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05.07.2019, 07:12

mein geliebtes kind. bis in den gestrigen nachmittag hinein ist unsere welt stehen geblieben und dann warst du zurück. du hast alles überstanden und atmest selbstständig. die nacht über waren wir im wechsel bei dir. du hast so viel geweint und kaum geschlafen. wir ebenfalls. nur geweint haben wir nicht mehr. weil du dich entschieden hast, bei uns zu bleiben. und ich glaube daran, dass du uns zutraust, dass wir das gemeinsam schaffen. heute hast du wieder eine gesunde farbe. du hast ein bisschen muttermilch von mir getrunken und zum ersten mal in deinem leben nicht erbrochen. deine schmerzen sind weniger; du hast eine infektion, die aktuell gut in den griff zu bekommen ist und du schläfst seit heute morgen wie ein stein. vor erleichterung mag ich aber dennoch nicht weinen. ich traue dem frieden noch nicht und bin sicher, du verstehst das. schlaf selig, deine mama.

Damals konnte ich trotz Erleichterung nicht weinen.
Heute Nachmittag liege ich krank im Bett und Mascha kommt zu mir.
"Ich vermisse Fritzi so doll, aber ich kann es nicht rauslassen!"

Ein wenig traurige Musik und wir weinen beide.

"Ich habe die ganze Zeit in der Schule nicht mehr gewusst, wie Fritzi aussieht. Ich habe so Angst, dass ich sie vergesse."

Wir gucken Fotos und weinen noch mehr.

Das zweite Jahr wird heftiger - das habe ich so oft von Menschen gehört, die ihre Kinder ebenfalls verloren haben. Lange vor uns.
Noch kann ich nicht beurteilen, ob das auch für uns so gilt; was ich bei Mascha sehe ist, dass sich das Trauererleben verändert.
Mascha ist ein Jahr älter als im letzten Herbst. Im ersten Jahr nach Fritzis Tod hatte sie vor allem Bauchweh - ein sehr körperlich ausgeprägtes Gefühl von Vermissen und Traurigkeit. Mal wie ein Loch, mal wie Übelkeit. Mal wie ein dauerhaftes Drücken, mal wie ein stechender Schmerz. Der Körper weiß, dass etwas fehlt. Immer, in jeder Sekunde. Selbst, wenn wir schlafen. Mascha hat im letzten Jahr selten durchgeschlafen. Aufgewacht mit Unwohlsein, aus Albträumen, unter Tränen.

Und jetzt findet sie dafür Worte.

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Sujet Briefe an Fritzi

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