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Der Übermedien-Newsletter von Frederik von Castell

Liebe Übonnent:innen,

kürzlich habe ich zwei Wochen Urlaub auf Kreta gemacht. Sonne, Strand. Smartphone aus? Nicht ganz. Auch wenn ich mir vorgenommen hatte (Opens in a new window), wenig Zeit am Bildschirm zu verbringen – Salzwasser, Sandkörner und Sonnenlicht sind da ja eh hemmende Faktoren –, konnten meine Augen und Daumen doch nicht ganz ablassen von meinen Newsfeeds, vor allem von Twitter. Ich gestehe: Ich kann vielleicht auch mal ohne Twitter, aber ich will es gar nicht. Denn mein Twitter (Opens in a new window) ist an den allermeisten Tagen ein toller Ort. 

Damit will ich vieles gar nicht nivellieren. Negativität und Hass (Opens in a new window) nicht, die andere bei Twitter erfahren; einen kleinen Einblick hatte ich da auch schon mal. (Opens in a new window) Und ich will auch nicht den Konzern hinter dem Netzwerk blindlings aus seiner Verantwortung gegenüber seinen Nutzern (Opens in a new window) entlassen. Auch die dem Drang nach Tempo und der Sucht nach Aufmerksamkeit geschuldete Sorglosigkeit (Opens in a new window), mit der manche Journalist:innen auf Twitter (gerade, wenn Sorgfalt umso gebotener wäre (Opens in a new window)) zuweilen auffallen, stört mich. Genauso könnte ich auf die Tweets mancher Journalist:innen verzichten, die Twitter vor allem zum Anstacheln und Spalten nutzen (Opens in a new window), die sich nicht entscheiden können zwischen Herz und Clownsnase (Opens in a new window)

Ja, gut, darauf könnte ich auch gut verzichten – wäre ich kein Medienjournalist. Twitter durchzuscrollen, ist für mich aber eben nicht nur Prokrastination, es ist Teil meines Berufs. Und den mache ich auch dank Twitter gerne. 

Dort finde ich Information und Inspiration, bei zahlreichen Kolleg:innen. Twitter ist der Ort, an dem ich von Formaten wie „Quiztime“ (Opens in a new window) quasi spielend neue Recherche- und Verifikationsmethoden gelernt habe, mit #OSINT (Opens in a new window) und Datenjournalismus (#ddj (Opens in a new window)) in Berührung kam, noch lange bevor sie in der journalistischen Ausbildung unterrichtet wurden. Informationsfreiheitsgesetze waren nicht viel mehr für mich als abstrakte Theorie, bis ich „Frag den Staat“ (Opens in a new window) und auch die großartige Arbeit von „Netzpolitik“ (Opens in a new window) entdeckte, und nicht zuletzt habe ich Übermedien (Opens in a new window) zuerst auf Twitter wahrgenommen. Deshalb kann ich mir auch nach rund neun Jahren nicht vorstellen, auf Twitter zu verzichten.

Für andere ist das nicht so. Vielleicht sind Sie ja auch nicht bei Twitter (wie etwa Angela Merkel oder Giovanni di Lorenzo, afaik) – oder nicht mehr, wie Donald Trump (ähm ja), Robert Habeck oder seit kurzem: Kevin Kühnert (Opens in a new window)

Dessen Rückzug aus dem Sozialen Netzwerk hat diese Woche Schlagzeilen (Opens in a new window) gemacht. Ja, wenn der SPD-Generalsekretär seinen reichweitenstarken Account (zuletzt rund 370.000 Follower) einstampft, ist das eine Meldung wert. Warum er sich von einer Plattform abgemeldet hat, die er durchaus auch für seinen Aufstieg vom Jusos-Chef zu einem der wichtigsten Bundespolitiker:innen genutzt hat? Manche meinen, wie Claudius Seidl von der FAZ (Opens in a new window) schreibt,  Kühnert wolle sich harter Kritik, etwa in Folge eines RTL/ntv-Interviews (Opens in a new window), und so mancher Beschimpfung entziehen. Kühnert selbst nennt andere Gründe:

„Ich finde einfach, dass die Diskussionskultur, wie sie auf Twitter stattfindet, und auch die Art und Weise, wie dort Gesellschaft repräsentiert oder, ich würde sagen, absolut gar nicht repräsentiert wird, dass das zu Fehlschlüssen und Irrtümern in politischen Entscheidungen führt.“

Einer, der das richtig findet, ist der „WDR-Digitalexperte“ Jörg Schieb. Er schreibt auf tagesschau.de (Opens in a new window):

„Nicht jede größere Debatte auf Twitter ist in Wirklichkeit in der Gesellschaft relevant. Ein Denkfehler, der auch unter Journalisten und im Medienbetrieb häufig gemacht wird.

Diesen Aspekt spricht Kevin Kühnert an – zu Recht. Darüber sollte jetzt diskutiert werden. Aber nicht auf Twitter, sondern in den traditionellen Medien.“

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