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Kann man Gründergeist wirklich wecken? Wie wird aus Angestelltenland Gründernation?

#06 Die Verteidigung des unternehmerischen Spirits

Dies ist die sechste Ausgabe von 4. Mio+ , dem wöchentlichen Briefing von Cathi Bruns. Diese Woche:

  • Land der Chancen oder Land der Versicherungen? Was hält Gründungswillige davon ab zu gründen?

  • Ein erfrischendes Gespräch mit Psychologin Franziska Kaschub zu Gründungsmotiven und unternehmerischer Gelassenheit

  • Und ein paar Gedanken zu Misserfolg, Durchmachen und Weitermachen

Hi.

die Schlagzeilen der letzten Tage sind, was die Gründungslust in Deutschland angeht, eigentlich gar nicht schlecht. Gleich zwei neue Studien scheinen zu belegen, dass der Gründergeist in Deutschland lebendig ist. Sowohl die Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitors (GEM (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)), als auch die Resultate einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann Stiftung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), habe ich bereits in der letzten Ausgabe thematisiert. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) 40 Prozent der befragten Jugendlichen können sich laut Bertelsmann Stiftung eine Unternehmensgründung vorstellen und die Gründerquote im GEM, die „werdende Gründende“ in der Planungsphase miteinschließt, erreicht den zweithöchsten Werte seit Beginn der Erhebung im Jahre 1999.

Keine Frage, die Potenziale sind da. Schaut man sich aber die tatsächlichen Gründungszahlen an, so kann man den deutschen Gründungsmut nur zurückhaltend kommentieren. Gründungspläne werden zu häufig verworfen.

Wir müssen uns also fragen, was passiert da auf dem Weg von Vorhaben zur tatsächlichen Umsetzung?

Ein KfW-Research Paper (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) merkt an: „Die Präferenz für eine berufliche Selbstständigkeit hat sich in Deutschland seit dem Jahr 2000 beinahe halbiert.” (Quelle: Dr. Georg Metzger, Fokus Volkswirtschaft, Nr. 449, 26. Januar 2024, KfW Research).

Was ist da los, wenn selbst die, die sich die Selbstständigkeit vorstellen können, doch nicht gründen?

Und welche Bedeutung hat die „unselbstständige Gesellschaft” für eine Volkswirtschaft? Wo wollen wir leben? In einem Land der Chancen, oder in dem Land der Versicherungen?

Ich meine, ohne mehr unternehmerischen Drive sehen wir alt aus in der Welt.

Darum geht es heute: Die Verteidigung des unternehmerischen Spirits.

Warum muss uns das beschäftigen?

Die Bedeutung einer hohen Gründungsdynamik, für eine moderne und freiheitliche Gesellschaft, müsste jedem klar sein. Wenn dauerhaft zu wenig Unternehmen gegründet werden, ist der Wohlstand nicht zu halten. Es fehlen Experten, Handwerker, Innovationen, von Technologie bis hin zu sozialer Innovation. Versorgungsmängel und massive Wettbewerbsnachteile sind die Folge. Das Leben wird also für alle schwieriger.

Ich höre immer: Frau Bruns, es können nicht alle selbstständig sein! Ich kann nicht mehr zählen, wie oft mir dieser Hinweis schon mitgegeben wurde. Er ist an Bräsigkeit nicht zu übertreffen. Und beweist nur, dass sich der Gedanke, Unternehmertum würde vom Himmel fallen und für gute Jobs und tolle Produkte seien immer andere zuständig, bei zu vielen verfestigt hat.

Zu wissen, was dazu gehört selbstständig zu arbeiten, also ohne Chef und Anleitung klar zu kommen, ein Produkt zur Marktreife zu bringen, ein Unternehmen zu gründen, zu führen, weiterzuentwickeln, Verantwortung zu tragen, Märkte zu verstehen und damit das Leben vieler Menschen und die ganze Gesellschaft zu bereichern - das sind Fähigkeiten und eine Verantwortung, die nicht von allen folgenlos durchgereicht werden können.

Wir haben hier nicht das Problem von zu viel Unternehmertum, sondern von viel zu wenig.

Es wird womöglich unterschätzt, dass Deutschland im Wettbewerb steht mit Ländern, in denen die Bevölkerung nicht weniger, sondern mehr Wohlstand will, und in denen dafür in die Hände gespuckt wird, und die auch als Investitionsstandort attraktiver werden. Oder das Länder wie China, den Druck massiv erhöhen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), in Industrien die uns bisher den Wohlstand gesichert haben.

Solange man es sich leisten kann von der zu Substanz leben, mag das noch nicht so auffallen. Da kann man noch endlos über 4-Tage-Woche sinnieren und bei der Arbeit schon mal alle Brückentage durchplanen.

Und wenn man dann noch vergisst, dass die alten Traditionsunternehmen langsam verschwinden und auch nichts Neues aus Deutschland kommt (Gründergeist…?), dann geht das vielleicht nicht für immer gut.

Es wird womöglich ebenso unterschätzt, dass Selbstständigkeit, Unternehmertum und Marktwirtschaft tragende Säulen der Demokratie sind.

Wo eine Gesellschaft keinen Anspruch mehr auf Selbstständigkeit erhebt, haben undemokratische Kräfte es leichter. Wo undemokratische Kräfte sich durchsetzen, da stirbt zuerst die unternehmerische Freiheit. Der Zusammenhang von Demokratie und Unternehmertum sollte jedem klar sein (vgl. hierzu: David B. Audretsch und Petra Moog, Democracy and Entrepreneurship (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), Volume 46, Issue 2). Wir alle wollen beides nicht missen, aber dann muss man es auch beides verteidigen.

Die Demokratie in Deutschland ist stabil, aber wir sehen auch, dass sich mehr wirtschaftsfeindliche Parteien an den Rändern gründen und auch gewählt werden, als Wirtschaftsliberale. Johan Norberg schreibt in seinem Buch „Fortschritt”, „Menschen, die Angst haben suchen nicht nach Chancen, sondern nach Schutz. Sie stimmen nicht für Offenheit und Freiheit, sondern für den starken Mann, der ihnen Sicherheit verspricht und leicht erkennbare Sündenböcke bietet.” (Johan Norberg, Fortschritt, 2020, S.23, FBV, (Original 2016 „Progress”, Oneworld Publications.)

Während Selbstständigkeit von vielen mit mehr Unsicherheit verbunden wird, bedeutet mehr Unternehmertum in einer sozialen Marktwirtschaft aber gesellschaftlich weniger Sorgen haben zu müssen. Steile These? Überhaupt nicht. Denn nur mit wirtschaftlichem Erfolg geht individuelle Freiheit, Fortschritt und Versorgungssicherheit einher. Er ermöglicht eine Vielfalt an Lebensentwürfen, die berufliche Verwirklichung, schafft Bedingungen um eigene Ideen umsetzen zu können, die Chance auf Eigentum und Vermögensbildung. Es gibt keine freie und auch keine moderne Gesellschaft ohne Selbstständigkeit.

(S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Gründergeist braucht, wie das Wort schon sagt, den richtigen Spirit. Man gründet aus einem besonderen Geist heraus und muss „inspiriert” sein. Dazu gehört es angstfrei Chancen entdecken und nutzen zu wollen, um sich mit voller Energie selbst gestellten Aufgaben zu widmen, anstatt aus Vorsicht, Vermeidung und Bequemlichkeit nur zu tun, was andere für einen vorgesehen haben.

Unternehmergeist hat es zum Glück ins Wörterbuch geschafft, aber mir war neu, dass es laut Duden im Deutschen das Wort „Gründergeist” gar nicht gibt. Nach einigen Suchvarianten wurde mir gar „Untertanengeist (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” vorgeschlagen. Ja, den gibt es. (Quelle: Duden.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Wenn uns das nicht beschäftigen muss.

Die Lage

Das Problem in diesem Land ist, dass es eben nicht inspiriert. Es bürokratisiert. Und das hat Auswirkungen darauf, wie Menschen sich verhalten. Wir nehmen hin, dass es für alles erstmal ein paar Formulare gibt.

Erschwerend hinzu kommt: Das Bild von der Selbstständigkeit, die mit Ungewissheiten daher kommt und mit dauerhaft hohen Anforderungen an sich selbst und die eigene Arbeit, ist nicht nur ein Klischee, sondern das ist auch unternehmerische Realität. Die große Chance an seinen Aufgaben zu wachsen, balanciert mit der Eventualität daran zu verzweifeln. Nicht immer ist die Laune gut. Tatsächlich ist sie bei vielen Selbstständigen spätestens seit der Corona-Krise deutlich eingetrübt.

Der Jimdo-ifo-Geschäftsklimaindex für Selbständige (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der die Lage von Solos und Kleinstunternehmen unter 10 Beschäftigten abbilden soll, zeigt im Juni erneut wie schlecht die Stimmung ist. Besonders wenn die Geschäfte nicht laufen, wird Selbstständigkeit zur Bewährungsprobe. Seit der Corona-Krise gab es für Selbstständige keine Erholung. Im Handelsblatt lese ich, „Fast jeder vierte Gastronom überlegt aufzugeben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”. Strukturwandel ist das eine, aber zu wenig Gründungslust wird noch zu einem echten Problem.

Irritierend ist, dass es weder die Politik, noch die Gesellschaft sonderlich zu bewegen scheint. Das Fehlen unternehmerischer Ambition ist eher ein Feature, als ein Bug.

Von Gründungswille zu Gewerbeanmeldung ist es ein weiter Weg. Warum eigentlich?

Äußere Widerstände gibt es genug, aber innere Zweifel und Befürchtungen sind womöglich die eigentlichen Verhinderer. Als Top-Kategorien, die unternehmerischen Pläne killen, lassen sich laut Forschung grob zusammenfassen: Angst vor Risiko, Abstieg, Belastung, Scheitern, Bürokratie und, als einziges Hemmnis, das nicht angstbasiert ist, die Vorteile der Festanstellung (vgl. KfW Research Nr. 449, S. 2 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)).

Und das nicht ganz unbegründet.

Die Abgrenzungsmöglichkeiten von der Arbeit in einer Anstellung stehen in keinem Verhältnis zu der Verantwortung, die man in der Selbstständigkeit trägt. Das weiß man, wenn man gründet. Wenn Angestelltenland in den Urlaub fährt und Brückentage zelebriert, stehen Selbstständige in ihrem Laden und bedienen. Zum Glück, denn sie wollen es so. Engagierte Mitarbeiter zu finden, wird zu zusätzlichen Herausforderung. Und wenn der Staat in der Krise Geld verteilt, sind Selbstständige diejenigen, die es zurückzahlen werden. Weil es ihnen nicht zusteht.

Der Image-Schaden für die Selbstständigkeit, der durch die stümperhafte Ausgestaltung der Corona-Hilfen entstanden ist, ist groß. Das instinktlose Verhalten der Regierung und das ständige Vernachlässigen einer ganzen Gruppe von Erwerbstätigen in der politischen Kommunikation, hilft sicher nicht auf dem Weg zur Gründernation. Wenn Selbstständige in den Medien vorkommen, dann weil sie als Scheinselbstständige verhandelt werden, oder wegen der Corona-Hilfen auffallen. Dieses Framing von Selbstständigen brennt sich tiefer in das gesellschaftliche Bewusstsein, als irgendwelche Gründerhelden-Stories, die in der Bubble hin und her gefeiert werden.

Die Frage, warum so viele Menschen sich hierzulande gegen die Selbstständigkeit entscheiden, ist nicht schwer zu beantworten. Warum sich immer noch einige dafür entscheiden ist, worauf wir uns konzentrieren sollten. Denn dort sprießt das Pflänzchen, das kultiviert werden muss.

Wir brauchen diese Leute, die gründen wollen, aber dürfen sie nicht verheizen. Was macht das mit uns, wenn wir Stress, hohes Pensum, gesellschaftliche Skepsis und schwankende Einkommen kompensieren und auch noch den ganzen Rest des Lebens managen müssen? Und wie schaffen wir es, dabei glücklich zu bleiben, oder sogar glücklicher zu sein, als in jedem anderen Job?


Das Gespräch

Dazu habe ich Franziska Kaschub befragt. Sie ist Psychologin, Systemische Coachin und Beraterin, die dabei hilft, den Berufsweg gesund und erfüllend zu gestalten.

Liebe Franziska Kaschub,

Was macht uns mehr fertig? Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit?

Franziska Kaschub: Das hängt sehr stark von der Persönlichkeit und der individuellen Motivstruktur einer Person ab. Sich für eine Gründung oder Selbstständigkeit zu entscheiden zeigt, dass das individuelle Sicherheitsmotiv unter Umständen geringer ausgeprägt ist - oder die Person bereits sehr gute Strategien und Lösungen gefunden hat, mit Unsicherheit umzugehen. Hier spielen auch ein Macht- und Leistungsmotiv mit rein: Wenn ich sehr leistungsorientiert bin, strebe ich nach guten, marktfähigen Ideen und Innovation mit klarer Vision, die ich entscheidend nach vorne bringe. Der Erfolg hierbei würde mir wieder (wirtschaftliche) Sicherheit geben.

Oft ist dafür das Freiheitsmotiv oder ein Sinnmotiv bei Gründern stärker ausgeprägt. Dementsprechend kommen solche Personen in der Selbstständigkeit eher auf ihre Kosten und können ihren Bedürfnissen entsprechend tätig werden. Unselbstständigkeit im Sinne von fehlender Autonomie, geringen Handlungsspielraum oder Entscheidungsfreiheit hingegen würde solche Personen eher belasten. Sie würden sich eingeschränkt fühlen, sich weniger wirksam erleben und dadurch eine höhere Belastung erfahren. Gleichzeitig können das aber auch Faktoren sein, die ein Gründer oder eine Selbstständige in ihrem Arbeitsmodell erfährt. Beispielsweise, wenn KundInnen diese Freiheiten mit engen Vorgaben einschränken oder andere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Autonomie einschränken.

Doch: Da es sein oder ihr eigens geschaffenes Arbeitsmodell bzw. Business Plan ist, kann der oder die Gründerin dann wiederum auch Einfluss darauf nehmen. Dann kommt es wieder auf persönliche Copingstile und Lösungsstrategien an. Bin ich anpassungsfähig, lösungs- und handlungsorientiert oder versinke ich im Frust und einer Schockstarre? Hier spielt neben persönlichen Kompetenzen auch die Persönlichkeitseigenschaft Neurotizimus eine Rolle: Emotionale Stabilität hilft UnternehmerInnen, in Stress- oder Krisensituationen ruhig zu bleiben und rationale Entscheidungen zu treffen.

Die Forschung zeigt uns, dass viele sich eine Unternehmensgründung vorstellen können, es dann aber nie tun. Neben äußerlichen Faktoren, die davon abhalten, sind auch innere Widerstände eine Hürde, die jeder kennt. Was kann man für sich selbst tun, damit der Gründungsgeist unterwegs nicht schwindet?

Franziska Kaschub: Ja, innere Widerstände, Zweifel oder Unsicherheiten können das Gründen im ersten Schritt bereits behindern oder das Weiterkommen Entwicklungsprozess stark beeinflussen. Teilweise sind das ganz natürliche Blockaden, die über die Zeit hinweg viele GründerInnen mal beschäftigen. Hier ist es wichtig, sich neben wirtschaftlichen Wachstum oder Produktentwicklung auch mit der persönlichen Entwicklung zu befassen. Also das eigene Erleben und Verhalten regelmäßig zu reflektieren.

Es ist ja schon ein erster Schritt zu erkennen, dass irgendetwas blockiert. Dass es vielleicht noch besser laufen könnte oder ich mich weniger gestresst fühlen würde, wenn gewisse Rädchen im System freier drehen würden. Hier unterstützt beispielsweise ein Business Coaching, um eigene Muster zu verstehen, neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Außerdem super wichtig: Ein tragfähiges soziales Netzwerk, mit dem ich offen über Ängste und Sorgen sprechen kann. Kontakte, die in einer ähnlichen beruflichen Situation sind, also andere GründerInnen, da sie die Umstände selbst gut kennen. Gleichzeitig ist es auch wichtig, Personen außerhalb dieser Bubble im Netzwerk zu haben.

Gute Freunde und Familie, die einem Halt und Rückversicherung geben, wenn man an sich zweifelt oder herausfordernde Phasen der Gründung erlebt. Was unterwegs auch hilft: Eine klare Vision zu haben, wo man hin will und warum man das macht. Das auf der Reise zu vergessen, kommt immer mal wieder vor. Die Kunst ist, sich dann wieder daran zu erinnern. Und auch so ehrlich zu sich zu sein, wenn sich Vision und Warum ändern und diese dann anzupassen, damit genau dieser Nordstern über herausfordernde Zeiten hinweg Orientierung und Motivation gibt. Und: Auch die kleinen Erfolge feiern ist super wichtig! Mein praktischer Tipp: Ein Dankbarkeits- und Erfolgstagebuch führen.

Resilienz, also im weitesten Sinne, psychische Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit ist etwas, das in der unternehmerischen Arbeit besonders gefordert ist. Kann jeder Mensch resilienter werden?

Franziska Kaschub: Ja, jeder Mensch kann Fähigkeiten lernen oder trainieren, die ihn oder sie widerstandsfähiger für Herausforderungen machen - oder während akuter Turbulenzen helfen, gut durch den Sturm zu kommen. Für Gründer ist wie erwähnt das soziale Netzwerk sehr wichtig. Hilfreich für den Alltag von GründerInnen und Selbstständigen sind auch Achtsamkeitspraktiken sowie eine lösungsorientierte Denk- und Handlungsweise.

Den Fokus auf „was geht und was könnte ich tun“ richten, anstatt „was geht nicht“. Wichtig ist auch die eigene Selbstwirksamkeit, sich also selbst als wirksam zu erleben - insbesondere, wenn der Eindruck besteht, gerade funktioniert gar nichts. Es hilft die eigenen Stärken zu kennen und in der eigenen Rolle entsprechend einsetzen zu können. Allgemein ist für Selbständige ein konstruktiver Umgang mit Stress und Belastung entscheidend, um langfristig gesund und damit auch nachhaltig erfolgreich zu sein. Deshalb spielen neben Resilienz auch Schlaf, Ernährung, ein erfülltes Privatleben und die mentale Gesundheit eine wichtige Rolle.

Was ist Ihr Tipp, wenn man sich akut unsicher fühlt in der Selbstständigkeit?

Franziska Kaschub: In Phasen der Unsicherheit kann es helfen zu reflektieren, was gerade diese Unsicherheit auslöst und zu überprüfen, wie real diese Unsicherheit ist. Das Gefühl kann auch Angst in uns auslösen und Angst blockiert unser Denken und Handeln. Daher ist es wichtig das zu erkennen und erstmal zu schauen, gegebenenfalls ganz akut: was verschafft mir gerade mehr „gefühlte” Sicherheit, vielleicht eine kleine Änderung oder Handlung, um aus dem Stresszustand zu kommen.

Das kann ein gutes Gespräch mit einem engen Freund sein. Aus dem entspannten Zustand heraus kann ich dann rationaler die Situation betrachten und analysieren: Was verursacht die Unsicherheit? Wie kann ich das in kleinen Schritten angehen? Was braucht es dafür, wer kann mich unterstützen?

Angst und Unsicherheit sind bis zu einem Grad auch völlig normale Emotionen und Gefühle, die wir alle kennen. Deshalb sollten wir auch lernen, sie wie einen Gast zu betrachten, der kommt und wieder geht. Oder sogar als ein hilfreiches Signal, tiefer zu schauen, wenn es wiederkehrende Situationen der Unsicherheit oder Angst gibt.

Vielen Dank, liebe Franziska Kaschub!

..Ok, und jetzt?

Wir sehen: Es geht nichts über Gelassenheit. Und Selbstsicherheit können wir lernen. Das gesunde Verhältnis zu den eigenen Möglichkeiten, das positive Umfeld, das gute Netzwerk, Freundschaft und wie ich es immer nenne: die Räuberleiter. Auch wenn eine ganze Arbeitskultur gegen die Selbstständigkeit arbeitet, für den Einzelnen gibt es viele Angebote um sich das nötige Wissen aneignen zu können und Begleitung auf dem Weg zu bekommen.

Und so pathetisch es klingt, aber nur wenn der Einzelne sich auf den Weg macht, bewegt sich die Gesellschaft. Es gibt keinen gesellschaftlichen Gründergeist, sondern nur den Persönlichen.

Eine Kultur kann man nicht einfach ändern (zum Glück), sondern Kultur verändert sich über Generationen und ist ein Abbild von dem, was wir gesellschaftlich wollen, ablehnen, oder wertschätzen und über unser Handeln normalisieren und weitergeben. Die Werte, die wir täglich leben. Auch „Gründergeist” kann man nicht programmatisch wecken. Man kann aber aufpassen, was man kultiviert.

Was zählt ist also, es denen, die es in sich haben nicht zu zerstören oder schwerer zu machen, als es dank innerer Widerstände schon ist. Und vielleicht ist eine Kultur der Selbstständigkeit nicht eine, in der sich tatsächlich viel mehr Leute selbstständig machen. Sondern eine, in der erstmal das Selbstmachen und die Selbstsicherheit wieder normal sind. Dann klappt es auch mit der Unternehmensgründung. Eine Kultur, in der man sich selbst auffordert, Verantwortung zu tragen. Und eine, in der wir Räuberleiter sind, statt überall kleiner zu machen und einzuhegen. Inspirieren, statt bürokratisieren.

Dazu gehört ein unaufgeregter Umgang mit Misserfolg, Neuausrichtung, Veränderung und auch das Aufgeben von Plänen. Wer gründet muss einen Grund haben. Unternehmertum wird es, wenn wir Probleme lösen und Bedürfnisse stillen, nicht nur die eigenen - sondern als Angebot für alle.

Was tut man, wenn es nicht mehr geht? Etwas anderes. Es geht immer etwas.

Das beste Konjukturprogramm für mehr Gründergeist und der einzige Weg zu Fortschritt ist, Offenheit für das Neue. Niemandem im Weg stehen, auch nicht sich selbst.

Unternehmerisches

Die Angst vor Überforderung und sozialem Abstieg hält viele von ihren Gründungsplänen ab. Wie Franziska Kaschub im Interview schon sagte, haben wir als Selbstständige aber Einfluss auf den Verlauf unseres selbst geschaffenen Arbeitsmodells. Und das gilt auch für die Haltung, mit der wir an die Arbeit gehen.

„Als Unternehmerin werde ich oft gefragt, ob ich mich nicht vor dem Scheitern fürchte. Meine Antwort: Nein. Denn ich beschäftige mich nicht mit dem Scheitern. Wenn etwas schief läuft, beschäftige ich mich mit notwendigen Veränderungen. Heute fühle ich mich auf meinen unternehmerischen Weg sicherer, als in der Abhängigkeit der Festanstellung.

Trotzdem gibt es auch für mich keine Garantien. Wenn Träume platzen, dann ist das schmerzhaft. Ende.”

Den ganzen Text und meine Gedanken zu Misserfolg, Scheitern und Weitermachen, kannst du auf meinem Medium-Blog lesen. „Scheiterkultur? - Nein, danke”

Zahl der Woche

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Politisches

Wir erinnern uns kurz an die erste Ausgabe von 4. Mio+ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), in der ich das Herrenberg-Urteil hinsichtlich der freien Lehrkräfte an Musikschulen besprochen habe.

Im Ärzteblatt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ist zu lesen, dass es für so genannte Poolärzte (zB. ehemals niedergelassene Ärzte, die frei in der ambulanten Bereitschaft aushelfen) dank Dialog-Prozess aller Stakeholder, nun ein Regelungspaket geben soll, damit sie unter bestimmten Bedingungen weiter selbstständig arbeiten können.

Interessant, was alles möglich ist, wenn auch Ministerien auffällt, wie verheerend die Auswirkungen der Rechtsprechung hinsichtlich angeblicher Scheinselbstständigkeit in der Praxis sind. Und wie beweglich auch eine Rentenversicherung dann ist. Ob sich diese Ausnahmeregelungen nun in weiteren Dialog-Prozessen auch auf die Musikschulen und generell die freien Lehrkräfte durchsetzen, werden wir sehen.

Warum nur für bestimmte Branchen (bisher offenbar nur dort, wo der Staat direkt von dem Personalmangel betroffen ist..) gegengesteuert und nicht endlich Rechtssicherheit für alle geschaffen wird, bleibt der typisch deutsche Witz.

Es zeigt aber auch, wie wichtig die Interessenvertretung für Selbstständige ist.

Die Stärkung

Was gibt diese Woche Schub?

  • Und hier kommt auch schon der nächste Witz. Bei X stolpere (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ich über eine Kampagne der Deutschen Bahn, die wieder mal zeigt, wie wichtig es ist sich für die Selbstständigkeit in diesem Land einzusetzen. Einem Staatsbetrieb (!) scheint es nicht mal aufzufallen, wenn er auf Selbstständige herabschaut. Ich kann darüber auch lachen, aber frage mich, wer sowas abliefert, abnickt und gelungen findet. Der Merkur hat es aufgegriffen, am besten selbst anschauen:

https://www.merkur.de/lokales/garmisch-partenkirchen/garmisch-partenkirchen-ort28711/eine-bodenlose-unverschaemtheit-db-werbung-gastronom-gap-93154065.html (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Zum Gründen gehört es groß zu träumen - zum Erwachsenwerden, die Selbstständigkeit. In diesem Sinne - nicht aufhalten lassen!

Bis nächste Woche!

Cathi ✌️

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Sujet Selbstständigkeit

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