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Demokratiedoktor Verfassungsschutz?

Hallo,

ich habe eine mehr als eintönige Woche hinter mir. AfD-Berichterstattung stand an. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster stand dabei im Zentrum. Die AfD klagt gegen ihre Einstufung als “Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz. Wer dazu noch nicht mehr weiß, könnte den Text (Opens in a new window) lesen, den ich vor Verfahrensbeginn geschrieben habe. Den aktuellen Zwischenstand, welche Strategie die AfD verfolgt und wieso die umstritten ist, habe ich am Donnerstag aufgeschrieben. (Opens in a new window) Zwischendurch erschien dann noch eine Recherche des Bayerischen Rundfunks, die zeigt, dass die AfD-Bundestagsfraktion 100 Menschen beschäftigt, die in Organisationen aktiv sind, die vom Verfassungsschutz als “rechtsextrem” eingestuft werden. Ein paar Ergebnisse der Recherchen und erste Reaktionen darauf, habe ich zusammengefasst (Opens in a new window) und kommentiert (Opens in a new window).

Was beide Themen gemeinsam haben, dem Verfassungsschutz wird unheimlich viel Einfluss zugedacht. Solange das Oberverwaltungsgericht nicht über die Einstufung der AfD entschieden hat, wird der Verfassungsschutz die Bundespartei nicht als “gesichert rechtsextremistisch” hochstufen. Das ist schlecht für die Debatte um ein mögliches AfD-Verbotsverfahren. Von allerlei Seiten hieß es, man wolle die Entscheidung in Münster abwarten, bevor ernsthaft über ein AfD-Verbotsverfahren diskutiert werden könne. Gleichzeitig wird wegen den extrem rechten Mitarbeiter*innen der AfD über verschärfte Regeln nachgedacht, wer im Bundestag arbeiten darf. Ein Vorschlag: Keine Verfassungsfeinde. Entscheidungsgrundlage wer ein Verfassungsfeind ist, dürfte dann wohl die Einschätzung des Verfassungsschutzes sein.

Nun hat der Verfassungsschutz eine mehr als unrühmliche Geschichte, und hat jahrzehntelang eher dazu beigetragen, rechte Strukturen aufzubauen und Gewalttaten, an denen V-Leute beteiligt waren, zu verschleiern. Mag sein, das hat sich durch strengere V-Leute-Regelungen geändert, mag sein politisch hat die Behörde einen Schwenk gemacht und schaut jetzt bei den Rechten genauer hin. Wirklich sagen kann man das nicht. Der Inlandsgeheimdienst ist im Geheimen tätig. Warum sollte er auch sonst so heißen?

Diesem Geheimdienst werden gerade immer mehr Kompetenzen zugesprochen. Dabei steht in keinem Gesetz, dass es für ein Parteiverbotsverfahren ein Gutachten des Verfassungsschutzes braucht. In Frage gestellt wird das nicht. Und bis weit ins linke Spektrum hinein wird mit großer Erwartung auf die Entscheidung in Münster gewartet. Für viele Menschen scheint es einen besonderen Wert zu haben, die AfD vom Verfassungsschutz diagnostiziert als “rechtsextrem” bezeichnen zu können. Der Geheimdienst wird so zum Demokratiedoktor, der den Stempel okay oder nicht okay verteilen darf. Nun ist die AfD voll mit Neonazis, Faschist*innen und völkischen Freaks, mit denen man kein Mitleid haben braucht. Aber die Tendenz, dem Verfassungsschutz mehr Kompetenzen und gesellschaftlichen Einfluss zu geben, sind gefährlich.

Die Stimmung im Land kann sich drehen. Zu viel Macht für den Geheimdienst kann dann schnell üble Konsequenzen haben. Abgeordnetenmitarbeiter*innen die mal in einer Antifa-Gruppe oder bei der Letzten Generation aktiv waren, könnten dann als Verfassungsfeinde rausgeschmissen werden.

Es wäre tragisch, wenn in diesem Land ganz viele Anti-AfD-Gesetze und Maßnahmen beschlossen werden, die eine blaue oder blau-schwarze Regierung dann nur noch umdrehen müsste, um jede antirassistische, klimabewusste, demokratische Stimme einzuschränken.

Das war mein Wort zum Freitag, und ja, ich weiß, Demokratie darf auch nicht wehrlos sein.

Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:

Machen wir passend weiter. Ich habe Clemens Arzt schon in zwei, drei Anhörungen zu Versammlungs- oder Polizeigesetzen zugehört und war oft sehr froh über seine Worte, zwischen den Polizeigewerkschaftshardlinern. Dem MDR hat der Jurist jetzt ein langes Interview (Opens in a new window) gegeben, in dem er sich über Einschränkungen und Mängel der Versammlungsfreiheit beklagt.

Noch etwas aus der Rubrik Service. Bei der Bahn kann man keine Sparpreis-Tickets mehr am Automaten kaufen. Das ist ein wenig schade, weil die nutzbar waren, ohne dass man personenbezogene Daten angeben muss. Das ist jetzt ein bisschen komplizierter geworden. Im IT-Security Blog Kuketz gibt es Tipps (Opens in a new window) wie man weiterhin anonym mit der Bahn unterwegs sein kann.

Beim nd kündigen ja nicht nur Menschen, manchmal kommen auch neue Kolleg*innen. Seit kurzem ist Sarah Yolanda Koss bei uns. Die kommt aus Österreich und kann deswegen sehr schön, und nicht als 30 Seiten Aufsatz über Parteistrategie, erklären, warum (Opens in a new window) die KPÖ bei den Wahlen in Salzburg abgeräumt hat.

In Dortmund wurde 2017 das Hannibal-Hochhaus wegen Brandschutzmängeln geräumt. 750 Menschen mussten schnell raus. Danach ist das Gebäude (mehrfach?) verkauft worden, aber passiert ist wenig. Jetzt berichtet der WDR (Opens in a new window) darüber, dass das Haus in zwei Jahren wieder bewohnbar sein soll. Ähm, ich wette meine erste, legale Cannabis-Ernte dagegen, dass da im Jahr 2025 Menschen einziehen.

Apropos Cannabis, es bleibt kompliziert. Bei LTO gibt es die neuesten Ideen (Opens in a new window), wie der Vermittlungsausschuss vermieden werden kann.

Bis bald!