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Über „RONZHEIMER“, das Höcke-Interview und „Aktenzeichen XY“

Der Übermedien-Newsletter von Frederik von Castell

Frederik von Castell, Übermedien

Liebe Übonnent:innen,

Paul Ronzheimer ist längst mehr als nur ein leitender und langjähriger Angestellter bei „Bild“. Informell galt er schon seit ein paar Jahren als journalistisches Aushängeschild mindestens der „Bild“, wenn nicht des gesamten Verlags Axel Springer. Inzwischen hat der „Bild“-Vize aus Julian Reichelts Boys Club dessen Stallgeruch genauso abgelegt wie etwa die Kopfbedeckung von Native Americans (Opens in a new window). Ronzheimer hat das Unseriöse und Laute weitgehend von sich abgleiten lassen. Stattdessen haftet ihm zunehmend der Ruf eines mutigen und ausgezeichneten (Opens in a new window) Kriegsreporters an.

Bei Springer hat man das erkannt und Ronzheimer befördert, ihm eine eigene Position geschaffen: Ronzheimer ist seit ein paar Wochen das „markenübergreifende journalistische Gesicht“ des gesamten Verlags (Opens in a new window). Man soll den seriösen Journalisten Ronzheimer sehen, in den sozialen Netzwerken, und man soll ihn auch hören, in neuen, eigens konzipierten Formaten.

Eines davon ist jetzt an den Start gegangen: ein Podcast (Opens in a new window), der breit beworben wird, auch auf der „Bild“-Startseite.

Screenshot bild.de, Paul Ronzheimer in Schutzkleidung vor einem offenbar zerbomten Haus, dazu die Schlagzeilen: 
PAUL RONZHEIMER STARTET NEUEN PODCAST. Der Krieg ist „irre unheimlich“.

Der Podcast trägt einen Namen, der die Vermutung stärkt, dass es (nach all den öffentlichen Tiefschlägen der vergangenen Jahre für den Verlag) vor allem markenübergreifendes journalistisches Ronzwashing auf die Ohren geben soll:

Screenshot von Spotify: In Thumbnail, Titel und Autorenschaft des Podcasts liest man "Ronzheimer".

Paul Ronzheimer. RONZHEIMER. R O N Z H E I M E R. Okay, kapiert. Erwartbar personalisierend, aber selbst für „Bild“-Verhältnisse überraschend plump ballert auch der Trailer einen mit Ronzheimer, Ronzheimer, Ronzheimer voll. In knapp zwei Minuten (Opens in a new window) holt man alles raus, was man befürchten muss, wenn der Verlag Axel Springer seinem Vorzeigekriegsreporter einen eigenen Podcast widmet:

Begleitet von einem unheimlichen Dröhnen, das Christopher-Nolan-Fans (selbst nach „Dunkirk“, „Tenet“ und „Oppenheimer“ noch) in Scharen in das nächstgelegene Kino eilen ließe, kracht es im Opener: Schüsse oder Explosionen? Explosionen: „Schon extrem unheimlich hier langzulaufen und immer wieder Explosionen“, nimmt ein kurzatmiger Ronzheimer die Hörer:innen mit in den Krieg. Man hört seine Füße, die sich eilig bewegen, das Dröhnen, wieder einen Knall. Und auch wenn Ronzheimer sagt, es sei „überhaupt nicht klar, wo die Front ist“, soll schon durch das Sounddesign in den ersten Sekunden ganz klar gemacht werden: Wo auch immer diese Front ist, RONZHEIMER ist sehr nah dran.

„Ich bin Paul Ronzheimer, Journalist und Kriegsreporter. Ab August hört ihr regelmäßig Folgen aus meinem Reporterleben“ kämpft sich Ronzheimers Stimme erneut zu uns durch, diesmal aber über das konservig-nervige Musikbett hinweg, das inzwischen den Sound des Kriegs überlagert. Und von da an geht es eineinhalb Minuten lang in kurzen Snippets darum, Ronzheimer als Figur zu überhöhen:

Wir erfahren etwa, dass „die Russen“ schreiben, Ronzheimer sei Teil eines westlichen Mordkomplotts gegen Wolodymyr Selenskyj, bei dem er den ukrainischen Präsidenten mit Tee hätte vergiften wollen. Russische Propaganda, über die Ronzheimer „irgendwie nur lachen kann“, die aber hier natürlich zeigen soll: der kriegstreibende Kreml schaut auf Ronzheimer, der ja eigentlich auf den kriegstreibenden Kreml schauen soll.

Außerdem kündigt Ronzheimer an:

„Ich nehme euch mit an die Frontlinie, zu Interviews mit Präsidenten, spannenden Persönlichkeiten oder was auch sonst mich in meinem Alltag beschäftigt.“

Dass Ronzheimer zumindest einen Präsidenten, nämlich Selenskyj, schon mehrfach (gar „weltexklusiv“ (Opens in a new window)) interviewt hat, dürfte nur noch wenigen Menschen verborgen geblieben sein.

Als Beleg für sein Versprechen wichtiger Gesprächspartner wird im Trailer vielleicht auch deshalb nochmal daran erinnert, wie nah Ronzheimer auch einer anderen prominenten Person ist: „Paul, bitte pass auf Dich auf“ knarzt „Vitali“ (Klitschko, Bürgermeister von Kiew, aber das weiß dann eh jeder) Ronzheimer zu, als dieser ihm offenbar am Telefon von einer Reise an die Front berichtet.

Dass es auch mal persönlicher werden soll, dass „ihr hört, was in mir vorgeht, wenn wir zwischen den Fronten unterwegs sind“ rundet das „RONZHEIMER“-Versprechen im Titel des Podcasts ab. Ein Trailer, der mich genauso wenig reizt, den Podcast zu hören, wie es Sie reizen würde, einen Text weiterzulesen, in dem ich abgedroschen schriebe: „Ich habe mir das angehört, damit Sie es nicht tun müssen.“

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