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Selbstständigkeit und Aufstieg: Wir sind die mit den Aussichten.

#05 Die Verteidigung des selbstständigen Aufstiegs

Dies ist die fünfte Ausgabe von 4. Mio+ , dem wöchentlichen Briefing von Cathi Bruns. Diese Woche:

  • Ein paar Gedanken zu Aufstieg und Karriere

  • Interview mit Prof. Dr. Rolf Sternberg zum Gründungsstandort Deutschland und den Ergebnissen des aktuellen Global Entrepreneurship Monitors

  • Und warum eine Aufsteiger-Gesellschaft die Selbstständigkeit braucht

Hi.

Welchen Stellenwert hat Aufstieg?

Wenn man aktuellen Debatten so folgt, dann könnte man meinen der Leistungsgedanke sei tot, Aufstieg durch eigene Arbeit unmöglich, alle wollen weniger arbeiten und nicht Aufstieg ist das Ziel, sondern Ausstieg der Wunsch.

Die fehlende Gründungsdynamik ist kaum ein Thema, arbeitsfreie Tage scheint die Forderung unserer Zeit.

Selbst die Gewerkschaften streiten nicht mehr nur für mehr Lohn, sondern für mehr Freizeit. Die Frage muss erlaubt sein: Ist das der deutsche Traum?

Meiner ist es nicht. Unabhängigkeit, Weiterentwicklung, größtmögliche Freiheitsgrade und etwas Eigenes aufbauen - dass sind die Werte, die mich in meiner Selbstständigkeit antreiben. Wenn ich an Aufstieg denke, dann denke ich an Arbeit. So wie übrigens die Mehrheit im Land.

Tatsächlich zeigen verschiedene Umfragen: Der Leistungsgedanke ist nicht tot, sondern im Gegenteil. Laut IW-Verteilungsreport (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), der die Einstellung zu sozialer Mobilität untersucht, glaubt die Mehrheit der Bevölkerung, dass Aufstieg etwas ist, das man selbst in der Hand hat. „In der Gesamtbevölkerung erfährt […] die Aussage, dass Anstrengung und Fleiß wesentlich für den tatsächlichen Erfolg und sozialen Aufstieg sind, eine besonders hohe Zustimmung: Rund 37 Prozent der Befragten stimmen der Aussage voll und ganz zu, weitere 52 Prozent stimmen der Aussage eher zu.” (Quelle: Stockhausen, Maximilian, 2023, IW-Verteilungsreport 2023. Einstellungen zur sozialen Mobilität (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), IW-Report, Nr. 58, Berlin)

Aufstieg ist also ein Wert, der mit Selbstständigkeit verbunden wird. Nur nicht unbedingt mit der Beruflichen. Dabei lässt sich das Leistungsprinzip in der Selbstständigkeit besonders gut beweisen.

Höchste Zeit also, sich das genauer anzuschauen.

Denn wir haben heute die Chance, nicht nur Arbeit neu zu denken, sondern auch Aufstieg für uns selbst zu definieren. Mir macht meine Arbeit erst Spaß, seitdem ich auf Karriere pfeife. In der Selbstständigkeit ist der klassische Karrierebegriff keine Kategorie mehr. Ich nehme das als Entlastung wahr. Ich muss mich nirgends hochdienen. Ich muss mich keiner Organisation anpassen, brauche keinen Posten, keine künstliche Hierarchie, keine Untergebenen um zu wissen, ich kann führen. Und ich muss mich nicht mit irgendeinem Oberchef gut stellen, um beruflich aufzusteigen.

Und gleichzeitig fordert es mich natürlich. Denn ich muss unternehmerisch arbeiten und ganz genau wissen, was ich für andere tun will. Ich muss mir meine Aussichten selbst gestalten. Dazu gehört Professionalisierung. Chancen sind nicht einfach so da, sondern brauchen Vorarbeit. Nichts ergibt sich, ohne es selbst angezettelt zu haben. Und wo es rauf geht, da kann es auch runter gehen.

Wer aufsteigen will, darf keine Angst vor Abstieg haben. Das ist wahrscheinlich die wichtigste Botschaft. Damit umgehen zu könnten, ist Teil des unternehmerischen Lebensentwurfes.

Denn die Möglichkeiten der Marktwirtschaft sind eine Einladung an jeden, Aufstieg selbstständig zu organisieren. Wie wir weiter unten erfahren, ist Selbstständigkeit für die soziale Mobilität der Gesellschaft von wichtiger Bedeutung. Wäre es da nicht gut, dass sie auch in der Debatte eine größere Bedeutung erhält?

Darum geht es heute: Die Verteidigung des selbstständigen Aufstiegs.

Warum muss uns das beschäftigen?

Möge jeder selbst beurteilen, was Arbeit für ihn bedeutet und was sie bringen soll. Aber niemand wird bestreiten, dass mehr drin ist, wenn man sich mehr zutraut.

Wir haben das große Glück in einer sozialen Marktwirtschaft zu leben, aber ausgerechnet Selbstständigkeit, Vermögensbildung und Eigentum werden vernachlässigt oder gar kritisch beäugt. Das trägt zu einem gesellschaftlichen Klima bei, in dem Aufstieg für alle schwieriger wird. Nicht weil es nicht möglich ist aufzusteigen, sondern weil es bewertet wird, wenn man seine soziale Schicht verlassen will. Aber die Gesellschaft ist nur in Bewegung, wenn sich trotzdem genügend Leute trauen, Chancen statt Gewissheiten zu verfolgen. Unternehmertum ist da die Königsdisziplin.

Eine aktuelle Publikation der Bertelsmann Stiftung zur „Gründungsbereitschaft junger Menschen in Deutschland” zeigt: „Fast jeder zweite junge Mensch kann sich Unternehmensgründung vorstellen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”.
(Quelle: Bürger, T., Neto-Romeira, T., Schüler, J., & Andrade, I. (2024). Gründungsbereitschaft junger Menschen in Deutschland. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Gütersloh.)

Sie können die Aufsteigerinnen und Aufsteiger von morgen sein. Nicht weil sie alle gründen werden, sondern weil sie noch kein gestörtes Verhältnis zur Selbstständigkeit haben. Die Bereitschaft zu gründen, beinhaltet den Wunsch selbst etwas aufzubauen. Und diese Haltung trägt nach wie vor dazu bei, dass der soziale Fahrstuhl generell nicht ins Stocken gerät.

Damit sie ihre unternehmerischen Träume in die Tat umsetzen können, braucht es aber mehr als nur den persönlichen Wunsch. Denn auch die Experten der Studie empfehlen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), neben mehr unternehmerischer Bildung in Schulen, die Verbesserung einer „gründungsfreundlichen Kultur” und Rahmenbedingungen, die Selbstständigkeit selbstverständlich machen.

Wir müssen uns klar machen: Je mehr neues Unternehmertum in diesem Land glückt, desto besser funktioniert die soziale Durchlässigkeit. Denn die Entscheidung zu gründen, hat neben der persönlichen, immer auch eine gesellschaftliche Dimension. Und bringt damit auch Verbesserungen für alle, die nicht selbst aufsteigen können oder wollen.

Ich streite nicht ohne Grund seit Jahren dafür: Vor allem zu einer gründungsfreundliche Kultur können wir alle jeden Tag beitragen. Selbstständige Leistung sichtbar zu machen hilft, Selbstständigkeit selbstverständlich zu machen. Gründungkompetenzen zu vermitteln schult darin, die Möglichkeiten der Marktwirtschaft erfolgreich nutzen zu können. Und der gelassene Umgang mit Rückschritten und Misserfolg trägt dazu bei, dass eine wertschätzende Kultur der Selbstständigkeit gedeiht, in der man sich auch zutraut, was man will.

Alles beginnt mit jemandem, der sagt: Ich will keinen Job, ich will gründen. Welche Reaktion bekommt jemand, der dies in Deutschland sagt?

Von der Versicherungsmentalität zum Aufsteiger-Drive: Wie groß können wir denken? Für die Zukunftsgestaltung des Einzelnen, aber auch im globalen Wettbewerb eine nicht unwesentliche Frage.

Die Lage

Zur sozialen Marktwirtschaft gehört das Aufstiegsversprechen: Die realistische Chance einen hohen Lebensstandard erreichen zu können und den der eigenen Eltern gar zu übertreffen, und das aus eigener Kraft.

Für Deutschland scheint das im Großen und Ganzen zu funktionieren, aber 2018 brachten Zahlen der OECD einen unschönen Befund: Deutschland gehörte plötzlich zu den Industrieländern, die sozial am wenigsten durchlässig sind. War der Aufstieg in Deutschland besonders schwer geworden?

Dieses unerwartete Ergebnis sah man sich beim IW Köln genauer an. Dabei fiel auf: Die Resultate lassen sich auf die „eher unübliche Eingrenzung der Untersuchungsgruppe auf ausschließlich abhängig Beschäftigte” zurückführen. Ein frischer Blick unter Einbeziehung selbstständiger Arbeitsbiografien rückte das Bild zurecht: Werden Selbstständigen miteinbezogen, fällt die Arbeitseinkommensmobilität um ein Drittel höher aus.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die berufliche Selbstständigkeit ein wichtiger Faktor für die soziale Durchlässigkeit in Deutschland ist und daher in intergenerationalen Einkommensmobilitätsanalysen stets berücksichtigt werden sollte.” (Quelle: Stockhausen, Maximilian, 2022, Berufliche Selbstständigkeit. Ein wichtiger Faktor für die soziale Durchlässigkeit in Deutschland (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), in: IW-Trends, 49. Jg., Nr. 3, S. 89-109).

Selbstständigkeit verstärkt also die Aufwärtsmobilität. Wer die Selbstständigkeit in der Debatte trotzdem auslässt, obwohl sie Teil der Lösung ist, bleibt verhaftet in dem alten Denken, Aufstiegsbiografien vorwiegend im Kontext der „Normalarbeit” zu betrachten. Denn was ebenfalls zu wenig ins Licht gerückt wird, ist, dass die Möglichkeiten sich unternehmerisch auszuprobieren inzwischen viel zugänglicher sind, als noch vor einer Generation.

Zu Recht wird immer wieder beklagt, dass der soziale Aufstieg zu sehr am Elternhaus hängt. Und auch Akademiker können heute die Erfahrung machen, dass ihr Abschluss keine Garantie mehr für den guten Job und den unverlierbar hohen Lebensstandard ist. Um aber unternehmerisch erfolgreich sein zu können, braucht man streng genommen weder einen hohen Bildungsabschluss, noch wohlhabende Eltern. Die Normalisierung der Selbstständigkeit bietet also für beides eine Lösung. Und gleichzeitig für nichts eine Garantie.

Vielleicht muss man sich aber von Garantien verabschieden, wenn sie auch für den ehemals sicheren Weg nach oben nicht wirklich taugen. Wenn der berufliche Aufstieg nicht mehr automatisch mit der formalen Qualifikation kommt, wird es Zeit seine Kenntnisse und Fähigkeiten dort anzubringen, wo sie auf einen Markt treffen.

Wer Märkte versteht, kann überall tätig werden. Anstatt den Markt als Bewertungsmaßstab für Leistung zu verteufeln, sollten wir uns lieber daran erinnern, dass durch unternehmerische Initiative stark dazu beigetragen werden kann, Arbeit und Wirtschaft mit den eigenen Werten zu prägen.

Mich interessiert, ob und wie der Standort Deutschland beim selbstständigen Aufstieg behilflich ist und warum trotz festem Glaube an Leistung und Fleiß, so wenig Menschen den unternehmerischen Weg wählen.


Das Gespräch

Dazu habe ich Prof. Dr. Rolf Sternberg befragt.

Er ist Professor für Wirtschaftsgeographie an der Leibniz Universität Hannover, mit den Forschungs- und Lehrschwerpunkten Regionale Gründungsforschung und -theorie, räumliche Implikationen der Digitalisierung sowie Innovationen und Regionalentwicklung, insbesondere in Deutschland, Japan und Nordamerika. Zudem leitete er das Länderteam Deutschland des Global Entrepreneurship Monitor (GEM), des weltweit größten Forschungskonsortiums zum Thema Entrepreneurship, 1998 gegründet, bis Frühjahr 2024.

Der neue Bericht ist gerade erschienen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Herr Prof. Dr. Sternberg,

wie steht es um den Gründungsstandort Deutschland laut aktuellem Report?

Prof. Dr. Rolf Sternberg: Die Gründungsquoten, so wie wir sie im GEM mit der TEA-Quote* messen, ist in den letzten 25 Jahren tendenziell, wenn auch nicht stetig, gestiegen. Im Referenzjahr 2023 hatten zum Zeitpunkt unserer Befragungen im Sommer 7,7 Prozent der 18-64-Jährigen entweder kürzlich gegründet oder haben aktiv etwas dafür getan, bald zu gründen. Damit steht Deutschland unter den 45 teilnehmenden Ländern 2023 auf Platz 36. Von den fünf höchsten TEA-Quoten, die wir seit 1999, dem ersten offiziellen GEM-Jahr, in Deutschland gemessen haben, entfallen vier auf die letzten fünf Jahre. Es geht also in die richtige Richtung, aber die Anstiege der TEA-Quote waren in einigen anderen mit Deutschland gut vergleichbaren Ländern halt noch stärker, weshalb der Rangplatz Deutschlands sich nicht signifikant verbessert hat.

Bei den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen bleiben die Stärken Deutschlands die Gründungsförderung seitens der Politik und der Marktzugang für junge - und daher meist kleine - Unternehmen, während schulische und außerschulische Gründungsausbildung, aber auch die physische Infrastruktur zu den komparativen -und absoluten! - Schwächen zählen.

In Ihrem Länder-Report wird deutlich, dass in unserem Bildungswesen die Förderung von unternehmerischer Ambition keine besondere Rolle spielt. Was kann Schule und Bildungssystem konkret dafür tun, dass Selbstständigkeit und Gründung normalisiert und als gangbarer Weg erlebt wird?

Prof. Dr. Rolf Sternberg: Ich weiß, dass Schulen in Deutschland sehr viele Aufgaben erfüllen sollen -auch solche, die eigentlich Aufgabe der Eltern sind -, und dies bisweilen einfach zu viele sind. Gleichwohl hielte ich es für sinnvoll, in einer für die Entwicklung der individuellen Werte junger Menschen sehr wichtigen Institution wie der Schule, die unternehmerische Selbstständigkeit als eine selbstverständliche Option der späteren Erwerbstätigkeit zu erwähnen und vorzustellen, gleichberechtigt neben der abhängigen Beschäftigung. Dies könnte auch Teil des Curriculums sein/werden. Authentischer als eine Lehrperson, die beruflich in den allermeisten Fällen ausschließlich an der Schule tätig war, könnte diese Idee von unternehmerischer Selbstständigkeit natürlich eine Lehrperson verkörpern, die in der Vergangenheit zumindest zeitweise selbstständig war.

Deutschland hat eine breite Förderlandschaft, aber trotzdem wenig Unternehmertum. Was muss aus Ihrer Sicht politisch noch geschehen, damit sich die Gründungsdynamik verstärkt?

Prof. Dr. Rolf Sternberg: Gründungsförderung ist sinnvoll und kann einige der Determinanten, die die Gründungsneigung und -entscheidung  auf individueller Ebene beeinflussen, begünstigen - andere Determinanten aber nicht. Das Silicon Valley ist eine stark vom Entrepreneurshipgedanken geprägte Hightech-Region geworden, ohne dass es dort je eine explizite Gründungsförderung gegeben hätte. Die Politik sollte versuchen, insbesondere bei jüngeren Menschen die Rahmenbedingungen in Richtung unternehmerischer Selbstständigkeit dort zu verbessern, wo Werte und Normen geprägt werden: die Schulbildung und Berufsausbildung, die Peers der jungen Menschen, die von Ihnen genutzten sozialen Medien sowie das Elternhaus. Die glaubhafte Darstellung wirklich authentischer Rollenvorbilder aus vom Alter der  Jugendlichen nicht allzuweit entfernten Altersgruppen ist ein guter Weg.

Der Report gibt auch Hinweise auf soziale und kulturelle Normen. Ob ein Land unternehmerisch ist oder nicht, hat auch kulturelle Gründe. Deutschland ist immerhin Land des Mittelstands. Was können wir alle tun, damit die Kultur des Unternehmerischen nicht weiter bröckelt?

Prof. Dr. Rolf Sternberg: Deutschland hat das Image eines starken Mittelstands zurecht - aber mit Entrepreneurship im Sinne junger Unternehmen hat das nur bedingt etwas zu tun: Mittelstand heißt nur, dass die Unternehmen eine geringe oder mittlere Größe haben, aber nicht, dass sie jung sind. Nahezu alle jungen Unternehmen sind klein, aber nicht alle kleinen sind jung. Die GEM-Daten zeigen, dass Deutschland gegenüber vergleichbaren Ländern im Bereich der gründungsbezogenen Rahmenbedingung "Soziale Normen und kulturelle Werte" insbesondere bei den Statements "Die nationale Kultur betont individuelle Autonomie und Eigeninitiative" sowie "Die nationale Kultur ermuntert zum Eingehen unternehmerischer Risiken" sehr schlecht abschneidet.

Hier ist anzusetzen, aber diese Befunde sind durch Politik nur partiell zu beeinflussen.

Vielen Dank Prof. Dr. Rolf Sternberg!

*TEA-Quote: Total early-stage Entrepreneurial Activity, eine Besonderheit des GEM: „Die ermittelte Gründungsquote (Total early-stage Entrepreneurial Activity – TEA) erfasst nicht nur den prozentualen Anteil an Personen zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland, die bereits innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre ein Unternehmen gegründet haben („Gründende junger Unternehmen“), sondern auch diejenigen Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Befragung aktiv mit einem eigenen Gründungsvorhaben beschäftigen, dieses aber noch nicht umgesetzt haben („werdende Gründende“). Beide Werte ergeben in der Summe die TEA-Gründungsquote.” (Quelle:Global Entrepreneurship Monitor 2023/2024 Unternehmensgründungen im weltweiten Vergleich – Länderbericht Deutschland 2023/2024, Anhang 1, S. 85) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

..Ok, und jetzt?

Wer in Deutschland gründet, hat keine schlechten Voraussetzungen damit erfolgreich sein zu können. Aber wir machen es uns hierzulande unnötig schwer. Selbstständigkeit wird zu selten im Kontext von sozialem Aufstieg betrachtet und zu stark mit Unsicherheit verbunden.

Wir vergessen dabei: Selbstständigkeit ist auch die berufliche Selbstermächtigung und das Konzept von Aufstieg, das nicht von uns verlangt, das zu erreichen, was andere geschafft haben. Sondern mehr aus sich selbst zu machen.

Selbstständigkeit heißt Profi werden und Unabhängigkeit lernen. Auch von der Konvention und Bewertung anderer.

Ich halte diese Erkenntnis für wichtig. Besonders für Frauen. Laut IAB-Forum (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) erreichen Frauen zwar im Durchschnitt höhere Bildungsabschlüsse als Männer, sie haben aber trotzdem geringere Aufstiegschancen. Sie haben „selbst dann eine geringere Wahrscheinlichkeit eines formalen Aufstiegs, wenn ihr Ausgangsberuf, ihre höhere Teilzeitquote und ihre häufigeren Erwerbsunterbrechungen berücksichtigt werden”. Die Gründe hierfür sind laut Untersuchung unterschiedlich und reichen von Berufswahl, über Karriereorientierung bis hin zu Benachteiligung am Arbeitsplatz. (Quelle: Vicari, Basha; Bächmann, Ann-Christin ; Zucco, Aline (2023): Frauen üben seltener als Männer Tätigkeiten mit hohem Anforderungsniveau aus, In: IAB-Forum 25. April 2023)

Außerdem gründen Frauen bekanntlich seltener (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Damit Unabhängigkeit und Aufstieg auch für Frauen wahrscheinlicher wird, ist das Sichtbarmachen von unternehmerischen Vorbildern und das Wissen über Gründung und Selbstständigkeit als Aufstiegsmodell so wichtig. Es sind keine Kleinigkeiten, die wir hier besprechen. Sondern der Zugang zu Chancen, die das ganze Leben verändern können.

Alles in allem zeigt sich auch, dass Politik nicht für alles verantwortlich zu machen ist. Zum Gründen braucht man keine Politik, sondern einen gesellschaftlichen Spirit, der Unternehmertum wertschätzt und Lust auf Aufstieg macht. Lasst uns Räuberleiter sein.

Es liegt an uns selbst, dieses Land zu gestalten.

Unternehmerisches

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Was mich zu einem neuen Projekt bringt: Wer mir bei X folgt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), weiß, ich diskutiere oft und gerne über Steuer-Themen. Nicht nur weil Steuern, Vermögensbildung und Wachstum für mich als Selbstständige wichtige Themen sind, sondern auch weil kuriose Debatten in dem Zusammenhang leider allzuoft ein schräges Image der Selbstständigkeit zeichnen.

Das Steuersystem ist komplex, in den (sozialen) Medien und durch politische Lager befeuert, gehen viele Themen durcheinander: Zahlen Reiche mit ihren Kapitalgesellschaftsstrukturen weniger Steuern als jeder normale Angestellte? Wie läuft das mit dem „Dienswagenprivileg” und warum machen sich bei all den „Privilegien” nicht viel mehr Leute selbstständig? Es gibt ganz offensichtlich Klärungsbedarf.

—WERBUNG—NEUES FORMAT——

Darum habe ich mich mit Jens Henke, dem Vizepräsidenten des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg zusammengetan, um das Ganze in Ruhe zu besprechen. Für Selbstständige ist die gute Steuerberatung eine der wichtigsten Geschäftsbeziehungen. Nicht ohne Grund haben wir den neuen Podcast für den Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg „ZusammenWachsen” getauft. Bei der Tax Arena (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Berlin, der größten Innovationsmesse für alle, die sich beruflich mit Steuern beschäftigen, haben wir unser gemeinsames Podcast-Projekt in einer Live-Session bereits vorgestellt.

In unserem Format besprechen wir, wie Selbstständige und Steuerberatungen innovativ zusammenarbeiten, wie man den richtigen Steuerberater findet, was wir für eine starke Steuerpartnerschaft von einander lernen können, wir klären ein in den Öffentlichkeit gerade heiß diskutiertes Steuer-Thema und liefern Praxis-Tipps von den besten Steuer-Experten im Land.

Wer sich für Geschäftsentwicklung, Unternehmertum und SteuerUnternehmertum interessiert, klicke den Button und trage sich auf die Liste ein um die Veröffentlichung der Folge nicht zu verpassen. Wird gut!

Zahl der Woche

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Politisches

Deutschland leidet bekanntlich unter Fachkräftemangel und die Regierung hat verschiedene Ideen für Einwanderungsanreize vorgelegt. Aber wenn wir uns nun schon endlich um Fachkräfteeinwanderung kümmern, warum dann nur in bestehende Jobs? Ich meine, um anziehend zu wirken braucht ein Land auch ideale Bedingungen für Gründerinnen und Gründer.

Viele Migrantinnen und Migranten bringen einen Gründungs-Drive mit, von dem wir hierzulande wahnsinnig profitieren. All das habe ich schon vor einer Weile in meinem Kommentar für welt+ aufgeschrieben. (Paywall)

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Zu einem Einwanderungsland gehört es aus meiner Sicht auch, dass wir Unternehmertum willkommen heißen. Damals schrieb ich:

„Was Deutschland fehlt, ist die Lust auf Zukunft. Es fehlt eine moderne Aufstiegserzählung, die Menschen mit Träumen anspricht und dem Wunsch, Teil eines Lebensgefühls zu sein. Dafür müssen wir unser gestörtes Verhältnis zur Selbstständigkeit, zur Freiheit und zum Aufstieg überdenken. Und alles dafür tun, dass auch selbstständiger Arbeitskraft nichts im Weg steht.”

Wenn die Kultur und Rahmenbedingungen für den selbstgetrieben Einstieg hier stimmen, dann braucht man auch nicht mit vorübergehender Steuererleichterung zu locken. Mach dich richtig aufstiegsfreundlich, Deutschland!

Die Stärkung

Was gibt diese Woche Schub?

  • Die Gründungsambition junger Menschen bestärkt mich darin, weiter für gute Rahmenbedingungen zu streiten. Sie sind die Zukunft. Wer sich mit jungen Menschen unterhält, weiß, die grundsätzliche Lust auf Gründung und Selbstständigkeit ist da. Jeder kann dabei helfen, dass sie ihre Potenziale auch nutzen: Das bestärkende Wort, das unternehmerische Vorbild, die Vermittlung von Wissen und vor allem, der grundsätzliche Glaube an die Selbstständigkeit. Auch ein sicherheitsorientiertes Land wie Deutschland muss verstehen, dass es für seine Macherinnen und Macher - egal welchen Alters - inspirierend sein muss. Es ist so viel mehr drin.

Zum Gründen gehört es groß zu träumen - zum Erwachsenwerden, die Selbstständigkeit. In diesem Sinne - nicht aufhalten lassen!

Bis nächste Woche!

Cathi ✌️

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Sujet Selbstständigkeit

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