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Über Schlaf in Zürich, Schmonz und die rbb-Intendantenwahl

Der Übermedien-Newsletter von Frederik von Castell

Frederik von Castell, Übermedien

Liebe Übonnent:innen,

wochenlang arbeitet man an einer Recherche, spricht Stunden um Stunden mit Quellen, überprüft deren Aussagen. Man wühlt sich durch Berge von Belegen und krabbelt in die tiefsten rabbit holes. Thesen und Entwürfe wachsen – und doch weiß man: solange Unklarheiten nicht beseitigt sind, solange nicht alle Informationen bestätigt sind, solange noch nicht alle Fragen und Konfrontationen beantwortet wurden, kann das alles noch kippen.

Und manchmal kippt es dann eben auch. Oder die Belege sind einfach nicht ausreichend, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Das fühlt sich in diesem Moment ermüdend an – allerdings nicht nur im negativen Sinn. Ein Satz, den ich schon seit vielen Jahren vor mir hertrage (Opens in a new window): Wer richtig recherchiert, schläft besser. Wenn ich den Satz vor Nachwuchs-Journalist:innen in einem Recherche-Workshop von einer Power-Point-Folie ablese, fühlt er sich manchmal wie eine hohle Floskel. Aber er bewahrheitet sich gerade in den Momenten, in denen man sich die Geschichtekaputtrecherchiert hat. Weil journalistisches Handwerk eben auch dazu führt, dass nicht jede kluge These bestätigt wird, dass sich nicht jeder Verdacht am Ende der Recherche auch beweisen lässt. Immer, wenn ich eine Recherche killen musste, habe ich danach besser geschlafen. Und wenn es nur ist, weil ich mir vorstelle, wie schlaflos meine Nächte gewesen wären, wäre ich verfrüht mit der Recherche an die Öffentlichkeit gegangen.

Das bringt mich zur „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) und der Schriftstellerin Sibylle Berg.

Zu letzterer sei vorweggesagt: Ja, Berg hat auch einen Newsletter bei Steady. Hat aber mit uns nichts zu tun, mit mir schon gar nicht. Ich hatte ihn abonniert, wunderte mich über seine Inhalte, ärgerte mich über das fehlende Redigat. Und über Sibylle Berg habe ich mich überhaupt auch schon einmal sehr an dieser Stelle geärgert, sie „unverschämt“ genannt (Opens in a new window). Gelesen habe ich nur wenige ihrer Bücher, auch wenn ich eines schon mehrfach geschenkt bekommen habe („Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot.“). Kurzum: Ich bin halt kein Fan.

Lucien Scherrer von der NZZ, der sich mit der in Zürich lebenden Schriftstellerin befasst hat (Opens in a new window), ist das recht offensichtlich auch nicht. Journalistisch betrachtet erst einmal eine gute Voraussetzung dafür, sich mit ihr auseinanderzusetzen – sollte ja nicht jeder den Künstler glühend verehren, über den man schreibt (Opens in a new window). Aber wie die NZZ sich in mehr als 20.000 Zeichen an Bergs Biografie abarbeitet, die „wie ein Roman“ wirke, ist uff.

Die Kurzfassung des Textes: Erhebliche Zweifel an Bergs biografischen Angaben, die sie in verschiedenen Medien über die letzten Jahrzehnte verbreitete, seien angebracht. Das fange schon bei ihrem Geburtsjahr an.

„Gemäss in den Medien verbreiteten Angaben wird Sibylle Berg 1952, 1962, 1966 oder 1968 in Weimar geboren.“

Gut, dafür kann Berg ja erstmal nix. Oder doch? Nahezu panisch liest sich, wie die NZZ das biografische Munzinger-Archiv zu Rate gezogen hat. Dort habe die Frage, wann Berg geboren sei, nein, Berg selbst, „Mitarbeiter schon an den Rand der Verzweiflung gebracht“.

„Dies unter anderem, weil sie darauf beharrte, 1968 statt 1962 geboren zu sein. Zeitweise war ihr Eintrag mit einem Hinweis versehen, wonach ihre Angaben nicht widerspruchsfrei geklärt werden konnten.“

Schnappatmung im Archiv. Später im Text wird die NZZ, jetzt bitte tief Luft holen, enthüllen:

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