Orientierung an Macht, Geld und monetärer Leistung nicht dienlich sind. Es bedingt sich sogar alles gegenseitig und hält sich am Leben. In diesem Newsletter möchte ich mich aber hauptsächlich dieser einen spezifischen Unterdrückung, die sich gegen weiblich Gelesene richtet, widmen, um mich in meiner Expertise nicht zu versteigen und um in allein dieses einen Ismusses aufzuzeigen, wo überall in unseren Strukturen, Köpfen und Konsumgütern Misogynie gepflanzt und reproduziert wird, sodass Sexismus weiter wächst und gedeiht, als gäbe es den Fortschritt nicht. Und wenn man glaubt, bislang diskriminierungsfrei durchs Leben zu gleiten und sich dann vorstellt, dass diese komplexen toxischen Denkmuster und patriarchalen Handlungsempfehlungen auch für alle anderen Diskriminierungsformen gelten, wird einem doch recht schnell klar, dass man selbst früher oder später von Marginalisierung betroffen sein wird. Schließlich wird jede/r einmal alt sein oder behindert oder eine Tochter oder einen Freund haben, der sich Frauen gegenüber übergriffig verhält. Und das ist substanziell und existenziell. Es geht uns alle an, früher oder später.

Wenn man einmal ganz schlimm Feminismus hatte, geht das nie wieder weg. (Gerburg Jahnke, Kabarettistin)

In diesem ersten Newsletter lenken wir unseren Blick auf ein kleines, aber entscheidendes Detail im Umgang mit uns selbst: unsere individuelle Fehlerkultur. Genauer gesagt unsere Haltung zum Scheitern.

Seit über zwei Jahren laufe ich durch ein endlos langes Jammertal beruflicher Unzufriedenheit. Ich konnte meinen ersten Roman bislang nicht veröffentlichen, da ich keinen Verlag und keine Literaturagentur dafür fand, ich kann in meinen Datenspeichern lagernde Musik nicht produzieren, da mir die Gelder fehlen, im Privaten stoße ich auf enorm viel antifeministische Abwehr und social media ist für mich kein Ort mehr für nachhaltigen support. Dafür ist es aber ein Ort für Hass ohne Gegenrede und hin und wieder fällt ein verletzendes Wort von Schüler:innen, die mich als Musiklehrerin verstehen, nicht aber als Sängerin, Musikerin oder Künstlerin, weil sie Laien sind und ahnungslos, nichts verwerfliches, aber dennoch selbstbewusstseinabtragend und endlos viel Langmut fordernd.

Mein Gang durch dieses Jammertal sieht etwa so aus: ich gehe in jeder Woche frisch und frei, rosiger Teint, Schlüppi, Haare und Laune am rechten Fleck, in meine Arbeit und ziehe jeden Tag ein Viertel meiner Kreativität und pädagogischer Fürsorge aus meinen Venen, in dem tiefen Vertrauen, dass etwas zurückfließen wird, weil es das immer so tat. Am zweiten Tag verlier ich dann das zweite Viertel, am dritten das dritte und am vierten Tag das vierte. Dann bin ich leer. Am fünften Tag versuche ich, ohne Schlüppi, Haare schlimm und Laune schlimmer noch das rauszuholen, was notwendig ist, um mein Business am Laufen zu halten und meinen Freitagspost für Insta zu schreiben. Ein Post, der Raum einnimmt für eine Minute Lesezeit, aber fünf Stunden für die Anfertigung.

Die Entleerung geleerter Gefäße war schon immer was für die Verzweifelten. Aber auch für die Kreativen.

Am Abend des fünften Tages suche ich nach einem Mülleimer für meinen gedanklichen Abfall, finde keinen. Am sechsten Tag treffe ich meine Freundin, bei der ich mich ausschütten will und sie lässt mich. Zwei Viertel wieder voll. Am siebten Tag inspirierender Input durch das Anschmachten der Kunst anderer und viel qualitative Zuwendung durch Bezugspersonen. Vier Viertel Kreativität und pädagogische Fürsorge wieder zur Verfügung, Woche beendet, Neustart. Für mich ein Erfolg. Denn solange ich am Ende des siebten Tages wieder voll bin, läuft das System. Und »never change a running system« bekommt, wenn man den Lebensunterhalt sichern muss, nunmal eine gewichtige Bedeutung.

Doch dann führe ich auch immer wieder Gespräche über diese immer wiederkehrende Abfolge, in welchem mein Schaffen und Scheitern — das unveröffentlichte Buch, die musikalischen Dateileichen, meine berufliche Unzufriedenheit — eingeordnet wird. Eingeordnet als etwas, was enden muss. Am besten sofort. Es folgen ungefragte Ratschläge, unruhiges und besorgtes Grübeln, Optimierungsgedanken, es steckt Wohlwollen dahinter, ganz klar, aber etwas irritiert mich. Denn niemals fragt mich jemand, wie lange denn meine Wanderung durch das Jammertal noch dauern wird. Ob ich gedenke länger dort zu bleiben. Ob es da was Schönes zu entdecken gibt oder ich wichtiges Werkzeug oder Andenken sammeln konnte auf dem Weg. Ob ich schon ein Licht am Ende sehen kann, ein offenes Feld, einen Horizont! Ist es also wirklich nur Wohlwollen, Fürsorge (worüber Fürsorgende sich auch nähren können, also durchaus nicht nur selbstlos sind) und konstruktive Lösungssuche? Oder ist es auch Projektion eigener Furcht vorm Scheitern und die damit verbundene Abwehr. Ist es die Suche nach Selbstwirksamkeit im Abwehren des Scheiterns des Gegenübers? Nach der Logik, wenn du nicht scheiterst, dann kann mir das auch nicht passieren.

Wenn meine Schüler:innen improvisieren sollen, bekommen viele von ihnen Angstschweiß und anderen sichtbaren Stress. Die Folge dieser Reaktion ist eine Blockade, sodass am Ende manchmal gar nichts mehr rauskommt. Das ist völlig normal und meine Aufgabe, diese Blockaden durch didaktische und methodische Kniffe zu lösen. Was dahinter steckt, ist die Angst davor Fehler zu machen, peinlich oder dumm zu wirken, bewertet und kritisiert zu werden — letztlich die Angst davor zu scheitern, wenn man das Scheitern so definieren will.

Nur wer scheitert, der schafft.

Was aber, wenn wir scheitern als natürlichen, notwendigen Prozess des Schaffens betrachten? Wenn das Fehlermachen und das Nicht-Erreichen der Ziele zum Schaffensprozess gehört, weil im kreativen Prozess immer irgendwann das Produkt — Bild, Song, Jammertal — beginnt mit dem/der Schaffenden in den Dialog zu gehen und dadurch den Weg und somit das Ziel verändert? Ist es dann noch notwendig das Fehlermachen oder Scheitern abzuwehren? Ist es möglich es als Geschenk anzunehmen, um sich selbst zu begegnen, mit all den unangenehmen Gefühlen, die dazu gehören? Muss ich meine Schüler:innen wirklich immer durch pädagogisches Know-How vor diesen Gefühlen bewahren? Brauche ich jemanden, der von oben auf der Kante des Jammertals zu mir herunter ruft: gib auf! Hör endlich auf durch dieses Jammertal zu gehen! Was wäre die Konsequenz? Stagnation doch wohl.

Denn wie weit kommen meine Schüler:innen, wenn ich sie nicht wohl dosiert schweißtreibenden Unannehmlichkeiten aussetze und ihnen vermittle, sieh zu und wende an, was du gelernt hast? Wo sollte ich dann hin, wenn ich inmitten meines Jammertals nicht weitergehen soll? Dann würde ich ja drin hocken bleiben und warten. Worauf denn? Auf einen Retter? Wenn ein selbsternannter Retter käme und mir erklären würde, er wäre einer von den Guten und würde mir den Weg weisen, mir Sicherheit bieten und beschützen vor den Bösen, würde ich wissen, dass er sich mit seinem Superheldenkomplex am Patriarchat nicht nur nährt, sondern durch seine Coabhängigkeit von den Bösen, Teil des Problems ist. Zu diesem Thema geleite ich euch im nächsten Newsletter: ich bin einer von den Guten.

Und bis auf weiteres gehe ich weiter durch mein Jammertal. Denn es geht entweder gut, oder vorüber!

es grüßt, Christin

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