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Kritik am "Führer" und seinen undemokratischen Methoden – die Türkei war schon einmal weiter

Aksam („Der Abend), Istanbul/ Konstantinopel, Der Diktator und die Opposition, 9. Mai 1933.

Die Opposition hinter Schloss und Riegel – und der „große Führer“ tut so, als ob er das nicht sieht. Oder vielleicht nimmt er den Vorgang auch nur gleichgültig hin. Zumindest scheint der Mann in SA-Uniform den Eindruck zu erwecken, er hätte mit dem Wegschließen seiner Gegner nichts zu tun.

Das Interessante, ja das Sensationelle an dieser Karikatur, die vor ziemlich genau 90 Jahren erschien, ist der Erscheinungsort: Istanbul, bzw. wie man damals häufig noch sagte, Konstantinopel.

Ungeachtet seiner Behauptung, auf legalem Wege an „die Macht“ zu kommen, hat Hitler unmittelbar nach Übernahme der Reichskanzlerschaft am 30. Januar 1933 damit begonnen, alle Gegner der Nationalsozialisten aufzuspüren, einzuschüchtern, verhaften und oft auch foltern und töten zu lassen. Der Terror richtete sich hier vor allem gegen Mitglieder der KPD und der SPD. Rund fünf Wochen nach dem Erscheinen dieser Karikatur, am 22. Juni 1933, verboten die Nationalsozialisten die SPD offiziell; im Zuge der so genannten „Gleichschaltung“ zwangen sie bis Anfang Juli 1933 alle übrigen Parteien zur Selbstauflösung.

Die Kritik des Zeichners aus Konstantinopel am Vorgehen des deutschen Diktators zeugt von einem gesunden Demokratieverständnis, das viele angesichts der autoritären Tendenzen unter Erdogan in den letzten Jahren überraschen dürfte. Bleibt zu hoffen, dass sich das türkische Volk bei der Wahl am Sonntag dieser demokratischen Traditionen (die mancher Islamkritiker im Westen der muslimischen Welt ja grundsätzlich abspricht) erinnert!

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