Von Bluesky bis zur US-Wahl: Mut in düsteren Zeiten
Interessante Überlegungen, was die Zivilgesellschaft aktuell tun kann, plus technisch ein Blick auf Bluesky, was diese Plattform besonders macht
Was tun nach der US-Wahl? Ein paar Tipps für die US-Zivilgesellschaft (und eigentlich auch uns alle)
Viele Texte beschäftigen sich aktuell mit der Frage, wie sollen Bürger:innen in den USA, die Trump kritisch sehen, in der kommenden Amtszeit reagieren. Daniel Hunter hat Tipps namens „10 ways to be prepared and grounded now that Trump has won“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Er liefert viele Überlegungen, die auch für andere Länder relevant sein können, in denen zB rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien Wahlerfolge feiern. Ein Tipp ist: „Leiste nicht vorauseilenden Gehorsam, zensiere dich nicht selbst.“ Und dazu zitiert er den Historiker Timothy Snider, der sagt: „Der größte Teil der Macht des Autoritarismus wird freiwillig hergegeben. In Zeiten wie diesen überlegt der oder die einzelne, was eine repressivere Regierung in Zukunft wollen könnte, und bietet sich dafür dann an, ohne dazu aufgefordert geworden zu sein. Ein Bürger oder eine Bürgerin, die sich auf diese Weise anpasst, lehrt der Macht, was diese tun kann.“ Für mich selbst bedeutet dieses Zitat auch: Man kann sich auch zu sehr vor einem Erstarken von Rechtsextremismus oder Rechtspopulismus fürchten – und damit frühzeitig Zugeständnisse machen oder Dinge nicht mehr kritisieren, obwohl diese kritikwürdig sind. Ich empfehle also diesen ausführlichen Text zur Frage, was die US-Zivilgesellschaft tun kann. Er liefert auch diese vier Taktiken, die man als einzelne:r im aktuellen Fall tun kann: 1.) Gefährdete Gruppen/Menschen beschützen, 2.) demokratische und zivilgesellschaftliche Einrichtungen verteidigen 3.) stören und nicht gehorchen (z.B. um Gesetzesvorhaben zu verhindern ) 4.) Alternativen aufbauen. Siehe:
Eine Gefahr ist auch (bis hin zum deutschsprachigen Raum), dass Wahlergebnisse wie jenes in den USA Menschen sehr ernüchtert, zum Rückzug bewegt. Aber gerade ein Präsident Donald Trump braucht umso mehr kritische Medien und eine wachsame Zivilgesellschaft. Dazu habe ich auch meine aktuelle Kolumne im Standard geschrieben – gerade jetzt braucht es Mut (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
“Alternativen aufbauen” führt mich zum zweiten Punkt:
Warum Bluesky derzeit besonders interessant ist – auch technisch
Die US-Wahl hat gezeigt, wie sehr Elon Musk ins Lager der Trumpisten abgedriftet ist – und wie sehr er seine Plattform auch als Desinformations-Sprachrohr missbraucht. Ich habe hier einen Text zur Veränderung von Twitter verfasst mit Beispielen und Daten-Auswertungen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der erklärt, wieso ich selbst X nun den Rücken kehre. Etliche Journalist:innen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) in Österreich haben am Sonntag entschlossen, sie legen ihr X-Profil still und wollen nun auf Bluesky aktiv sein, hier kann man Armin Wolf und anderen davon folgen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Ich will an dieser Stelle aber vor allem auf die Technik der Plattform Bluesky eingehen, die ich recht spannend finde: Auf den ersten Blick ist Bluesky leicht zu nutzen, speziell, wenn man Twitter gewohnt ist. Es gibt aber ein paar zusätzliche technische und inhaltliche Details, die Bluesky (auch im Vergleich zu X) besonders spannend machen. So schreibt Brian Merchant in seinem Newsletter (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): „Es gibt das Versprechen, dass Bluesky Links (in ihrer Reichweite, Ergänzung I.B.) nicht drosselt, so wie es X tut, also können Kreative und Autor:innen ihre Arbeit teilen, ohne befürchten zu müssen, dass ein Algorithmus sie hierfür bestraft. Dass dies drei Jahrzehnte nach Beginn des kommerziellen Internets ein Verkaufsargument ist – „Wir bestrafen euch nicht für das Teilen von Hyperlinks“ – ist an sich schon bedrückend, aber genau da stehen wir heute. Bluesky vertritt außerdem eine lobenswerte Haltung gegenüber KI und erklärt, dass es keine Beiträge zum Trainieren von KI-Modellen verwendet und dies auch nicht beabsichtigt.“
Wer noch mehr über die technischen Finessen von Bluesky wissen will, dem oder der empfehle ich diesen lesenswerten Text von The Verge: „Here’s some cool stuff you can do with Bluesky“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Ein Beispiel: Man kann auf Bluesky auch neue algorithmische Feeds abonnieren oder entwerfen: Das heißt, man kriegt mehr Möglichkeiten, zu personalisieren, welche Inhalte man als Feed sieht. Zum Beispiel kann man einen Feed abonnieren, in dem man nur Posts von "Mutuals" sieht, also Leuten, denen man folgt und die einem zurückfolgen. Oder man kann Feeds abonnieren, die hauptsächlich die Posts von Fachleuten aus einem Spezialgebiet anzeigen.
Ich persönlich mag dieses Detail an Bluesky: Es gibt dort einige technische Spielereien oder Versuche, neue Ansätze für Social Media auszuprobieren. Ob Bluesky auf lange Sicht reüssieren wird, ob es auch langfristig schafft, ein Ort für konstruktive Debatten zu bleiben, das ist meines Erachtens noch unklar: Mir gefällt aber, dass derzeit hier etwas Neues am Feld der Social-Media-Dienste ausprobiert wird. Das Ganze passt auch zum vorherigen Punkt und den Empfehlungen für die Zivilgesellschaft, eine davon lautet ja: "Alternativen aufbauen". Viele Menschen probieren derzeit aus, ob Bluesky eine Alternative für konstruktive Diskussionen zu politischen und medialen Themen sein kann. Wir werden sehen, ob das klappt. Aber es tut sich zumindest gerade etwas!
Gemeinsamer Austausch - drei aktuelle Termine
Wer über solche Themen mit mir diskutieren will oder wer mehr über Tricks und Mechanismen erfahren will, die die Verrohung von Diskussionen (im Internet und offline) begünstigen, kann in den nächsten Tagen bei drei Events (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)dabei sein: Am 21.11. spreche ich beim Digitalkongress online, da ist also egal, wo man sich selbst befindet. Am 22.11. bin ich bei drei Veranstaltungen der Buch Wien. Und am 28.11. spreche ich in der Stadtbibliothek Innsbruck. Ich freue mich, wenn wir uns bei einem dieser Events (offline oder online) sehen!
Danke für alle, die den Newsletter lesen! Bis in zwei Wochen 🙌
Ingrid Brodnig
Das Header-Bild stammt von DALL:E