Kleine Momente der Würde
Im Podcast »We can do hard things« sprechen die Autorin Glennon Doyle, ihre Ehefrau und Fußball-Ikone Abby Wambach und Doyles Schwester Amanda über Gefühle, Queerness, Sobriety, Gesellschaft, Psychologie und vieles mehr. In der Folge 272. Why Sober Life is the Luckiest Life (Opens in a new window) mit Laura McKowen geht es unter anderem um die »simple Würde, ohne Reue aufzuwachen.«
Diese simple Würde kennen wir sehr gut. Sie ist der Grund, weshalb SodaKlub am Sonntag morgen erscheint — nichts geht über katerfrei aufwachen und alles ist noch da, Handy, Schlüssel, Erinnerungen. Nichts tut weh und es gibt nichts zu bereuen. Unbezahlbar.
Wenn man noch trinkt, kann man sich kaum vorstellen, wie toll diese Kleinigkeiten sind, die in der Nüchternheit wieder funktionieren. Wie viel Energie und Aufmerksamkeit für die Details übrig bleibt, wenn das Leben kein ständiger Ausnahmezustand mehr ist. Die kleine Würde, sich jeden Tag abzuschminken, statt die Mascara am nächsten Tag in klebrigen Klumpen zwischen den Wimpern zu finden. Oder dafür zu sorgen, dass man frisch gewaschene Handtücher im Haus hat. Dass man es schafft, genug Wasser zu trinken. Kaputte Haushaltsgeräte reparieren zu lassen. Seine Mutter zurück zu rufen.
Mika und ihre Kontaktlinsen
Ich sehe die Routine noch vor mir: Ich gehe nach der Arbeit in den Supermarkt, kaufe eine Flasche Weißwein, komme nach Hause und wenn die Tür hinter mir ins Schloss fällt, lasse ich meine Sachen fallen, wo ich gerade steh. Ich schütte den Wein in ein großes Glas, und so wie ich meine Jacke auf den Boden fallen lasse, falle ich aufs Sofa. Für nichts in der Welt würde ich die Wohnung noch mal verlassen – außer für ein Bier vom Kiosk. Der erste Schluck ist immer ein Aufatmen. Kurz und intensiv, ein Sekundenbruchteil Lösung der Spannung, die sich über den ganzen Tag hinweg aufgebaut hat. Ich bin überzeugt, dass diese Spannung zu mir gehört, dass sie meine ständige Begleiterin ist, dass sie in mir wohnt und vielleicht schon immer da war.
Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass diese Spannung eine völlig ordinäre Erscheinung regelmäßigen Alkoholkonsums sein könnte. Ich dachte einfach, ich wäre halt ein bisschen kaputt. Um irgendwie diesen ersten Moment der Entspannung wieder zu erlangen, rauche ich, trinke ich, gucke Serien. Dann wanke ich ins Bett – Abschminken mache ich morgen, Zähneputzen mache ich morgen, Kontaktlinsen werfe ich weg oder vergesse sie komplett.
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