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Deutschland bedingt wehrwillig

Die Bundesrepublik hat die Hilfen für die Ukraine nicht „gestoppt“. Das ist schlicht falsch.
Durch die Debatte um den kommenden Haushalt wurde ein Deckel draufgemacht. Laut Medienberichten auf Wunsch von Scholz persönlich. Daraufhin hat der Kassenwart Lindner dem Türsteher Pistorius gesagt: „Du darfst aber wirklich wirklich nicht mehr ausgeben, als das.“

Das bedeutet, dass Deutschland auch in den kommenden zwei Jahren der größte Unterstützer der Ukraine bleiben wird. Denn vieles ist ja jetzt bereits genehmigt, teilweise schon bis nach der nächsten Wahl.
Zusätzlich können immer auch Gelder beantragt werden. Beispielsweise für ein weiteres Flugabwehrsystem oder besonders hübsche Helme. Das muss dann aber vom Bundestag so beschlossen werden. Und ob sich da Mehrheiten finden lassen, ist mehr als fraglich.
Darüber hinaus sollen andere Gelder fließen. Nämlich aus den eingefrorenen Geldern der russischen Oligarchen und der russischen Zentralbank. Beziehungsweise den Zinsen daraus.

Und nun tun Politiker das, was Politiker tun: Sich möglichst unverständlich ausdrücken.
Mediziner lernen dafür extra Latein, Politiker müssen das durch Erfahrung lernen.

In einer Zwickmühle ist nun beispielsweise eine Strack-Zimmermann. Die als laute Vorreiterin der Ukraine-Hilfe nun das Handeln vom Vereinskollegen Lindner auch irgendwie positiv darstellen muss. Und Vereinskollegen sind wichtiger, als die Ukraine.
Und so verkaufen Politiker die Entscheidung nun so, dass ja sogar mehr Gelder durch die Zinsen fließen könnten. Dadurch wird verdeckt, dass diese Gelder eben nicht aus Deutschland kommen, sondern von der EU. Im Falle Deutschlands fließen diese Gelder also nicht zusätzlich, sondern anstatt. Wenn sie denn fließen. Denn das ist eigentlich beschlossen, aber es fließt nichts, es tröpfelt.

Und nun diskutieren alle aufgeregt über die Hilfen für die Ukraine. Und vergessen darüber, was tatsächlich dahintersteht. Übrigens wie bei der Nord Stream Debatte.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war das wiedervereinigungsbesoffene Deutschland so mit sich selber beschäftigt, dass der Eindruck entstand, alle Kriege seien abgeschafft und die nächste Stufe der Zivilisation erreicht. Das Bild, das nun Menschen wie Wagenknecht und andere gerne wiederbeleben möchten.

Wie bei einem Zauberkünstler auf einem Kindergeburtstag sollen wir auf die eine Hand schauen, während er mit der anderen Hand die Karte verschwinden lässt. Und auf dieser Karte steht die Realität der russischen Diktatur, die gerne zu sowjetischer Macht zurückwill. Und weil sie das anders nicht kann, wird es – sehr russisch – mit Gewalt versucht.

Den Kartentrick versuchen auch die, die mit russischem Öl und Gas Milliarden gescheffelt haben. Die wollen zurück zu diesem Status quo. Und jeder, der versucht Deutschland davon unabhängig zu machen, wird zum Feind. Die Grünen, erneuerbare Energien, Umweltschützer, Wissenschaftler, die Altparteien, irgendwer findet sich immer.
Wenn ein August Hanning ein Interview mit der Welt führt, dann ist das nicht irgendein ehemaliger BND-Präsident. Sondern einer, der genau dann im Amt war (bis 2005), als diese Weichen für diesen Öl-und-Gas-Kartentrick gelegt wurden und als Putin begann, Russland zur Diktatur umzubauen. Und wenn er die Sprengung von Nord Stream als „Staatsterrorismus“ bezeichnet, dann weiß er als gelernter Jurist, Russlandchef bei der Beraterfirma G3 und Banker aus Riga, von dem Millionen an Schadensersatz gefordert werden, dass das juristischer Blödsinn ist. Der korrekte Begriff ist „Sabotage“, nicht „Terrorismus“, und ob es tatsächlich der ukrainische Staat war, ist keineswegs bewiesen. Und die Welt schreibt natürlich „Ex-BND-Präsident“ in die Bauchbinde und nicht „millionenschwerer Banker“.
Es geht um Appeasement für Öl, um fossilen Frieden. Money for nothing and chicks for free.
Auch der AfD geht es implizit sicher weniger um eine russische Freundschaft, sondern um einen ungezügelten Markt.

Da die Datenbank des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) gerade nicht erreichbar ist, behelfe ich mir mit dem Handelsblatt und Wikipedia, die beide SIPRI referenzieren:

Von 1999 bis 2008, also genau als die ölige Annäherung an Russland stattfand, hat Deutschland seinen Verteidigungsetat um 11% eingeschrumpft. Als einziges Land der größten 15. Ok, Japan noch um 1,7%, aber das waren Interna.
Im gleichen Zeitraum hat Russland, der Freund Putin, den Verteidigungshaushalt um 173% gesteigert.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gaben Saudi-Arabien 9,3% für Verteidigung aus, die USA 4% und Deutschland 1,3%.
Und jetzt sind alle erschrocken, wenn Trump damit droht, aus der NATO auszusteigen, wenn wir nicht unseren Anteil liefern. Wir haben uns 2023 auf 1,5% gesteigert, während Russland inzwischen bei fast 6% war.

Dass Deutschland in einem Gesamthaushalt von 481 Milliarden nicht einmal vier Milliarden dafür findet, einen Stellvertreterkrieg führen zu lassen, für den andere ihr Leben, Gefangenschaft und Folter riskieren, zeigt deutlicher als alles andere, welche Priorität eingeräumt wurde.
Grundsätzlich müssen auch andere mehr leisten, das ist mein Standpunkt seit dem Überfall. Aber was werden die anderen wohl machen, wenn sie sehen, dass der Wirtschaftsriese Deutschland sagt: „Määähhh, anderes ist uns wichtiger“? Werden die da wohl mehr beitragen, oder weniger?

Es ist falsch, dass die Ukraine mit heruntergelassenen Hosen im Regen stehen gelassen wird. Sie wird wenigstens genauso viel bekommen, wie bisher auch. Oder genauso wenig.
Aber es stimmt nun einmal, dass die Politik über die derzeitige Regierung hinaus nicht verstehen will, dass man so etwas nicht minimalinvasiv aus der Portokasse zahlt. Und dass man den Mut haben muss, unliebsame Entscheidungen zu treffen.

Denn das Problem endet nicht an den Grenzen der Ukraine.
Derzeit dienen 0,3% der Bundesbürger ihrem Land in der Bundeswehr. (Handelsblatt, 29.05.24)
Nur 54% der Männer und 23% der Frauen wären bereit, Deutschland „auf jeden Fall“ oder „wahrscheinlich“ zu verteidigen. (Forsa Umfrage, ntv, 05.03.24)

Das ist die Söldnermentalität, über die wir hier sprechen.
Die Ukraine-Hilfe ist nur ein Symptom.
Und Russland weiß das.

Es wäre an der Zeit, aus dem Friedenstraum aufzuwachen und einzusehen, dass andere längst den Kalten Krieg 2.0 beschlossen haben.

Topic Medien und Politik

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