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Wie denn jetzt, Frau Salomon?

Dieser Beitrag kann Spuren von Zynismus enthalten!

Martina Salomon, hochkompetente Herausgeberin des Kurier (bis März 2024 Chefredakteurin), bemüht sich seit vielen Jahren, das Bild über die österreichische Gesellschaft zurechtzurücken. Allen voran jenes über eine besonders faule Gruppe an vermeintlichen Sozialschmarotzern - Armutsbetroffene.

Bereits 2016 hat sie eindringlich darauf hingewiesen, dass wir doch bitte aufhören sollen, das Land arm zu rechnen, hat auf die Unart der freiwilligen Teilzeitarbeit, die Erfolge durch eigene Leistung trotz hoher Steuern hingewiesen und uns ermahnt, nicht so neidisch zu sein (Lasst uns das Land nicht arm reden (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)). Unermüdlich weist Frau Salomon auf die fehlgeleitete linke Propaganda der Arbeitsfaulen hin. Dabei fleht sie regelrecht darum, dass das Land endlich die perfekt ausgeführte Umverteilung von oben nach unten erkennt und akzeptiert, dass Armut (falls tatsächlich vorhanden) sicher nicht steigt und falls doch, dann liegt es wohl an der enormen Armutszuwanderung (Genug gejammert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) und NATÜRLICH an der allumfassenden Faulheit der Betroffenen. In der sozialen Hängematte lebt es sich nun mal einfach. Besonders in einem Land wie Österreich - ein Paradies für bildungsferne und faule Menschen - das gerne als ärmer dargestellt wird, als es ist (So arm sind wir nicht (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)). Wir sind Frau Salomon für ihren Mut und ihr Engagement so dankbar. Wenn man wankt, dann kann man sich darauf verlassen, dass Frau Salomon zur Stelle ist und die Fakten ins rechte Licht rückt. So auch jetzt wieder - kurz nach Veröffentlichung des Sozialberichts (Armuts-/Sozialbericht 2024 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) schreibt sie leidenschaftlich über Möglichkeiten der Vorsorge gegen Armut. 

Da wir selbst aber leider auch zu einer dieser bildungsfernen und arbeitsscheuen Bevölkerungsschichten zählen, hat uns der Sozialbericht gefolgt von Frau Salomons letztem Leitartikel (Vorsorge gegen Armut (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) sehr verwirrt. Wir hoffen, sie kann uns ein paar (zugegeben wahrscheinlich sehr dumme) Fragen beantworten:

Ist Armut eine Frage der Definition?

Entgegen der bisherigen Leitartikel steigt Armut also doch, jedoch hängt das von der Definition von Armut ab? Heißt das, dass die seit Jahren EU-weit gültige Definition von Armut willkürlich und fernab der Fakten ist? Dass die Regierungen der Europäischen Union ein falsches Konzept der Berechnung von Armut verfolgen? Das wäre ja sogar korrekt. Sagen doch auch die Expert:innen im Sozialbericht, dass für die Berechnung von Armut mehr Kriterien, als bisher der Fall war, berücksichtigt werden sollten. Oder meint sie gar eine subjektive Definition von Armut, nach der auch Menschen wie Kurz, Benko und Ho von Armut betroffen wären?

Ist Teilzeitarbeit hauptsächlich freiwillig?

Frau Salomon weist völlig zurecht wieder und wieder auf die bodenlose Frechheit der hohen Teilzeitquote bei Frauen hin. Seit Jahren erzählen uns Politiker:innen, dass die fehlende Kinderbetreuung besonders am Land ein großes Problem ist. Jetzt sagt aber der Sozialbericht, dass die gesamte Care-Arbeit (nicht nur die Betreuung von Kleinkindern) zum Großteil von Frauen gestemmt wird und dadurch eine Vollzeittätigkeit oft nicht möglich ist. Das betrifft auch Frauen, die zwar keine Kinder, aber zu pflegende Angehörige haben. Zusätzlich soll es in manchen Jobs gar keine Möglichkeit der Vollzeitarbeit geben. Heißt das jetzt etwa, dass Frauen sich die Teilzeitarbeit vielleicht doch nicht freiwillig aussuchen?

Können Armutsbetroffene einfach nicht mit Geld umgehen?

Die Armutsgefährdungsschwelle lag im Jahr 2022 bei 1.392€ für einen 1-Personen-Haushalt und 2.227€ für einen Haushalt mit 1 Erwachsenen und 2 Kindern. Die Sozialleistungen in diesem Land liegen unter diesen Grenzen und auch sonstige Einkommen von Armutsbetroffen liegen per Definition darunter. Sie meint also, dass diese Fakten nichts damit zu tun haben, dass Schulden entstehen? Ist es nicht vielleicht doch so, dass gerade Menschen, die mit so wenig Geld auskommen müssen, jeden Cent 3x umdrehen müssen, sehr genau wissen, wie mit Geld umzugehen ist, es aber einfach nie ausreicht? Kann es nicht vielleicht so sein, dass Armut nichts mit dem individuellen Unvermögen einzelner Betroffener zu tun hat, sondern mit einer tatsächlichen finanziellen Situation, die nicht erlaubt, den nötigen Lebensbedarf zu decken?

Sind Armutsbetroffene einfach zu faul und zu blöd zum kochen?

Wir finden es sehr wichtig, dass von Frau Salomon auf das große Problem der einseitigen Ernährung hingewiesen wird. Natürlich sollte es diesen faulen Sozialschmarotzern möglich sein, einmal am Tag Netflix abzudrehen und Kartoffeln oder Nudeln mit Butter zu kochen. Immer nur Fleisch kann ja auch wirklich nicht gesund sein (auch wenn der Bundeskanzler Burger mit Pommes empfiehlt - was weiß der schon!). Allerdings sind wir jetzt etwas verwirrt. Spricht doch der Sozialbericht davon, dass eine ausgewogene Ernährung gerade für Armutsbetroffene nicht leistbar ist. Sind Armutsbetroffene also einfach zu blöd, um von den tollen Angeboten der Supermärkte zu wissen? Und was hat es mit diesem furchtbaren Begriff “Essensarmut” auf sich? Man will uns ja seit längerem schon dieses Unding der Ernährungsarmut (Ernährungsarmut in Österreich (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) einreden. Und jetzt kommt auch noch Essensarmut hinzu? Wo soll das alles noch hinführen mit diesen Kampfbegriffen?

Ist der beste Schutz vor Armut die Erwerbsarbeit?

Ihr jahrelanges Mantra, dass Erwerbsarbeit vor Armut schützt, scheint nicht bis zu den Autor:innen des Sozialberichts durchgedrungen zu sein. Wir lesen da von Kampfbegriffen wie “working poor”, “Altersarmut”, “Gender Pay Gap” und “Qualifikation”. Ganz so, als ob es nicht ausreicht, einfach irgendeinen Job zu haben. Aber kann das denn wirklich sein? Dass Menschen, die arbeiten gehen, sich ihr Leben nicht leisten können? Dass sie ihr Leben lang arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie in der Pension von Armut betroffen sind? Haben sich diese Menschen einfach nicht genug angestrengt? Und warum nehmen diese faulen Sozialschmarotzer nicht einfach einen der vielbeschworenen Fachkräfte-Arbeitsplätze an? Das kann doch alles nicht so schwer sein. Stattdessen muss unsere Regierung nach Fachkräften in Indonesien suchen (Gegen Fachkräftemangel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)). Wir sind wirklich besorgt, dass dadurch erst recht wieder zusätzliche Armut in unser schönes Österreich zuwandert.

“Spaß” beiseite! Wir stimmen Frau Salomon ja insofern zu, dass alle Menschen arbeiten sollten - so sie dies können. Denn Arbeit ermöglicht Teilhabe, gibt den Menschen die Möglichkeit, ihren Beitrag zu leisten. Umso spannender, dass kein Wort darüber verloren wird, wie Projekte für Langzeitarbeitslose abgedreht werden, weil angeblich nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind. Diese zu schaffen und Menschen ein Recht auf Arbeit - und damit Teilhabe - zu garantieren, kommt in ihren Leitartikeln natürlich nicht vor. Ebenso wenig die Tatsache, dass Care-Arbeit nach wie vor nicht als gleichwertige Arbeitsleistung angesehen wird. Eventuell wäre es ja angebracht, nicht nur die Überschriften von Sozialstudien zu lesen und diese dann in das eigene Weltbild zu übersetzen - dafür gibt es ganz eigene mediale Vertreter:innen ;)

Die Entwicklung, die Frau Salomon in den letzten paar Jahren von “Armut gibt es nicht” über “Armut steigt nicht” hin zu “Armut kommt durch Zuwanderung” und “Armut ist individuelles Versagen” gemacht hat, lässt allerdings hoffen. Sieht sie im aktuellen Leitartikel ja doch die solidarische Gesellschaft in der Pflicht. Wenn sie in diesem Tempo weitermacht, ist sie in 30 Jahren beim heutigen Forschungsstand über Armut angekommen. Viel Erfolg!


Da Frau Salomon leider nur einen privilegierten Teil der Gesellschaft an ihren Weisheiten teilhaben lässt, folgen hier die Screenshots der erwähnten Artikel hinter der Paywall, die wir auf Social Media gefunden haben:

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