Paradiesfische, Bananenfische, Immobilien-Haie und Ermittlungsfischer
Ein Bananenfisch ist ein hübscher Fisch. Gelb ist er und leuchtend.
Und er lebt in Gestalt von etwas anderem. In Gestalt einer Banane.
Auch das Tierreich bzw. die Natur kennt Tiere, die verkleidet sind.
Das ist die Gemeinsamkeit der Natur mit Dragqueens.
Auch Dragqueens leben in Verkleidung.“ - Drehbuchautor Günter Schütter
An diesem Wochenende begehen wir den Internationalen Aktionstag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT*; mehr dazu in unserer queer review von Brix Schaumburgs Que(e)r durchs Land). Vermutlich anlässlich dieses Tages, der auch inoffiziell die Pride Season einläutet, die vor allem von Juni bis August hochleben wird, wird's auch beim ÖRR mal wieder super progressiv (wobei LSBTIQ*-Themen und Personen zuletzt recht präsent waren, u. a. in der Mini-Serie Augenzeugen). Namentlich im neuen Münchener Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch, dem mittlerweile vierten Fall für das Duo aus Kriminalhauptkommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Kriminalkommissar Dennis Eden (Stephan Zinner).
Mitten im Bahnhofsviertel von München wird ein Mann brutal zusammengeschlagen, anschließend mit fünf Schüssen hingerichtet und schließlich mit einem Fischernetz bedeckt. Zeug*innen des Ganzen sind die Drag Queens Tulip (Patrice Grießmeier), Menora (Božidar Kocevski, Lars Schmieg in Darkroom – Tödliche Tropfen) und Peekabou (Meik van Severen), die gerade ihren Rainbow Club zugemacht und sich in einer Unterführung auf dem Weg nach Hause befunden haben.

Dummerweise haben nicht nur sie die Tat und Täter beobachtet, sondern diese auch die drei Drag Queens. Während die Mörder also nach ihnen Ausschau halten, versuchen Blohm und Eden, die schnell kapieren, dass die drei Augenzeug*innen sind, jedoch aus Angst schweigen, deren Vertrauen zu gewinnen und sie so zu einer Aussage gegen die Killer zu bewegen. Dabei wächst die Gefahr für alle fünf Tag für Tag, Stunde um Stunde...
Informative Spannung
...klingt spannend, ist's auch. Wenn der von Günter Schütter geschriebene und von Dror Zahavi inszenierte Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch auch durchaus eine spezielle Nummer ist, die weniger mit klassischem Krimi, sondern eher mit psychologischem Feingefühl sowie manch menschlichen Drama zu tun hat. „Es ist ein Märchen. Ein Rausch aus Farben, Musik und Emotionen. Ein Film, der sich seinen eigenen Regeln hingibt – so wie seine Figuren. Und vielleicht, wenn man sich darauf einlässt, kann man selbst für einen Moment vergessen, was real ist und was nicht“, so Zahavi, ohnehin Spezialist für speziellere Polizeiruf-Filme, wie zuletzt Little Boxes oder Hermann/Zvi.

Geneigten Leser*innen bzw. Zuschauer*innen mögen bei dem Titel des Sonntags-Krimis prompt ein, zwei Assoziationen kommen. So gibt es eine Kurzgeschichte J. D. Salingers – A Perfect Day for Bananafish – die erstmal 1966 in deutscher Übersetzung erneut 2012 in Neuübersetzung erschienen ist. Und die in Deutschland nur in japanischer und englischer Sprache erhältliche Manga-Reihe Akimi Yoshida, die wesentlich Einfluss auf den Boys-Love-Genre hatte. (Außerdem gibt's noch den Regenbogenfisch – eine fantastische Kinderbuchreihe von Marcus Pfister, erscheint im Schweizer NordSüd Verlag.)
Mit beiden hat dieser Bananenfisch weniger zu tun, sehen wir einmal von Geheimnissen und Traumata sowie Queerness ab. Muss es ja auch nicht, wenn es so eine herrlich eigene Geschichte gibt, die zugleich berührt und unterhält, erläutert und bei allem Party-Spaß, den unser Fünfergespann hat, vor allem zum Ende hin doch noch solide an der Spannungsschraube dreht.

Allerdings steht zu vermuten, dass einige potenzielle Zuschauer*innen es gar nicht so lange „aushalten“. Wenn etwa Tulip, Menora und Peekabou – alle drei übrigens von Darstellern gespielt, die selber Bühnen- und Drag-Erfahrungen haben und eigene Erlebnisse und Lebensrealitäten einbringen konnten – mit Blohm über Kämpfe um Anerkennung und die Stonewall Riots debattieren, mag es einigen sicherlich schnell zu „woke“, zu „belehrend“, zu „bunt“ sein. Das würden sie sicherlich anders sehen, wenn die Kommissar*innen detailliert den Drogenhandel erläutern, aber sei's drum.
„Unser Cast und unser Team haben mit großem Engagement daran gearbeitet, eine Geschichte zu erzählen, die nah an der Realität bleibt, ohne Klischees oder Stereotype zu bedienen. Wir danken insbesondere den Berater*innen aus der Drag- und LGBTQ+-Community, die uns mit ihrer Expertise unterstützt haben. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen haben uns geholfen, eine Erzählung zu entwickeln, die sowohl spannend als auch respektvoll ist.“ - Produzentin Ariane Krampe
Neben fein repräsentierter Queerness (jedenfalls Teilen davon) und einigem trockenen Humor geht es in vor allem um Beton-Gold, letztlich auch Geldwäsche. Das deutet sich früh in schon beinahe bedrückenden Einstellungen eines von Baukränen übersäten München an (Kamera: Sonja Rom), bleibt dann länger im Hintergrund, klingelt aber immer mal wieder durch.

Anklang fand dieser feine Film jedenfalls auch bei uns. Inklusive mancher Cringe-Momente mit Dennis Eden, der eben so recht auch nicht aus seiner Haut kann. Ein längere Autofahrt gehört mit zu den Highlights dieses bunten, teils märchenhaften Bananenfisch-Films.
JW
PS: „Als Barkeeper war er lausig. Als Fuckboy... bemüht.“ - Kommt mir bekannt vor.
PPS: „Hoch den Ruck, rin' den Pflug.“ - Die kurzen Programm-Momente sind durchaus sehr authentisch, wie auch der Drag-Ton im Allgemeinen.
PPPS: Das Vorschaubild zeigt: Im Bahnhofsviertel. Von links: Tulip (Patrice Grießmeier), Menora (Boži Kocevski) und Peekabou (Meik van Severen) // Bild: BR/Bantry Bay Productions GmbH/Jürgen Olczyk„Ein Bananenfisch ist ein hübscher Fisch. Gelb ist er und leuchtend.
IN EIGENER SACHE: Da unser reguläres Online-Magazin noch immer nicht wieder am Start ist, veröffentlichen wir vorerst hier. Mehr dazu lest ihr in unserem Instagram-Post (Opens in a new window) oder auf Facebook (Opens in a new window). Außerdem freuen wir uns immer, wenn ihr uns einen Kaffee spendieren wollt (Opens in a new window).

Das Erste zeigt den Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch am Sonntag, 18. Mai 2025, um 20:15 Uhr, um 21:45 Uhr ist er auf one zu sehen und anschließend für zwölf Monate in der ARD-Mediathek verfügbar (Opens in a new window).
Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch; Deutschland 2025; Regie: Dror Zahavi; Drehbuch: Günter Schütter; Bildgestaltung: Sonja Rom; Musik: Martin Stock; Darsteller*innen: Johanna Wokalek, Stephan Zinner, Božidar Kocevski, Meik van Severen, Patrice Grießmeier, Simon Steinhorst, Arton Bunjaku, Adrian Vasile But, Karime Vakilzadeh, Ali Bulgan, Ilirjane Sina, Martin Müller, Anthony Curtis Kirby u. a.; Redaktion BR: Claudia Simionescu, Tobias Schultze; Produktion: Bantry Bay Productions (Produzentin: Ariane Krampe) im Auftrag des BR; Drehzeit: 5. August bis 3. September 2024 in München und Umgebung