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Solltest du vor dem Schlafen kiffen?

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: ob es eine gute Idee ist, vor dem Schlafen Cannabis zu konsumieren.

Falls du ein Podcast-Fan bist: Diese Woche geht es darum, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir über einen Witz lachen. Jetzt auf Spotify anhören! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Eine Zeitlang habe ich mehr oder weniger regelmäßig Cannabis konsumiert. Mehr oder weniger vor allem deshalb, weil ich selbst gar keine Joints drehen konnte (und immer noch nicht kann). Deshalb habe ich eigentlich nur dann geraucht, wenn ich mit jemandem unterwegs war, der das konnte. Und Überraschung: Das kommt im Studium etwas häufiger vor als im Arbeitsleben.

Eine Sache hatten die meisten meiner Erfahrungen mit Cannabis gemeinsam: Ich wurde ziemlich schnell ziemlich müde. Manchmal hat es mich nach ein paar Zügen direkt ins Sofa gedrückt, nicht selten bin ich innerhalb von Minuten eingeschlafen. (Auch deshalb habe ich eher weniger als mehr Cannabis konsumiert.)

So geht es vielen. Jetzt, wo der Cannabis-Konsum bald legal ist und man nicht mehr ein aufwendiges Rezept braucht, liegt eine Frage auf der Hand: Hilft der Cannabis-Konsum bei Schlafstörungen? Sollte man vor dem Einschlafen kiffen? Darum geht es heute in meiner kleinen Cannabis-Reihe.

Schon mal im Labor geschlafen?

Schauen wir uns zunächst die medizinische Seite an. Bei ungefähr sechs Prozent der Menschen in Deutschland ist das Schlafen zu einem dauerhaften Problem geworden. Das heißt, dass sie mindestens dreimal pro Woche nicht gut einschlafen oder durchschlafen können oder zu früh aufwachen. Und das länger als drei Monate am Stück. Ich zum Beispiel wache morgens seit Jahren schon früher auf, als ich es mir wünschen würde. Meine Hausärztin interessiert sich dafür nicht („Ja, gehen sie dann mal zu einem Experten vielleicht.“). Wäre Cannabis die Lösung?

Dr. Jennifer Walsh von der University of Western Australia hat die weltweit erste Studie (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) durchgeführt, bei der untersucht wurde, ob Cannabis-Konsum bei chronischen Schlafstörungen helfen kann. Dafür haben 24 Studienteilnehmer:innen zwei Wochen lang eine Cannabinoid-Mischung genommen, die aus THC, CBD und CBN (Cannabinol) bestand. Ab und zu wurden Placebo-Tabletten untergemischt. Wann die Teilnehmer:innen die Medizin nahmen und wann das Placebo, wussten nicht mal die Forschenden.

Eine halbe Stunde länger geschlafen, 10 Minuten weniger wach gelegen

Über die zwei Wochen hinweg haben die Wissenschaftler:innen den Schlaf der Teilnehmenden gemessen, mit einer Art wissenschaftlicher Smartwatch. Eine Nacht während dieser zwei Wochen verbrachten sie im Schlaflabor, damit ihr Schlaf noch etwas genauer untersucht werden konnte. Die Wissenschaftler:innen wollten wissen: Schlafen die Teilnehmenden besser, wenn sie Cannabis konsumiert haben?

Das erste Ergebnis war wenig überraschend: Wenn die Teilnehmer:innen im Labor schliefen, schliefen sie schlechter. Wenig überraschend deshalb, weil das Set-up ungefähr so aussah:

Da würde ich auch nicht gut schlafen. Das viel wichtigere Ergebnis aber war, dass die Patient:innen zu Hause, mit ihrer coolen Smartwatch, nach dem Konsum von Cannabis pro Nacht durchschnittlich 33 Minuten länger schliefen. Außerdem lagen sie pro Nacht 10 Minuten weniger wach. Sie haben berichtet, dass es sich so angefühlt hat, als hätten sie besser geschlafen und auch, dass sie sich erholter fühlten am nächsten Tag. Zur Erinnerung: Sie wussten nie, ob sie am Abend zuvor Cannabis bekommen haben oder ein Placebo.

Vor dem Schlafengehen also einfach mal kiffen?

Heißt das jetzt, dass du – falls du Schlafprobleme hast – dich abends mit einem Joint aufs Sofa setzten solltest? Nicht wirklich, hier wird es etwas komplizierter. Das hat vier Gründe:

  1. Wenn du Cannabis über einen Joint konsumierst, rauchst du auch den Tabak. Wie schlecht der sich auf deine Gesundheit auswirkt, muss ich dir wahrscheinlich nicht mehr erklären.

  2. Wenn du Cannabis konsumierst, das nicht (wie bei der Studie) von Schlafmediziner:innen zusammengestellt wurde, weißt du nicht genau, was darin ist. Sprich: Wie das Verhältnis von THC zu CBD zu CBN ist.

  3. Selbst, wenn man die Zusammensetzung wüsste oder genau bestimmen kann, kommt es nicht nur darauf an, sondern auch auf dich. Wie ich in der ersten Folge zu Cannabis (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) erklärt habe, sind die Rezeptoren des Cannabinoid-Systems über das gesamte Gehirn verteilt. Weil aber alles, was du machst, dein Gehirn verändert, wirkt sich auch die gleiche Zusammensetzung von Cannabinoiden auf jeden Menschen unterschiedlich aus. Vielleicht hast du in manchen Hirnregionen mehr Cannabinoid-Rezeptoren als ich?

  4. Zuletzt ist die Datenlage noch viel zu schlecht. Die Studie oben ist eine Studie mit 24 Teilnehmer:innen mit einer Zusammensetzung von Cannabinoiden. Daraus Rückschlüsse auf die Allgemeinheit zu ziehen, ist ziemlich wild.

Statistisch gesehen hast du wahrscheinlich sowieso nicht so gravierende Schlafprobleme, dass du eine medizinische Behandlung brauchst. Und die Gründe oben sind eher pragmatisch. Es gibt aber noch ganz andere Gründe, warum Kiffen vor dem Schlafen keine gute Idee ist. Schauen wir deshalb noch darauf, wie sich Cannabis-Konsum auf Gehirne auswirkt, die keine chronische Schlafstörung haben. Ich teile das mal auf: in die guten Nachrichten und die schlechten Nachrichten.

Die guten Nachrichten

Zunächst zeigen Studien, dass der einmalige Konsum von Cannabis dazu führen kann, dass du schneller einschläfst, länger schläfst und dein Schlaf seltener unterbrochen wird. Problematisch wird es, wenn du Cannabis über einen längeren Zeitraum zu dir nimmst (dazu gleich mehr).

Studien legen außerdem nahe, dass der Konsum von CBD (also dem nicht-psychoaktiven Teil von Cannabis) deine Körpertemperatur senken könnte. Das ist deshalb gut, weil dein Körper um ungefähr 1,5 Grad abkühlen sollte beim Einschlafen. Du schläfst also schneller ein. Zusätzlich scheint CBD sich darauf auszuwirken, wie sensitiv dein Gehirn auf Adenosin reagiert. Das ist ein Nukleosid, der sich tagsüber in deinem Gehirn bildet und dich müde macht.

Koffein zum Beispiel bindet an Adenosin und sorgt unter anderem so dafür, dass du nicht so müde bist. CBD scheint das Gegenteil zu bewirken. Zuletzt scheint CBD die Aktivität in der Amygdala zu reduzieren. Ihr wisst ja: Das ist die Region, die bei Emotionen und Angst (neben anderen Regionen) eine große Rolle spielt. Wenn die weniger aktiv ist, sind wir entspannter.

Das Problem: Bisher weiß man nicht, wie hoch die Dosis von CBD sein muss, damit es diese Effekte überhaupt haben kann. Wenn die Dosis zu gering ist, scheint CBD uns sogar wach zu machen. Das allerdings ist noch die harmloseste der schlechten Nachrichten.

Die schlechten Nachrichten

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