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Folge 121

Von der Sonne golden angestrahlte Metallstange vor Meer

Etwas Altes: Sterben

Am letzten Buchmessetag erreichte mich morgens im Bett ein Anruf meines Mannes, er war sehr aufgelöst, Laser, unser Kater liege im Sterben. Ich solle bitte gleich zurückkommen, schnell. Ich hatte am Abend zuvor erstmals eine Stelle aus Vier Wochen (Opens in a new window) gelesen, in der es maßgeblich um die existenzielle Bedeutung der Katze für die Familie geht und darum, wie unvorstellbar deren Tod wäre. Vier Wochen spielt in der jüngeren Vergangenheit. In der realen Gegenwart ist Lasers Tod schon eine Weile lang nicht mehr unvorstellbar, unser Kätzchen ist müde geworden. In der Passage im Buch geht es auch darum, dass Natti, die Figur der Mutter, sich für nicht klassisch abergläubisch hält: Ich, die Autorin dieser Figur, habe natürlich trotzdem für eine Millisekunde gedacht, dass ich mit dem Text Lasers Tod heraufbeschworen hätte. Vielleicht bin ich mikro- oder sekundenabergläubisch …

Ich wusste, dass ich kaum Zeit mit einem früheren Zug gewinnen, aber ohne reservierten Sitzplatz unvergleichlich fertiger in Berlin ankommen würde, also blieb ich noch einen Moment liegen und fing an, mich über das Sterben von Katzen schlau zu machen. Dabei weinte ich bitterlich: Laser ist eine der großen Lieben meines Lebens.

Vier Stunden später ließ ich zuhause in der Garderobe Mantel und Koffer fallen und ging schluchzend zur Couch, wo mein Kätzchen in einer eigenartigen Hasenhaltung lag, mit vornüber ins Kissen gegrabenem Kopf. Mein jüngerer Sohn lag neben Laser und streichelte ihn. Die Kinder waren gleich nachts vom Raven heimgekommen, um ihrem Vater beizustehen.

Ich rückte nach, legte meinen Kopf an Lasers Kopf und fühlte mich sofort schuldig, weil ich ihn ganz nass heulte. Ok, eigene Befindlichkeit runterregeln und für das leidende Wesen da sein. Irgendwann rutschte Laser von der Couch runter und kroch erst unter die Heizung, dann hinter die Couch.

Katze Laser unter der HeizungKatze Laser hinter der Couch

Ab und zu miaute er herzzerreißend, dann redete ich mit ihm. Ansonsten ließ ich ihn in Ruhe, er hatte sich ja nicht grundlos zurückgezogen. Am Abend verschwand er im Keller und dort unter einem Schrank. Alles wie im Bilderbuch des Katzensterbens. Vier Tage blieb er verkrochen, fraß nicht, trank nicht. Wenn er miaute, sprachen wir beruhigend auf ihn ein.

Am fünften Tag erschien Laser morgens laut schnurrend in der Küche, ließ sich ein reichhaltiges Frühstück servieren und legte sich danach auf der Terrasse in die Sonne. Es war ein bisschen wie ein Wunder, aber ich ahnte schon, dass es keines ist. Seither haben wir ein Zombiekätzchen bei uns, das jeden Tag andere Sachen kann und nicht kann und will und nicht will. Gleichbleibend ist nur: Laser möchte nichts mehr mit uns zutun haben, er hat sein Rudel verlassen, das Zombiekätzchen ist ein anderer, ist Lasarus. Wir nehmen es hin und freuen uns darüber, dass der kleine Boy, wer auch immer jetzt da drinnen haust, noch Lebensmomente genießen kann: die Sonne auf dem Pelz, einen guten Schluck Katzenmilch. Wie mein Mann sagte: »Ich bin schon froh, dass ich ihn noch ein bisschen länger ansehen darf.«

Etwas Neues: ein vollendetes Katzenleben

Was mir in den letzten Tagen auch noch auffiel: Laser ist die erste Katze in meinem Leben, die alt werden durfte aka nicht von einem Scheißauto gekillt wurde. Die Deutschen sind soooo tierlieb, aber fahren dann massenhaft ihre Haustiere tot?

Etwas Geborgtes: ein Zitat

Anger isn’t action and misery isn’t solidarity. – Beth Pickens

Etwas Unheimliches

Noch mehr Unheimliches als mein Zombiekätzchen schaffe ich gerade nicht.

Ich bin nach der Messe auch noch richtig schlimm krank geworden, so dass ich mit hohem Fieber und unkenntlicher Stimme auf Laser eingeflüstert habe. Kleinste Tragödien laufen neben mittelgroßen Tragödien und neben großen Welttragödien ab. Jede hat ihr Recht und braucht ihre Zeit und ihren Raum. –Gerade könnte ich über so vieles Theoretisches schreiben, ich beobachte so viel, aber das Leben lässt mich nicht. Ihr kennt das.

Maus sieht sich. Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

XOXO,
FrauFrohmann

PS: Natürlich war mein Mann mit Laser gleich zu Beginn der Krise beim Tierarzt, ihr müsst euch nicht sorgen, dass das arme Tier in die Hände von rechten Schwurblern gefallen ist.

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