Jenseits von "links" und "rechts"
Die Etablierten und ihre Kommentatoren trommeln, Andreas Babler sei „zu links“. Deren Motive sind leicht durchschaubar.
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Zu den Skurilitäten der österreichischen Innenpolitik gehört ja, dass gern alle von „links“ oder „rechts“ sprechen, und wenn mal jemand etwas fordert, was nicht automatisch die Konten der Schlaucherln, Hintenherumdreher, Schieber und Geschäftemacher füllt, dann wird gleich gesagt: der sei „zu links“. Skurril ist das auch deshalb, weil eine knappe Mehrheit der Wählerinnen und Wähler bekunden, sie stünden „etwas links von der Mitte“, aber zugleich auch sagen, sie seien „etwas rechts“ von Beate Meinl-Reisinger.
Das heißt zunächst: der oder die Frau/Herr Durchschnittsbürger verortet sich leicht links, hat aber zugleich eine recht verworrene Vorstellung davon, was das überhaupt sei.
Es kommt auch sehr häufig vor, dass Menschen die Selbsteinschätzung abgeben, sie seien „ein bisschen links und ein bisschen rechts“. So überraschend ist das dann aber auch wieder nicht, denn wenn man mit ganz normalen Menschen spricht, dann sind die oft gegen radikale „Übertreibungen“, manchen geht der gesellschaftliche Wandel ein bisschen zu schnell, ohne dass sie ihn deswegen gleich gänzlich ablehnen (insofern empfinden sie sich als „rechts“), und zugleich haben sie das Gefühl, dass es für die ganz normalen, einfachen Leute nicht mehr „gerecht“ zugeht, während es sich die die Oben immer zu richten verstehen – insofern seien sie also „links“. Dass eigentlich Zeit für „mehr Solidarität“ wäre, das würde wohl eine große Mehrheit unterschreiben.
Jetzt trommeln die Etablierten und ihre Helfershelfer unisono, der Andreas Babler sei zwar ein ehrenwerter, sympathischer Kerl und ein bewundernswerter Idealist, aber er sei „zu links“. Aber woher wissen die das denn so genau? Womöglich ist einer wie Babler ja genau der, auf den diese oben beschriebene Mehrheit gewartet hat. Menschen, die sich als bisschen links und bisschen rechts verstehen, und die nicht eine, sondern ein paar Meinungen haben, die sich gelegentlich auch widersprechen.
Denn eine große Mehrheit ist sowieso frustriert und verdrossen über „die Politik“ und über unsere gesellschaftlichen Zustände, sieht aber kaum eine Möglichkeit, diese zu ändern – allenfalls kann man eine „Proteststimme“ abgeben. Fast jeder weiß insgeheim, dass das auch nichts zur Verbesserung beiträgt.
In diesem allgemeinen Klima geht es oft um sehr viel andere Fragen als „links“ oder „rechts“. Und mein Eindruck ist, dass Andreas Babler das intuitiv verstanden hat. Es geht beispielsweise viel mehr darum, dass man geerdet ist, glaubwürdig ausstrahlt, die Stimme derer zu sein, die keine Stimme haben, und vor allem ehrlich dafür einsteht, die kritikwürdigen Umstände zu verändern. Die normalen, einfachen Leute haben bei uns das Gefühl, dass sie nicht einmal wahrgenommen werden, aber bei Babler haben sie das Empfinden, das ist „einer von uns“. Ist das jetzt „links“? Meine Vermutung ist, „links“ oder „rechts“ ist da gar nicht das Entscheidende. Viel wichtiger ist ja vielleicht, dass da einer Politik „von unten“ denkt. Was, wenn es da viel mehr um „unten“ versus „oben“ geht?
Babler ist so „links“, der will, dass jedes Kind in Österreich das Recht auf ein warmes Essen am Tag hat. Potzblitz, ist das radikal. Nein: Die sogenannten „Experten“ und „Kommentatoren“, die rausposaunen, Babler sei „zu links“, sind meist auch dieselben, die kürzlich noch meinten, Sebastian Kurz sei ein talentierter Erneuerer und die vor der ÖVP-FPÖ-Ibiza-Koalition auf den Knien lagen. Hält man sich an das Gegenteil dessen, was diese Leute meinen, liegt man für gewöhnlich richtig.