Das Wort ist so jung, dass viele einschlägige Verzeichnisse es noch gar nicht kennen. Bei Google Ngram steigt die Trefferquote (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) erst nach den Nuller-Jahren steil an, offenbar gab es nach der Schweinegrippe-Saison 2009/10 einen ersten kleinen Impfmüdigkeitspeak mitohne Pieks (sorry).
Heute nun aber widme ich mich den Impfmüden, die gar nichts mit den Nebenwirkungen einer vollzogenen Impfung zu tun haben, sondern ein Phänomen verkörpern, das mit dem ebenfalls seltsamen Wort des Impfmuffels präziser beschrieben wäre. Bei Google gibt es inzwischen Schlagzeilen für jedes Käsenest, wenn es noch über eine eigene Lokalzeitung verfügt, dass die dortigen Eingeborenen erstaunlich wenig oder zu oft impfmüde seien. Wie kommt es zu diesem Wort, das so unpräzise den Sachverhalt benennt, dass es bedrückend viele Menschen gibt, die sich trotz eifrigsten Zuredens nicht impfen lassen wollen? Ist das Starrsinn, Aberglaube, Quernichtdenkerei?
Verdankt es sich der Anregung eines Dornröschen-Kultes? Versinkt das ganze Land in Tiefschlaf, weil es nicht gepiekst werden will? Nun gilt das nicht für die (fast) eine Hälfte, die schon vollständig geimpft ist, sondern für diejenige kleinere Hälfte (nun ja), die sich vor Angeboten kaum retten kann, aber stur und um keinen Preis sich impfen lassen will. Diesen Menschen zugute wollen wir annehmen, dass sie nicht dem Aberglauben anhängen, dass mit dem Impfstoff ihre DNA manipuliert würde (was ja auch heißen könnte, sie im Vergleich zu ihrem vorherigen Zustand zu verbessern) und auch nicht annehmen, dass ihnen mit dem Impfstoff ein Gadget verabreicht wird, das sie künftig an ein Gängeleiband nähme, weil sie nur so zur Vernunft zu bringen seien. So viel Selbsterkenntnis kann auch in Impfmüden (m/w/n) stecken.
Mit Vernunft ist es nicht getan. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung müsste sich wieder darauf besinnen, wie moros die öffentliche Meinung (und das ihr verfügbare Wissen) anfangs der AIDS-Pandemie ausgesehen hat. Eine damals erfolgreiche PR-Agentur hat den Sachverhalt in einem klaren Satz erfasst: "Wissen wird nicht verhaltenswirksam." Mit Infobroschüren und Doktorfilmchen wird es auch dieses Mal nicht klappen. Impfmüde können durch Mitgefühl aus der Abseitsfalle gelockt und endlich aus dem Halbschlaf ihres Unbewussten geholt werden. Als Mitgefühl kann wahlweise ihr Egoismus angesprochen werden oder Sorge um ihre Liebsten. Es ist, wie damals bei AIDS, die Nähe zum Sex, die den Impfmüden in den verstockten Leibern steckt. Wir müssen sie wach kitzeln, damit endlich Impflicht ohne Impfpflicht am Ende des Tunnels winkte.
Viel Erfolg dabei, BZgA!