5 Jahre #SaureZeiten 🎉
Dies ist die fünfjährige Jubiläumsausgabe von Saure Zeiten – DANKE! Danke an die knapp zwei Tausend Menschen, die diesen Newsletter trotz aller radikalen Format-Änderungen, Skandal-Äußerungen (!) und redaktionellen Unsauberkeiten seit fünf Jahren weiterlesen. Danke an die 79 Menschen, die Saure Zeiten mit einer Mitgliedschaft auf Steady oder Patreon finanziell unterstützen. Danke an alle Autor*innen, die diesen Newsletter in vergangenen Jahren mit ihren Kolumnen bereichert haben – ein mir sehr wichtiges Feature, das ich leider nicht mehr stemmen kann. Ich hoffe den Newsletter noch lange bieten zu können, und das wäre nur mit Menschen möglich und sinnvoll, die ihn auch lesen möchten.
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Diese Woche bringe ich “Weißen Feminismus canceln” nach Österreich:
19.03.2025, Wien
19 Uhr, HauptbĂĽcherei Wien
20.03.2025, Wien
18:30 Uhr, Buchhandlung LibrerĂa UtopĂa
21.03.2025, Graz
17:30 Uhr Infocafé palaver im Frauen*service Graz
24.03.2025, Graz
18 Uhr, Stadtbibliothek Graz
25.03.2025, Linz
Podiumsdiskussion und Lesung mit Segal Hussein
18 Uhr, DH5
28.03.2025, Innsbruck
19 Uhr, Ă–ffentliche AEP Frauenbibliothek
Merkst du das? Die Bundestagswahl ist vorbei, und irgendwie auch die islamistischen Terroranschläge. Ich habe in meiner monatlichen Kolumne für die zivilgesellschaftliche Organisation Campact (Opens in a new window) darüber nachgedacht, was die Häufung von Terroranschlägen so kurz vor der Wahl mit Russland und Elon Musk zu tun haben könnte.
Apropos Zivilgesellschaft oder Campact: Die Unionsfraktion im Bundestag hetzte vor wenigen Wochen in 551 Fragen gegen die demokratische Zivilgesellschaft, genau genommen 17 namentlich genannte Gruppen. Die Anfrage mit dem Titel “Politische NeuÂtraÂliÂtät staatlich geförderter Organisationen” nahm unter anderem jene Strukturen ins Visier, die sich nach der gemeinsamen Abstimmung der CDU mit der AfD im Bundestag kritisch geäuĂźert oder zu Demonstrationen aufgerufen hatten. Es sind Organisationen, die sich fĂĽr Demokratie, Menschenrechte, Transparenz und andere universelle Werte einsetzen.
CDU drohte nach den Demonstrationen, zivilgesellschaftlichen Strukturen bei Kritik gegen die CDU staatliche Gelder zu streichen. Das ist eine sehr große Gefahr, die ernstgenommen werden muss. Diese Haltung ist autoritär in zweierlei Hinsicht. Zum einen soll die CDU nicht unbestraft kritisiert werden dürfen. Zum anderen scheint hier der Staat und die Regierung eins und dasselbe zu sein. Staaten gehören allerdings nicht Regierungen, und wir wissen, was mit Regierungen passiert, die sich und ihre eigene Bedeutung überschätzen. Es ist die Verantwortung des Staates, unter anderem durch finanzielle Förderung der Zivilgesellschaft, sich selbst vor Regierungen zu schützen. Und die, die bald sehr wahrscheinlich gegründet wird, gibt heute schon Signale darüber, was auf uns zukommt. Es ist an uns, diese Signale richtig einzuordnen.
Und niemals zu vergessen, wer die Reform des GemeinnĂĽtzigkeitsrechts blockierte: Die FDP.
Verfolgst du auch die Nachrichten aus den USA? Was mir bei der Berichterstattung stark einfällt ist unter anderem eine gewisse Grundhaltung deutscher Journalist*innen dem US-Präsidenten gegenüber. Sie scheinen grundsätzlich davon auszugehen, dass er sich an Gesetz und Recht halten würde – obwohl er bei jeder Gelegenheit das Gegenteil offen und ehrlich zugibt. Man muss Trump nur zuhören, man muss ihn nur ernst nehmen, ihm glauben, um zu verstehen, dass er keinerlei Interesse an Recht und Gesetz hat. Aber deutsche Journalist*innen (über die linke Presse hinaus) scheinen all das für einen Witz zu halten, nämlich mit der Überzeugung eines Menschen, der ihren rassistischen und sexistischen besten Freund verteidigt, obwohl er permanent Gift aus seinem Mund herausspritzt, weil er angeblich all das nicht so meint, weil er eigentlich ein guter Kerl ist.
Zuletzt wurde ich bei einem Bericht des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” (Opens in a new window) wieder nachdenklich. In einem Text über gesetzwidrige Massenabschiebungen aus den USA schreibt das Magazin: “Schon länger befürchten Kritiker, dass sich die neue US-Regierung irgendwann über unliebsame Gerichtsentscheide hinwegsetzen könnte – mit bisher kaum absehbaren Folgen.”
Kritiker befürchten. Irgendwann, könnte. Hier haben wir es mit einer Ignoranz der Realität und einem Vertrauensvorschuss zu tun, der überhaupt nicht begründet ist oder verdient wurde. Und der Unterton dieses Satzes ist eine Überraschung. Ich kann mir die Überraschung über diese Art der Überraschung nicht verkneifen. Menschen, die in Rechtsstaaten sozialisiert wurden, haben scheinbar ein Urvertrauen am System, nämlich so tief verwurzelt, dass sie reale Geschehnisse ausblenden, um sich an diese Vorstellung festhalten zu können. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wo das herkommt. Wie fühlt sich das an, davon auszugehen, dass man sich als Gesellschaft auf gemeinsame Werte verlassen kann und keiner, nicht einmal der US-Präsident, über dem Gesetz steht? Vor allem wenn man von belastenden Erkenntnissen umgeben ist, wie vom Wasser auf einer einsamen Insel? Wie kann man sich einfach zurücklehnen und erwarten, dass eine Demokratie so funktioniert wie ein selbstreinigender Backofen? Ich hoffe, es irgendwann zu verstehen.
Ich weiß, das ist zynisch und Zynismus hilft uns nicht. Aber ich meine das auch ein Stück ernst, weil ich das spannend finde. Ich wüsste tatsächlich super gern, unter welchen Bedingungen ein Mensch bisher gelebt haben muss, um davon auszugehen, dass sich ein Präsident wie Donald Trump, ein verurteilter Sexualstraftäter, an Recht und Gesetz hält. Hast du da eine Idee?
Den einzigen Take, den ich dazu gerne gelesen habe, schrieb Annika Brockschmidt. Ihre Analysen zu den Entwicklungen in den USA sind ohnehin sehr wichtig. Folge Annika auf Bluesky (Opens in a new window) und Instagram (Opens in a new window), kauf ihre BĂĽcher (Opens in a new window).

“Widerstand ist Praxis, ist Handlung. Sich innerlich zu distanzieren, sich in ein imaginiertes inneres Exil zu versetzen und Abscheu zu empfinden, ist kein Widerstand, höchstens ein Festhalten an der eigenen Menschlichkeit. Im Zentrum muss aber die Menschlichkeit anderer stehen, die Bewahrung des Menschlichen für alle.” – Asal Dardan: Traumaland. Hamburg: Rowohlt 2025, S. 35, 24 Euro.
Wo wir schon bei Buchempfehlungen angekommen sind: Vor kurzem ist dieses sehr wichtige Buch erschienen:“Traumaland (Opens in a new window). Eine Spurensuche in deutscher Vergangenheit und Gegenwart” von Asal Dardan. Es kann direkt beim Verlag (Opens in a new window) oder bei der Buchhandlung deines Vertrauens bestellt werden (Opens in a new window). Dies ist keine bezahlte Werbung.
Wie gelingt ein Erinnern der Vergangenheit, das eine Wirkung in der Gegenwart hat – Erinnern als Handlung? Asal reist durch Berlin, Köln, Dessau und Hoyerswerda, sucht nach Verbindungen zwischen Gestern und Heute, denkt über die “Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit von Erfahrungen” und die Möglichkeiten “auf ein gemeinsames Erinnern” nach. Ich empfehle dieses Buch sehr – kaufe und lese es, verschenke und poste es, halte Ausschau, ob Asal demnächst auch in deiner Stadt eine Lesung hat.
In der vorigen Ausgabe (Opens in a new window) hatte ich über Necla Teyze geschrieben: Die 82-Jährige Frau aus Altindag hatte sich gegen die Angestellten des lokalen Tierheims, die ihren Hund Bambam ins Tierheim schleppen wollten, gewehrt. Die Videoaufnahme landete auf Social Media, sie wurde zur Zielscheibe von Hass und Hetze gemacht. Noch in der selben Nacht brannte ihr Haus. Sie und ihre Tiere überlebten nicht. Dachte man zuerst.
Jetzt hat sich herausgestellt, dass ein Tier überlebte: Bambam! Sie ist wohl doch schon im Tierheim gelandet, was ihr in dieser Ausnahme tatsächlich das Leben rettete. Bambam wurde durch Tierschützer*innen aus dem Tierheim gerettet und zur Adoption gegeben. Sie durfte auch das Grab von Necla Teyze besuchen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer in diesen düsteren Zeiten.
Zum Schluss möchte ich euch eine Crowdfunding-Campagne gegen den Immobilien-Giganten Vonovia ans Herz legen. Achtung, sensibler Inhalt über Tod: Karim und Demet mieteten eine Vonovia-Wohnung in Berlin-Wedding. Sie schildern, kurz darauf entdeckt zu haben, dass der Vormieter wohl in der Wohnung verstorben sein muss, weil sie Leichengeruch, Leichensaft und Leicheninsekten feststellen mussten. Vonovia würde aber die Beweise ignorieren und keine Verantwortung übernehmen. Karim und Demet konnten weder in der Wohnung wohnen noch kündigen. Das bedeutete zwei Mieten zahlen zu müssen – in Berlin! Und die Kosten der Expert*innen und die Gerichtskosten müssen sie zuerst einmal selber tragen. Deshalb bitten sie jetzt die Community um Unterstützung (Opens in a new window), weil sie bisher 10.000 Euro ausgeben mussten und wohl nichts mehr haben, aber ihren Rechtsstreit gegen Vonovia fortführen möchten.
Vonovia ist der größte Wohnungsinhaber Deutschlands, laut Statista hat das Unternehmen 546.000 Wohnungen in seinem Besitz. Das Unternehmen hortet also den ohnehin knappen Wohnraum und fordert Geld für Wohnungen, die teilweise nicht bewohnbar sind. Dass der Wohnraum gehortet werden darf, während er so knapp ist, öffnet Diskriminierung Tür und Tor. Das geht nicht!
Wer kann, soll bitte den Kampf von Karim und Demet mit einer Spende unterstützen (Opens in a new window). Wenn sie gewinnen – und ich hoffe sehr sie gewinnen – spenden sie alle Einnahmen an die Kampagne “Deutsche Wohnen & Co enteignen” weiter, und ich finde das ist eine super Idee!
Karim kenne ich persönlich, er ist im Vorstand einer zivilgesellschaftlichen Organisation, bei der ich früher als Referentin für die Öffentlichkeitsarbeit tätig war. Er ist ein sehr lieber, solidarischer und ehrlicher Mensch. So wie wir alle, verdienen auch Karim und Demet eine Wohnung, in der sie in Ruhe ihrem Leben nachgehen können.
Das war die fünfjährige Jubiläumsausgabe von Saure Zeiten! Wenn du meine Arbeit unterstützen möchtest, kannst du gleich eine Mitgliedschaft abschließen (Opens in a new window). Falls du mich auf Patreon unterstützt, möchte ich dich bitten, auf Steady zu wechseln. Bei Anmerkungen und Fragen, und für Anfragen, kannst du mir eine Mail schreiben: contact@sibelschick.net.
Vielen Dank fĂĽrs Lesen!
Liebe GrĂĽĂźe
Sibel