#007 High-Speed Salamiwürstchen
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In der Unterstützer:innen-🎧-Version diskutiert heute Chris mit Holger Klein (WRINT (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) & Thomas Brandt (Chaos-Media (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) über die Artikel.
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Puh.
Es ist Ende Februar 2022, die Russische Invasion in die Ukraine läuft seit ein paar Tagen und hier jetzt locker-flockig zu schreiben, fällt mir etwas schwer. Der schriftliche Teil und die Aufnahmen für das CM MAGAZIN sind immer ein laufender Prozess. Die meisten Beiträge dieser Ausgabe wurden deshalb noch vor der russischen Invasion aufgenommen und geschrieben. Auch wenn mir jetzt akut nichts in Erinnerung ist, was in den Aufnahmen vielleicht aktuell unpassend wäre, möchte ich trodzem um Verständnis bitten, falls Teile nicht den angemessenen Ton finden sollten. Das letzte Thema (das über den russischen Fotografen, siehe unten) habe ich nach anfänglichem Zögern letztedlich dann doch ganz bewusst in diese Ausgabe mit rein genommen. Die Menschen in Russland und das Regime in Russland sind zwei Paar Schuhe und möchte ich die alleine schon aus meiner eigenen Erfahrung nicht gleichsetzen. Mehr dazu im Artikel unten.
Na dann...
Die Themen heute:
High-speed Salamiwürstchen #tech #fotografie
Masten und Raketenlöcher #space
Tschüs Klappspiegel #news #fotografie [Heute das Gratis-🎧-Sample]
Vorstellung: Alexander Petrosyan #fotografie
## High-Speed Salamiwürstchen
"1960s Auto Worker Hated His Job & Felt Like A Robot. Doesn't See Automation Coming"
(Quelle: https://youtube.com/watch?v=Y1J3O-iaDiI (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))
[In der Unterstützer:innen-🎧-Podcast-Ausgabe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) diskutieren diesen Artikel Holgi und Chris]
Kommentar:
Okay, bleibt mal bei mir. Das hier wird gegen Ende noch echt spannend. Ich bin hier über einen alten Film (in Schwarzweiß) vom Auto zu Polaroid bis hin zur Würstchenproduktion geschliddert.
Es fing an mit einer unerwarteten Zeitreise und plötzlich war da ein Fotothema, wo ich überhaupt keines erwartet hatte. Eigentlich hatte ich mir das angesehen, weil mich das Titelthema interessierte. Autoproduktion und der Wandel der Arbeitsbedingungen durch Automatisierung.
Mitten im Video kommen dann plötzlich Bilder aus der Sofortbildproduktion und von Polaroid-Chef Edwin Land. Da gingen bei mir sofort die Nerd-Antennen hoch.
Vom Thema mal ganz abgesehen, fand ich es höchst interessant, wie viel Handarbeit damals noch in der Produktion steckte. Man sieht das gut am Beispiel des (ursprünglichen) Rollfilms, der Stück für Stück von Hand von der Maschine in eine Box geschichtet wird. Das hätte man damals sicher auch irgendwie mit einer single-Task-Maschine automatisieren können, es hätte sich aber halt aufgrund der geringeren Kosten für Handarbeit nicht gelohnt.
Aber da sind wir heute so viel weiter. Hier ein verdammt gutes Beispiel aus der Würstchenproduktion, wie das aussehen kann. Dank massiver Fortschritte in KI (Lageerkennung der Würstchen auf dem Förderband) und Aktuatoren (Roboter mit schnellen und kräftigen Schrittmotoren in Delta-Konfiguration) werden heute Seelentötende pick-and-place-Operationen fast nur noch von Robotern erledigt. Die amortisieren sich gerne mal innerhalb von Monaten.
Und am Ende schließt sich der Kreis spätestens dann, wenn fotografische Traditionsfirmen wie Nikon ankündigen, den Robotik-Bereich mit schnellen AI-gestützten Kameras zu bedienen.
## Masten und Raketenlöcher
(Quelle: https://youtu.be/3ZqaXNvtx_s (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))
[In der Unterstützer:innen-🎧-Podcast-Ausgabe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) diskutieren diesen Artikel Holgi und Chris]
Kommentar:
Zwei kreative Problemlösungen aus der Raumfahrt. Lange Zeit waren Raketen Einwegfahrzeuge. Dass sie aufrecht landen und wiederverwendet werden können, hat SpaceX gezeigt. Dabei landen die Raketen entweder auf betonierten Landepads oder auf großen stählernen Kähnen auf dem Meer.
Auf anderen Himmelskörpern würde das ohne Beton und Schiffe etwas anders aussehen. Wenn Raketen mit ihren Triebwerken voraus z.B. auf dem Mond (oder Mars) landen sollen, dann wirbeln sie dabei mächtig Staub und Steine auf und machen Krater. Außerdem wird alles in der Umgebung (und auch die Rakete selbst) sandgestrahlt. Durch den entstandenen Krater könnten die Raketen beim Aufsetzen sogar umkippen.
Das Aufwirbelproblem wurde vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) für die Marsrover mit dem Sky Crane gelöst, indem die Triebwerke hoch über dem Boden bleiben und die Traglast abseilen.
Bei 150 Tonnen Nutzlast (SpaceX Starship soll mal soviel transportieren können) ist ein Sky Crane aber nicht mehr wirklich praktikabel. An der Stelle kommt die Firma Masten Space Systems ins Spiel. Deren Entwiclungschef Matthew Kuhns erzählt im verlinkten Video über einen interessanten Lösungsvorschlag. Seine Methode, das Landekrater-Sandstrahl-Problem zu lösen ist angelehnt ans thermische Metallspritzen. Das ist eine Technik aus dem Maschinenbau, wo feinste Metallpartikel unter großer Hitze und mit hoher Geschwindigkeit auf ein Werkstück aufgetragen werden. Und Rakentriebwerke bieten genau das. Sie erzeugen hohe Hitze und schnelle Geschwindigkeit. Damit könnte die Landezone quasi während der Landung einen Metallüberzug erhalten, der nicht nur den Staub bindet, sondern auch auch die Kraterbildung verhindert. Instant Landing Pad.
Der zweite Vorschlag klingt fast noch wilder, ist aber tatsächlich schon in der Erprobung. Es geht um den Rohstoffabbau auf anderen Himmelskörpern. Besonders wichtig ist hier die Wassergewinnung z.B. aus der Mondoberfläche, denn daraus lässt sich wieder Treibstoff erzeugen. Traditionell würde für so etwas gebohrt, gesprengt, gefördert, getrennt und entsorgt. Masten Space Systems legt hier einen ganz anderen Vorschlag vor.
Ein Rover wird innen mit einer nach unten offenen käseglockenförmigen Ausbuchtung versehen. Eine bis auf den Boden absenkbare Schürze bildet dann eine geschlossene Kammer. In dieser Kammer ist oben ein Raketentriebwerk befestigt, das senkrecht nach unten zeigt. Wenn das jetzt gezündet wird, macht das einen Krater. Was beim Landen stört, ist hier erwünscht. Das aufgewirbelte Material kommt durch den Druck des Triebwerks wieder nach oben und wird durch Zyklon-Filter unterschiedlicher Stärke geleitet, die alleine durch den Druck des Triebwerks die verschiedenen Rohstoffe ausfiltern.
Statt Zentimetern pro Minute, wie in normalen Minen, werden hier Meter pro Sekunde an Material abgetragen. Der Rover würde dann einfach immer ein Stück weiter fahren, jeweils ein Loch machen und Rohstoffe sammeln und zwischendurch immer wieder wie ein Roomba das gesammelte Material zur Sammelstelle bringen. Im Idealfall alles autonom.
Das verlinkte Video ist länglich, ich fand es aber sehr sehenswert. Und selbstverständlich kann der Entwicklungschef von Masten das alles noch viel besser erklären, als ich das jemals schaffe.
## Tschüs Klappspiegel
"While some publications such as Y.M.Cinema and Photo Rumors have interpreted Mitarai’s words to mean Canon has officially revealed the end of all of its DSLR lines, Canon has confirmed that the scope of Mitarai’s statement only extends to its flagship DSLR."
[Gratis 🎧-Teaser: Thomas und Chris]
Kommentar:
Es gibt noch Kameras mit Spiegeln im Handel. Die Produktionsprozesse sind besonders für die vergleichsweise günstigen Einsteigermodelle optimiert. So lange für die Kundinnen und Kunden kein adäquater spiegelloser Ersatz mit einem klaren Migrationspfad bereit steht, wäre es also wirtschaftlich unklug, gleich die gesamte DSLR-Produktion für beendet zu erklären. Die Sache bewegt sich aber sehr schnell.
An allen Ecken und Enden am Stuhl der DSLR gesägt. Canon und Sony haben kürzlich "alte" Objektive vom Markt genommen oder zumindest abgekündigt. Die Entwicklungskapazitäten werden von den alten Bajonetten (EF-Mount, A-Mount) hin zu neueren Entwicklungen (R-Mount, E-Mount) verschoben. Zum einen verständlich, dass hier Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden sollen. Aber halt auch traurig, weil damit eine lange Ära langsam zum Ende kommt.
Dabei geht die Idee des Klappspiegels wirklich lange zurück. Die Fotografie selbst begann um rund 1850, und bereits 1861 wurde das erste Patent für die Umlenkung des Lichtpfads erteilt.
Es ist unbestritten, dass digitale Sucher viele Vorteile haben. Trotzdem. Auf die Gefahr hin, wie jemand zu klingen, der der Vinyl-Schallplatte hinterher weint: Der unmittelbare, analoge, verzögerungsfreie Lichtpfad direkt vom Motiv zum Auge hat eine Wucht und Ehrlichkeit und Direktheit, die sich – zumindest meiner Meinung nach – auch im Gefühl ausdrückt, dass der Prozess der Fotografie bei mir auslöst. Und das (nochmal meine Meinung) macht sich letztendlich auch in der Fotografie selbst bemerkbar.
## Vorstellung: Fotograf Alexander Petrosyan
"Winston Churchill once said that 'Russia is a riddle wrapped in a mystery inside an enigma.' Experiencing Russia is like experiencing magical realism—to the observer, everything seems as real as real can be, and at the same time, something’s a bit odd, out of place, or straight up bizarre."
[In der Unterstützer:innen-🎧-Podcast-Ausgabe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) diskutieren diesen Artikel Thomas und Chris]
Kurzes Vorwort aus gegebenem Anlass: Diesen Artikel habe ich seit Wochen in der Planung. Die Zeitgleichheit mit aktuellen Ereignissen der politischen Weltgeschichte ist rein zufällig, ich lasse ihn jetzt aber ganz bewusst in dieser Ausgabe. Alleine schon, weil ich die Menschen in Russland mehrfach persönlich erlebt habe, sowohl in Moskau als auch im tiefen Sibirien. Speziell in Sibirien, das viele Flugstunden entfernt von Moskau liegt, habe ich von vielen Seiten extreme Skepsis gegenüber der eigenen Regierung erlebt. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine auch nur im Ansatz den Rückhalt der Bevölkerung hat.
Zum Kommentar:
Das Genre der Street Photography ist eigentlich klassisch geprägt, zum Beispiel durch die Fotos von Henri Cartier-Bresson. Da wird auch heute noch viel schwarzweiß fotografiert und es geht dabei meist darum, Menschen abzulichten. Die bemerken das mal mehr, mal weniger. Und ab und zu geht es im Bild auch gar nicht um das Vordergründige, sondern um die Beziehung zwischen völlig gegensätzlichen Dingen, die sich fast versehentlich vor dem Objektiv begegnen.
Der Fotograf Alexander Petrosyan fotografiert in Farbe und scheint mit Leichtigkeit die kleinen Momente des russischen Lebens einzufangen. Dass dahinter viel Mühe und Zeit steckt und eine immerwährende Bereitschaft, innerhalb von Sekunden die Situation nicht nur einzuschätzen, sondern sie auch im Sucher einzurahmen, mögen die unter uns verstehen und schätzen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Für alle anderen sind es einfach in Bilder gegossene faszinierende Augenblicke einer anderen Kultur.
Danke an Jeremiah Chechik. Er ist mein co-host bei The Future of Photography und hat mich kürzlich auf die Bilder von Alexander Petrosyan aufmerksam gemacht.
Mich würde interessieren, wie Petrosyan die aktuellen Themen fotografisch verarbeitet.
Das war's für heute. Danke nochmal Holgi und Thomas für die guten Gespräche und natürlich besonders euch für eure Unterstützung. Das tut echt gut. Die locker-flockig gesprochene Outro spare ich mir heute mal, ich hoffe, ihr versteht das.
Nochmal zur Erinnerung: ein kleiner Tweet wirkt Wunder und hilft, dass das CM MAGAZIN noch ein paar mehr Leute erreicht. Dieser Button öffnet einen Link zu einem vorbereiteten Tweet im Web-Browser (wer das lieber von Hand machen möchte, die Adresse ist https://tfttf.com/999). Den Tweet könnt ihr vor dem Abschicken natürlich noch ändern. Herzlichen Dank!
Habt alle eine gute Woche.
Chris
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