Eine Hand auf die Schulter legen
Als Susanne trauerte, schwieg ihr Partner. Eine Unbekannte handelte.
Der italienische Philosoph Dante Alighieri sagte vor rund 800 Jahren: „Wer Not sieht und auf eine Bitte um Hilfe wartet, ist ebenso unfreundlich, als hätte er die Hilfe verweigert.“
Lese dieses Zitat noch einmal. Es ist bedeutsam für Susannes Geschichte, die sie mir unlängst zuschickte.
Susanne trauerte
Vor acht Jahren bekam Susanne morgens einen Anruf. Sie erfuhr, „dass zum zweiten Mal meine Schwangerschaft nicht intakt war und ich eine Ausschabung haben muss“.
Es war vermutlich einer der düstersten Tage ihres Lebens.
Sie schrieb mir, wo sie Stunden später saß: in einem Bus, mit ihrem Partner. Dort sah sie etwas, das sie noch trauriger machte: „Als ein Paar mit Kinderwagen ausstieg, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten.“
Susanne spürte etwas auf ihrer Schulter
Was ihr an diesem Morgen genommen wurde, sah sie nun bei einem anderen Paar. Ihr Partner ignorierte sie, nannte ihr Verhalten später peinlich.
„Aber die Frau, die neben mir saß, reichte mir ein Taschentuch, lächelte und legte kurz die Hand auf meine Schulter. Dann stieg sie aus.“
Wenn ich das lese, spüre ich die Hand fast auf meiner eigenen Schulter. In dieser Geste lag so viel Wärme, so viel Verständnis.
Susanne war nicht jedem egal
Ich habe Susanne gefragt, wie sich dieser Moment für sie war. Sie schrieb: „Ich hab mich gesehen gefühlt. (…) Es fühlte sich nach ‚ich bin nicht jedem egal‘ an.“
Betrachten wir erneut Alighieris Worte:
Wer eine Not sieht und wartet, bis er um Hilfe gebeten wird, ist so unfreundlich, als ob er sie (die Hilfe) verweigert hätte.
Diese Unbekannte wartete nicht, bis sie um Hilfe gebeten wird. Sie sah die Not und handelte, ohne Worte. Susanne hatte sie nicht um ein Taschentuch gebeten, nicht um Zuwendung gefragt.
Wer Hilfe verweigerte, liegt auf der Hand. Heute ist er Susannes Ex. Und ich finde, zurecht.
Martin
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