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#sichtbarkeitschallenge - Aufgabe 1

Erster Trost

Was hinterlasse ich meinen Liebsten, wenn ich morgen nicht mehr da sein sollte?

Colors of Death (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) geben eine Woche lang Impulse für eine kreative Auseinandersetzung mit dem Lebensende und sammeln dafür Beiträge auf instagram. Natürlich spricht mich das an.

Trauern ist etwas, das ich seit vier Jahren intensiv lebe und immer wieder übe. Mein Kind ist schwer krank zur Welt gekommen. Allein in den ersten Monaten im Krankenhaus hatte ich so viel mehr zu betrauern als diese Tatsache. Mein Trauerprozess hat nicht viel später auch Türen geöffnet zu ganz anderen Verlusten, die ich schon weit vor meiner Mutterschaft erlitten hatte. Elternfiguren, meine eigene psychische Gesundheit, eine Ehe und ein Pferd. Mein Vertrauen in ein sicheres Leben als Frau, die eigene Stimme - einen mir nahen Menschen an Suizid.

Ich habe viel über das Trauern gelernt. Und noch viel mehr über Trost. Einer meiner Instagramposts über Trost hat damals viele Menschen erreicht und wurde von großen Profilen geteilt - nicht zuletzt deshalb ist mein Profil sehr gewachsen und meine Worte durften noch viel mehr Menschen erreichen.

03.09.2021

Ich habe schon darüber geschrieben, dass ich nicht weiß, was mich trösten kann. Ich habe viel darüber gesprochen, dass ich nicht getröstet werden will - dass ich traurig sein dürfen will. Und ich habe noch mehr darüber nachgedacht, was tröstende Worte von anderen Menschen mit mir machen.

Und das ist der Punkt: Es macht etwas mit mir. Aber trösten kann es mich nicht.

Wenn ich höre, dass ich nur an ein Wunder glauben soll. Wenn jemand sagt, die Natur habe sich schon etwas dabei gedacht. Wenn es heißt, dass da ein höherer Sinn in allem liegen wird; dass ich mich nur mehr um mich selbst kümmern soll. Wenn ich lese, dass da bessere Tage kommen werden; dass ich froh sein soll, dass mein Kind lebt. Dass es andere viel schlechter getroffen haben. Dass am Ende alles gut ist; dass ich mich nicht so anstellen soll. Und auch dann, wenn andere meinen, sie könnten das nicht jeden Tag; was ich leiste, sei bewundernswert und mein Kind hätte sich mich genau deshalb ausgesucht.

Dann. Dann fühle ich vieles. Aber nichts davon ist ein tröstliches Gefühl. Ich bin wütend, ich werde traurig. Ich bin irritiert, ich schäme mich. Ich fühle mich verletzt, im besten Fall geehrt. Im schlimmsten fühle ich mich gezwungen, mein Gegenüber selbst zu trösten oder mich dafür zu rechtfertigen, wie es mir geht.

Ich glaube, Trost ist nicht für die Menschen da, die ihn geschenkt bekommen. Trost dient den Menschen, die ihn geben. Wenn tröstende Sätze mit "aber..." beginnen und mit "du musst nur..." aufhören, dann trennen sie die Verbindung zwischen mir und der Person, die diese Sätze spricht. Dann macht Trost, dass meine und ihre Welt nicht überein kommen. Trost löst das Problem, er macht es kleiner und weniger schwer. Er verwässert die Wirklichkeit und macht es aushaltbar. Für alle die, die ihn spenden. Nicht für mich.

Ich brauche keinen Trost. Ich bin untröstlich.
Ich brauche Beistand.
Beistand ist still. Er ist einfach da und er braucht keine Worte. Er hat keine Erwartungen und erzeugt keinen Druck.

Vielleicht fragt er manchmal und ganz leise: "Was brauchst du noch?".

Darüber nachzudenken, was ich meiner Familie als ersten Trost hinterlassen will, schnürt mir im ersten Moment die Kehle zu. Wir sind gut im Trauern, aber wir sind nie wieder gut mit Verlust. Retraumatisierung. Ich habe das Gefühl, dass es möglich ist, dass ich sterben könnte bei der Vorstellung, meine Kinder müssten ab morgen für immer ohne mich leben. Gleichzeitig weiß ich, dass eben genau das passieren wird, wenn wir in unserem gemeinsamen Leben in einer natürlichen Reihenfolge diese Welt verlassen.

Wenn ich also gehe, dann weiß ich, was ich ihnen hinterlassen will.

Es ist der Beistand.
Es ist der stille Beistand, der keine Erwartung hat und keinen Druck erzeugt.
Es ist der Beistand, der sie in den Arm nimmt und nickt: Du bist untröstlich.
Es ist der Beistand, der fragt: Was brauchst du jetzt?
Und es ist meine leise Stimme, die ihnen zuflüstert:

Erinnere dich. Du weißt es schon!

Sujet Das Leben schreiben

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