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Folge 31 

Etwas (nicht sehr) Altes: Hexenbündnis

Ich poste das hier noch mal, weil es auf Insta immer einen anderen Vibe hat. Geschrieben als PGExplaining, nicht im Pluralis Majestatis.

Es ist an der Zeit für ein parteiübergreifendes (oder auch parteiloses), transnationales und vor allem strukturell radikal offenes Hexenbündnis. Für Marginalisierte und sie unterstützende Privilegierte. Für Menschen, die soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz nicht trennen. Für Partizipation. Gegen Herrschafts- und Machtstrukturen. Für ein Ende unnötiger Gewalt. Haben wir auch vor der Bundestagswahl in Deutschland schon vorgeschlagen, vielleicht wirkt es jetzt plausibler. Es hat nichts mit Zaubertricks oder Esofascho-Hexenkult zu tun. Es geht um Marginalisierte, die sich herausnehmen, einfach zu existieren, und die das auch anderen ermöglichen möchten. Mehrfach Marginalisierte stehen im Vordergrund, sehr Privilegierte unterstützen komplett unsichtbar. Nur so lassen sich Privilegien nutzen, ohne dann doch relativ schnell wieder – oft sogar unbeabsichtigt – unfaire Machtstrukturen einzuziehen. Ihr braucht keine Anführer*innen. Verbündet euch. Redet, trefft euch, tauscht euch aus, favt, teilt, empfehlt, abonniert, lobt, kritisiert sachlich, haltet Türen auf, öffnet geschlossene Türen wieder. Das macht ihr vielfach ohnehin schon. Achtet nun aber bewusster darauf, wen ihr aus Gewohnheit und Unbehaglichkeit unnötig raushaltet. Öffnet euch, eure Gruppen jetzt wirklich, mutet euch das #UmsehenLernen zu, es ist nur ganz zu Beginn mühsam, danach schön. Mit eurer nächsten Mail, eurer nächsten Handlung, eurem nächsten Satz, eurem nächsten Klick könnt ihr Teil vom Hexenbündnis werden. Und danach bleibt ihr es ohne Parteibuch und Mitgliedsausweis, solange ihr in diesem Geiste handelt.

Das ist im Kern keine neue Idee, wir wollen dafür keinen Fame, wir wollen nur, dass sie sich nachhaltig durchsetzt. Außerdem ist es entscheidend, den Fokus nicht mehr nur auf weiße (cis) Frauen zu legen, dafür mehr auf die Möglichkeit mediengestützter, unmittelbarer Partizipation.

Etwas Neues: Wikileaks für Bücher und E-Books

Ich finde Fehler in Büchern und E-Books, in allen, die ich lese. Nicht nur, wenn das mein Job ist, weil ich einen Text lektoriere. Soweit ich mich erinnere, habe ich als Erwachsene nur ein einziges Buch gelesen, in dem ich keinen Fehler fand. (Ich habe leider vergessen, welches es war.) Minimum ist normalerweise ein Leerzeichen zu viel. Am häufigsten sind Wörter, die bei einer Änderung hätten verschwinden müssen, aber stehengeblieben sind. Einmal habe ich ein Buch gelesen, das wirklich komplett verhunzt war, es sah aus, als wären da zwei Versionen gleichzeitig gedruckt worden. Das Buch war neu zur Messe, und wie es in diesem unvergleichlichen Vormessestress dazu gekommen war, konnte ich mir lebhaft vorstellen, aber das Ergebnis war schlimm. Stummmachend schlimm. Ich wollte das Buch inhaltlich unbedingt empfehlen und konnte es einfach nicht tun, weil ich mich damit als Verlegerin und Lektorin diskreditiert hätte. Das Buch war nahezu unlesbar.

Ich habe es nicht nur nicht empfohlen – das tue ich erst seit der zweiten Auflage –, sondern damals auch weder Autorin noch Verlag Bescheid gesagt, es war mir psychisch wirklich zu viel. Es war Messe, sie hätten absolut nichts tun können, Horror. Im Laufe der Zeit habe ich mitbekommen, dass auch andere so merkwürdig nicht reagiert hatten, weil das Ausmaß des Fehlers aus Profisicht schlicht unerträglich war. Es ist aber nicht nur bei solchen Schlimmstfällen, sondern grundsätzlich bei Fehlern in Publikationen so, dass die, die sie melden, als Überbringer*innen der schlechten Nachricht gehasst werden. Ich möchte aber nicht gehasst werden. Deshalb mache ich heimlich und verschämt winzige Bleistiftstriche in Bücher und Markierungen in E-Books, sonst aber mache ich nichts.

Dabei wäre es sachlich natürlich sehr gut, Fehler zu melden, damit sie vielleicht bei der nächsten Auflage korrigiert werden. Um dieses Dilemma aufzulösen, schlage ich ein Wikileaks (ohne federführendes übergriffiges Genie) für Fehler in Büchern und E-Books vor. Man kann dort anonym den Fehler anzeigen und dieser wird dem zuständigen Verlag übermittelt, so tut man der Literatur unbeschadet einen Gefallen, weil man persönlich nicht gehasst werden kann. Wer baut das bitte.

Mir selbst verzeihe ich genau einen Fehler pro Buch oder E-Book. Aber es ist auch mir einige Male passiert, dass ich meinen Ansprüchen nicht genügte, weil ich gesundheitlich schlecht dran war oder einfach mein Zeitmanagement komplett vergeigt hatte. Sagt mir bitte gern, wenn ihr Fehler in Frohmann-Büchern findet. Ich werde nur kurz beleidigt sein, aber euch nicht hassen. Bald gibt es ja dann auch Wikileaks für Fehler in Büchern und E-Books.

Etwas Geborgtes: Ein Zitat 

»[D]ie Hamburger Mädchen sind alle ganz hübsch, ich meine, die richtigen Hamburger Mädchen, blond und so, mit Pferdeschwanz, großem Gebiss und Segelschein.« – Christian Kracht, Faserland

Irgendwie fehlt mir in dem Satz noch »gerade gewachsen«. Ansonsten sehr stabile Leistung, in einem Satz sexistisch, rassistisch und klassistisch zu sein. Muss man in der Zeit sehen, ja, mache ich, jetzt, in meiner. Das Zitat ist nicht aus dem Kontext gerissen, der ganze Roman ist so. Jaja, der Protagonist leidet in Wirklichkeit sehr schlimm an der Welt, leider aber gestaltet er außerdem die noch schlimmere Wirklichkeit von jetzt mit. Der Roman ist von 1995, der Autor bis heute von Anfang der Achtziger. 

Etwas Uncooles: Trendteddys

Es ist nicht direkt uncool, eher ein bisschen absurd, grotesk und lustig, was ich euch heute erzählen werde. Es geht um den Teddytrend oder um Trendteddys. D., mein Mann, und ich sind theoretisch Alt-Hipster*innen, weil wir uns sehr für Styles interessiert haben, als hip noch ein Kompliment war, damals im letzten Jahrtausend. Wir haben auch nicht aufgehört, uns für Styles zu interessieren, sind aber unserem Selbstverständnis nach auf vernünftige Weise ein bisschen aus dem Style-Council-Business rausgealtert bzw. schreiben uns immer schon zu, letztlich sehr bodenständig, nur eben leiderzumglück trendsensibel zu sein, das sucht man sich ja nicht aus, dafür kann man nichts. Praktisch sehen wir also von jeher keineswegs immer stylish und nicht erst seit Corona indoor oft ganz schön ranzig aus; wenn wir uns aber »richtig« anziehen, ziehen wir jeweils immer ungefähr das Gleiche an, Sachen, die wir so oder so ähnlich alle paar Jahre nachkaufen. »Oh, du hast ein neues weißes Kleid in mittlerer Länge wie alle deine anderen, oh, sehr schön, deine sieben fast identischen pastellfarbenen Cardigans.« »Oh, schicker neuer einer von zwölf dunkelblauen Pullis mit V-Ausschnitt. Diese Levi's-Jeans steht dir wirklich genauso gut wie alle anderen in deinem Schrank.« Negativ ausgedrückt sind wir vestimentär maximal langweilig, positiv betrachtet haben wir einen ausgeprägten Stil, dem wir treu bleiben. Entsprechend äußert sich besagte Trendsensibilität im Bereich Kleidung meist nur darin, sehr genau zu wissen, was bald in Mode sein wird, außer es ist etwas, was aus einer Ecke kommt, von der wir gar nichts verstehen, das gibt es mittlerweile natürlich häufiger. Manchmal aber, so alle ein, zwei Jahre, nimmt es einen ganz anderen Weg: Eine*r von uns oder beide sind dann plötzlich von dem Gedanken besessen, etwas ganz Bestimmtes haben zu müssen, und zwar ohne das konkrete Produkt aktuell schon irgendwo angeboten gesehen zu haben. »Ich brauche unbedingt mal wieder so eine halblange italienische Marinejacke von Colani.« ... »Gibt es eigentlich noch Desert Boots?« »Hätte ich nicht noch einen okayen Mantel, würde ich mir jetzt einen Dufflecoat kaufen.« »Wo bekomme ich ein Frotteekleid her?« »Fändest du es weird, wenn ich einen Cordanzug tragen würde?« Vieles davon passt irgendwie in unsere Standardstile, aber manchmal dreht auch komplett alles frei. So wie diese Woche. D. kam nach Hause und sang diesen Baby-Popsong »Teddybärtanz« aus der Kleinkindzeit unserer Söhne, dann sagte er: »Ich hasse eigentlich Teddy, aber ich habe mir eine Teddyjacke gekauft, ich weiß auch nicht, schau mal, geht das? Aus einer Tasche zog er eine dunkelblaue Jacke, die außen aussah wie Parkas sonst innen und führte sie vor. Ich befand: »Steht dir, sehr geckig, aber nicht unwürdig, und wir haben ja abgemacht, im Alter exzentrisch zu werden.« Zufrieden ging er mit seiner Teddyjacke zurück ins Homeoffice. Einige Minuten später scrollte ich ein bisschen auf Insta rum, natürlich rein beruflich, und vor meinen Augen erschienen rosa Teddy-Birkenstockschlappen mit zwei Riemen. Sie sahen aus wie zwei Plüschtiere als Schuhe, aber nicht figurativ. Sehr grotesk, aber cute. Ich mag Rosa, aber ich hasse eigentlich Teddy, und ich hasse eigentlich Schlappen mit zwei Riemen. Außerdem hasse ich es grundsätzlich, mehr als 100 Euro auszugeben, weil ich mit wenig Geld aufgewachsen bin, und Indieverlegen dafür sorgt, dass es heute auch nicht viel besser ist. Diese Schlappen sollten bei Farfetch 430 Euro kosten, uff, Erleichterung, niemals würde ich. Eine Sekunde später sehe ich, Insta ermöglicht mir dies, dass sie bei Birkenstock selbst »nur« 140 Euro kosten. Ich habe noch nie so viel Geld für Schlappen ausgegeben, aber klickklickklick, es gibt kein Halten mehr. Im letzten Moment sehe ich, dass es nicht mal Teddy aus recycletem Müll wie bei der Jacke von D. ist, sondern, ihgitt, Lammfell. Tierethik? Moral? Impulskontrolle? Eben noch und gleich wieder, aber nicht jetzt. (Möchte mir jemand einen Auftrag für einen Essay zu instantanem Konsum geben, kostet nur 140 Euro.) 

Ich bin schlecht, und nächstes Jahr werde ich wieder Teddy hassen, aber das sind meine neuen besten Freundinnen. Sie sehen am Fuß überraschend gut aus, sehr geckig, aber nicht unwürdig. Let’s face it, ich bin ein Trendteddy.

Rubrikloses

Irgendwann früher auf der Frankfurter Buchmesse

Irgendwann früher auf der Frankfurter Buchmesse

Irgendwann früher auf der Frankfurter Buchmesse

Nazis raus, dann komme ich auch wieder zur Buchmesse. (Pokémons sind okay.)

Guerlica

Zurück zur Überaufregung, zu den Überaufregenden. Seid lieb, nur nicht zu Nazis. 

XOXO,
FrauFrohmann


Bitte kündigt nicht eure Abos, weil ich die Teddyschlappen gekauft habe.

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