Kinderwunschbehandlung für alle?
Taiwans stockende Reform
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Single-Frauen und lesbische Paare haben in Taiwan keinen Zugang zu künstlicher Befruchtung. Ein neues Gesetz sollte das ändern. Aber ein Streit um Leihmutterschaft und ein gespaltenes Parlament verzögern die Reformen.
Taiwans Reform zur künstlichen Befruchtung stockt. Während lesbische Paare und Single-Frauen weiterhin ausgeschlossen sind, verhindert ein politischer Streit um Leihmutterschaft den Fortschritt. Die Regierung will nun künstliche Behandlungen für mehr Frauen ermöglichen, doch eine gespaltene Opposition blockiert die Reform. Betroffene Paare wie Sarah Davis und Dana Luo kämpfen weiterhin für Gleichberechtigung – und hoffen, dass Taiwan moderne Familienmodelle endlich anerkennt.
Von Carina Rother, Taipeh
Der Weg zur eigenen Familie ist verschieden. Für Menschen, die nicht von selbst schwanger werden können, ist die Reproduktionsmedizin ein Weg, den Wunsch von der Elternschaft doch noch zu erfüllen. Doch jedes Land legt in seiner Gesetzgebung fest, welche Behandlungen erlaubt sind und wer Zugang hat zu den Errungenschaften der modernen Medizin. In Taiwan wird diese Frage derzeit heiß diskutiert.
Das Künstliche Reproduktionsgesetz stammt aus dem Jahr 2007, eine Reform ist überfällig. Vorstellungen von Familie und Geschlechterrollen haben sich geändert. Das Land hat inzwischen die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Doch die künstliche Befruchtung steht weiterhin nur verheirateten, heterosexuellen Paaren offen. Alleinstehende Frauen dürfen ihre Eizellen in Taiwan zwar einfrieren, und so ihre Fruchtbarkeit bewahren – nutzen dürften sie sie aber erst, sobald sie verheiratet sind.
Lesbische Paaren kommen im Gesetzestext schlichtweg nicht vor. Für Ehepartnerinnen Sarah Davis und Dana Luo bedeutete die Gesetzeslage, dass sie weder Spendersamen kaufen noch eine künstliche Befruchtung – die sogenannte „In-vitro-Fertilisation“, kurz IVF – in Taiwan in Anspruch nehmen konnten. Ihre Namen sind geändert, um die Privatsphäre ihrer Tochter zu schützen.
Familiengründung durch Gesetz beschränkt
„Wir fühlten uns in unseren Möglichkeiten, eine Familie zu gründen, sehr eingeschränkt“, sagt die 33-jährige Sarah Davis. Die Amerikanerin lebt seit zehn Jahren in Taiwan. Als Davis Luo kennenlernte, wusste sie: Die Taiwanerin ist ihre Frau fürs Leben. Nachdem Taiwan 2019 die Ehe für Alle einführte, heirateten die beiden. Sie waren das erste lesbisches Paar auf dem örtlichen Standesamt.
Doch als der Wunsch nach einem Kind aufkam, wurde ihnen klar, dass sich die Gleichstellung lesbischer Paare weiterhin in Grenzen hält. Bis 2023 erlaubte Taiwan gleichgeschlechtlichen Paaren nur die sogenannte Stiefkind-Adoption, also die biologischen Kinder des Ehepartners oder der Ehepartnerin zu adoptieren. In Deutschland galt bis zum Jahr 2017 dieselbe Regelung.
Adoption war für Davis und Luo aber keine Option. Eine künstliche Befruchtung im Ausland hätte langwierige Reisen erfordert – finanziell für die beiden unmöglich. Stattdessen begannen sie, nach einem vertrauenswürdigen Kandidaten für eine private Spermaspende zu suchen. Sie sprachen mit potenziellen Spendern über Familiengeschichte und sexuell übertragbare Krankheiten – intime Gespräche, die ihnen unangenehm waren.
Gleichzeitig konsultierten sie einen Anwalt, um zu garantieren, dass beide Mütter das Sorgerecht bekommen konnten. „Wir hätten uns all das erspart, wenn wir einfach IVF hätten machen können“, sagt Davis heute. Trotzdem nahm ihre Geschichte ein gutes Ende: Davis und Luo sind inzwischen Mütter einer gesunden Zweijährigen.
Frauen können eigene Eizellen nicht verwenden
In Deutschland könnten Davis und Luo Fruchtbarkeitsbehandlungen uneingeschränkt nutzen. Alleinstehende Frauen haben dieselben Rechte. Allerdings würden die Kosten nicht wie bei heterosexuellen Paaren von der Krankenkasse bezuschusst. Auch Spendersperma für die Behandlung zuhause ist käuflich zu haben; in Taiwan liegt es bei einer nationalen Eizell- und Spermabank unter Verschluss und kann nur von behandelnden Kliniken abgerufen werden. Die dürfen es nur zur Kinderwunschbehandlung bei unfruchtbaren heterosexuellen Ehepaaren einsetzen.
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Chin Tzu-hsuan* begegnet täglich Patientinnen, die unter der Gesetzeslage leiden. Die Gynäkologin macht Kinderwunschbehandlungen im „Stork Fertility Center“ in Taipei. „Die Kosten und Risiken einer Behandlung im Ausland liegen auf der Hand“, erklärt sie, aber das sei nicht alles. „Nehmen wir das Beispiel eines lesbischen Paares, das ins Ausland geht, um ein Kind zu bekommen. Das Baby hat zwei Mütter, aber gesetzlich hat es nur eine. Das Paar muss dann erst noch [die Stiefkind-Adoption] durchlaufen.“
Chin ist der Ansicht, dass diese Gesetzeslücken geschlossen werden müssen, um Frauen alle Möglichkeiten zu geben, die die Reproduktionsmedizin bietet. „Die Eizellen sind ihre, aus ihrem eigenen Körper, aber sie können sie in Taiwan wegen des rechtlichen Stillstands nicht verwenden“, beklagt die Ärztin. Eigentlich sollte Taiwans veraltetes Gesetz zur Künstlichen Reproduktion längst reformiert sein. Doch die Gesetzesänderung stagniert. Der Grund ist eine hitzige Debatte über Leihmutterschaft in einem gespaltenen Parlament.
Leihmutterschafts-Debatte verzögert Gesetzesreform
Das Ministerium für Gesundheit und Soziales hatte Anfang 2024 die Gesetzesreform angekündigt. Es versprach eine neue Rechtsgrundlage für Fruchtbarkeitsbehandlungen bis Januar 2025. Was stattdessen folgte, war ein politisches Tauziehen um den Inhalt der Reformen. Insgesamt 16 verschiedene Änderungsentwürfe wurden eingereicht. Die liberal ausgerichtete Regierungspartei DPP wollte die Öffnung von IVF-Behandlung für alleinstehende Frauen und lesbische Paare. Die Vorschläge der Opposition beinhalteten dazu die Einführung der Leihmutterschaft.
Leihmutterschaft ist das Austragen und Gebären eines Kindes für eine andere Person. Dafür wird der Leihmutter ein Embryo mit dem Erbgut der Auftraggeber*innen eingepflanzt. In Ländern, in denen Leihmutterschaft legal ist, wie den USA, Großbritannien oder der Ukraine, können Paare über spezialisierte Agenturen eine Leihmutter finden. Gesetze regeln, wer die Dienstleistung in Anspruch nehmen kann und was sie kosten darf. Deutschland verbietet die Leihmutterschaft; in einigen anderen EU-Ländern ist es eine gesetzliche Grauzone.
Diskussion um Legalisierung von Leihmutterschaft
Die Legalisierung der Leihmutterschaft wird in Taiwan schon lange diskutiert. Während des letzten Wahlkampfes im Jahr 2023 hatte die populistische Partei TPP das Thema Leihmutterschaft als Wahlversprechen aufgegriffen. Zusammen mit der konservativen KMT stellt sie nun die Mehrheit im Parlament – und blockiert damit Gesetzesinitiativen der DPP-geführten Minderheitsregierung. Eine Reproduktionsrechtsreform schien nur mit der von TPP und KMT geforderten Leihmutterschaftslegalisierung möglich.
Doch als das Gesundheitsministerium im Juli 2024 den Gesetzesentwurf vorlegte, der in nur 15 Absätzen die Einführung der Leihmutterschaft regelte, hagelte es Kritik. Die Regelungen seien zu vage, der Schutz von Leihmüttern und -kindern, zum Beispiel im Falle von Geburtsschäden, nicht gewährleistet. Die feministische „Awakening Stiftung“ verwies (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) auf unzureichende Daten hinsichtlich der Langzeitfolgen für Leihmütter und Leihkinder und forderte eine größere Debatte. Es sei unklar, ob Leihmutterschaft mit den Menschenrechten vereinbar sei, da sie eine „Instrumentalisierung und Kommerzialisierung“ von Frauenkörpern darstelle, so die Stiftung.
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Ärztin Chin Tzu-hsuan stimmt zu, dass Leihmutterschaft mit klaren Regelungen und Absicherungen einhergehen muss, um Leihmütter zu schützen. Aber grundsätzlich befürwortet sie den Zugang zur Leihmutterschaft für Menschen, die selbst keine Kinder austragen können. „Das Ziel müsste sein, dass alle das Recht auf freie Entscheidung haben, auch potenzielle Leihmütter“, so die Ärztin. Sie schlägt eine schrittweise Öffnung von Leihmutterschaft vor – erst für Frauen, die aus medizinischen Gründen selbst keine Kinder austragen können.
So könne man gesellschaftliche Akzeptanz für das Verfahren gewinnen, bevor man den Zugang im nächsten Schritt auf schwule Paare ausweitet. Sie weiß, dass sie damit liberaler ist als der Großteil der Bevölkerung. „Weil wir im Moment keine Leihmutterschaft haben, haben alle Angst davor“, erklärt Chin. Auch bei der gleichgeschlechtlichen Ehe hätte es im Vorfeld viel Widerstand gegeben, aber als sie verabschiedet worden sei, hätte man gesehen, dass es keine große Sache sei.
Kein Ende des Reformprozesses in Sicht
Im Moment ist gesellschaftlicher Konsens undenkbar. Bis Ende 2024 hätte die Reform eigentlich verabschiedet werden sollen. Im Dezember zog das Gesundheitsministerium den Entwurf überraschend zurück – zu laut waren die Gegenstimmen. Gesundheitsminister Chiu Tai-yuan sagte, der nächste Entwurf würde nur künstliche Befruchtung für Single-Frauen und lesbische Paare beinhalten.
Die Leihmutterschaft solle in einem separaten Gesetzentwurf behandelt werden, sei aber vorerst auf Eis gelegt. Die Opposition reagierte mit Ärger und beantragte eine Kürzung der Mittel für das Ministerium. Es wird weiter gestritten. Diese Ungewissheit ist für Paare wie Dana Luo und Sarah Davis besonders frustrierend. Nach der Geburt ihrer Tochter musste das Paar elf Monate warten, bis die Stiefkind-Adoption abgeschlossen war und beide das Sorgerecht für ihr Kind hatten.
Selbst wenn IVF-Behandlungen für lesbische Paare verfügbar werden, hängt es vom genauen Wortlaut des Gesetzes ab, ob zwei verheiratete Frauen als Eltern in der Geburtsurkunde aufgeführt werden können. Derzeit erhält nur die Mutter, die das Kind zur Welt bringt, automatisch das Sorgerecht. Die andere wird in der Geburtsurkunde als „Ehepartnerin“ geführt, was einen langwierigen Adoptionsprozess zur Folge hat.
Zu Redaktionsschluss gibt es einen neuen Gesetzentwurf. Leihmutterschaft taucht darin nicht auf. Der genaue Wortlaut wird erst veröffentlicht werden, wenn das Kabinett ihn genehmigt hat. Danach geht er zur weiteren Diskussion zurück ins Parlament. Angesichts der Pattsituation zwischen Opposition und Minderheitsregierung ist unklar, wann die Reform verabschiedet werden kann – und ob taiwanische Frauen dann endlich den Zugang zu Kinderwunschbehandlungen bekommen, den sie sich wünschen.
* Schreibweise des Namens ist wie im Original als „Nachname Vorname“ wiedergegeben.