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Mias Bücher des Jahres

Meine Top 5 Bücher des Jahres sind alle von Frauen, was (ich schwöre!) reiner Zufall ist. Thematisch lässt sich ein ein roter Faden ausmachen, was mir (ich schwöre!) erst klar wurde, als ich diese Liste zusammenstellte:

Female Choice — Meike Stoverock

These der Biologin Meike Stoverock: Menschliches Paarungsverhalten funktioniert, wie das der allermeisten anderen Säugetiere, nach dem Prinzip der Female Choice. Und dann erklärt sie, wie die Welt aussehen könnte, wenn Patriarchat und institutionalisierte Religion uns nicht so hart rangenommen hätte und wir freier wären, das zu tun, was unserem biologischen Programm entspricht.

Spoiler: die Frauen würden sich ziemlich anders verhalten, besonders, was ihre Partnerwahl betrifft. Gerade weil »die Biologie« ja immer wieder gerne herangezogen wird, um zu untermauern, dass es irgendwie normal sei, dass Frauen jahrhundertelang entrechtet von einem Haushalt zum anderen verkauft werden, während die Männer Gesetze machen, um ihre Körper zu kontrollieren, war dieses Buch nochmal ein ziemlicher Augenöffner.

Je weiter wir das Patriarchat und die damit verbundene wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit der Frauen von den Männern hinter uns lassen, desto weniger langfristige, heteronormative romantische Beziehungen werden wir führen. Und desto mehr Männer werden allein (und sexlos) bleiben.

Die Autorin beschreibt auch, was das für Gefahren mit sich bringt und wie viel sozialer Sprengstoff die Unabhängigkeit der Frauen birgt (zB Incel Kultur). Und sie macht Lösungsvorschläge für eine Welt der Zukunft, in der freie Menschen nicht mehr aufgrund von religiösen, gesellschaftlichen und materiellen Zwängen binden, sondern nur noch deswegen, weil sie es wirklich wollen.

Die Singuläre Frau — Katja Kullmann

Katja Kullmann beschreibt die alleinstehende Frau im Laufe der Geschichte als heimliche Heldin des Alltags. Nachdem jahrhundertelang die romantische, heterosexuelle Paarbeziehung für Frauen die einzige Überlebensstrategie war (und in vielen Ländern immer noch ist), war die Single Frau immer schon eine, die gewissermaßen in einer sozialen Grauzone operierte, und in gar nicht so wenigen Fällen stellte sie sogar die gesellschaftliche, emotionale Avant Garde. Kullmann beschreibt die Singles der Vergangenheit – die Vorzimmerdamen der Weimarer Republik und die Neue Frau der zwanziger Jahre – und die Singles von Heute; self-partnered mit eigener Kohle, gesellschaftlichem Einfluss und großem Freundeskreis.

Mit diesen beiden Texten habe ich verstanden, dass die alternativ scheinende Idealisierung der ewigwährenden Hetero-Zweierbeziehung (Ehe) tatsächlich weder eine emotionale, noch eine biologische Selbstverständlichkeit ist, sondern menschgemacht und dazu erschaffen, politische Machtstrukturen zu erhalten. Und wie stark sie immer noch wirken, wie deutlich immer noch alternative Lebensformen wie platonische Freundschaften entwertet, erschwert, unsichtbar gemacht werden.

EX — Katja Lewina

Okay, nach all dem Patriarcharts-Depri kommt jetzt ein bisschen was Lustiges, es gibt nämlich (auch individuelle) Lösungen für diesen ganzen Shit.

In Katja Lewinas Memoir EX geht es um einen Selbstversuch, indem die Autorin all ihre Ex-Freunde und -Liebhaber trifft und auseinander dröselt, was eigentlich schief gelaufen ist. Das Buch hat mir wahnsinnig gute Laune gemacht. Erstens, weil Lewina richtig gut über Sex schreibt, was ja heutzutage erstaunlicherweise immer noch ein Tabu zu sein scheint. Zweitens, weil sie ein wirklich freies Liebes/Leben führt. Und mit frei meine ich: ehrlich, reflektiert und glücklich. Und weil sie bei jeder Grenzüberschreitung, bei jedem Schritt in unerforschtes Gebiet und bei jedem Heartbreak immer offen und verletzbar bleibt. Sie verliebt sich während ihrer Recherche in einen ihrer Exfreunde und bleibt dabei immer im engen Kontakt mir ihrem Ehemann, mit dem sie eine offene Ehe führt.

Und ich denke mir, Mann, krass, was alles geht. Auf wie viele Arten man glücklich sein kann, auf wie viele Arten man mit den Menschen in seinem Leben connecten kann, ohne diesen ganzen normierten, geistlosen 08/15 Romantikquatsch auf biegen und brechen durchzuziehen. Lewina zeigt auch auf die schönste Art, dass eine Abkehr von konventionellen Beziehungsformaten weder heißt, dass man alleine bleiben, noch, dass man auf Sex oder Romantik verzichten muss.

Das habe ich gebraucht. Jetzt kommen die Romane.

Matrix — Lauren Groff

England im elften Jahrhundert: Marie wird als uneheliche Tochter des Königs von dessen grausamer Frau auf ein abgelegenes Kloster voller hungernder Nonnen verbannt. Statt sich dem Elend zu ergeben, macht sie Karriere. Sie wird Äbtissin, baut das Kloster zu einer florierenden, sich selbst ernährenden Insel auf und verwandelt es in Jahrzehnten der Arbeit zu einem Hort spiritueller und weltlicher Macht und Wohlstand – zu einem echten Matriarchat.

Die Sprache ist sogar in der deutschen Übersetzung spektakulär schön. Poetisch und dicht, präzise, klug konstruiert, manchmal witzig, manchmal auch sehr düster* entwirft Lauren Groff das Psychogramm eines weiblichen Führungsstils.

Der Titel ist übrigens so toll gewählt, dass es mich restlos begeistert. »Matrix« bedeutet:

— Struktur, in sich geschlossenes System

— Organisationsform (für ein Unternehmen)

— Gebärmutter

*Lieblingsmoment: als die jungen Nonnen einen feindlichen Angriff vereiteln, indem sie den Anführer enthaupten, muss Marie sie davon abhalten, mit dessen Kopf »Judith zu spielen«. 😂

Tomorrow and Tomorrow and Tomorrow — Gabrielle Zevin

Dieser wirklich makellose Roman handelt von Sadie, Marx und Sam, drei Freund:innen, die sich in ihrer Kindheit kennenlernen und während ihres Studiums anfangen, gemeinsam Videospiele zu entwickeln. Die Geschichte begleitet sie durch drei Jahrzehnte ihres gemeinsamen Lebens und Arbeitens, bis sie Anfang dreißig sind.

Obwohl der Roman in der Vergangenheit spielt, hat er etwas eindeutig helles, fast floreszierendes, etwas zukünftiges an sich, was, glaube ich, dadurch entsteht, dass Freundschaften und Arbeitsbeziehungen mit so viel Poesie und Leidenschaft erzählt werden, wie es sonst immer nur romantischen Beziehungen vorbehalten ist und dadurch ein großer, komplexer Raum für unterschiedliche Formen von Bindung und Liebe entsteht.

Es geht außerdem um Kreativität und Karriere, um Verlust, um das Geschichtenerzählen, um Familie und Kultur und Schmerz und Tod. Es ist also ein wirklich gutes Buch, denn es geht darin um alles.

Die Deutsche Übersetzung (Opens in a new window) erscheint Ende Februar. 

Topic Weekly

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