Soll der Staat die Presse fördern?
Ein „Contra“ von Sebastian Esser
Niemand liebt den Rundfunkbeitrag. Eine kalte Wut über seine Höhe, seine Verwendung, seine Existenzberechtigung befällt die Republik regelmäßig, zuletzt als „Schlesinger-Debatte“. Gleichzeitig wird ein ganz ähnliches Konstrukt kaum beachtet, obwohl es die Bundesregierung sogar neu einführen will: die Presseförderung – der Einstieg in die direkte Subventionierung von Zeitungen durch den Staat. Ich halte dieses Vorhaben für einen grundlegenden Fehler.
„Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind“, steht im Koalitionsvertrag. Hinter diesem harmlosen Satz verbirgt sich der Plan für eine völlig neue Subvention. Nennen wir sie ruhig „Zeitungsgebühr“. Neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollen nun auch die Zeitungen Geld vom Staat zugeteilt bekommen. Geld, das sie nicht durch überzeugende Angebote und entsprechende Nachfrage verdienen, sondern durch Lobby-Arbeit.
Die Verlage haben für ihre Druckerzeugnisse schlicht kein profitables Geschäftsmodell mehr. Denn Zeitungsausträger sind rar, und seit Einführung des Mindestlohns muss ihre allmorgendliche Arbeit auch noch menschenwürdig bezahlt werden. Also sollen Subventionen die Lücke schließen, bis digitale Abos ähnliche Umsätze erwirtschaften, wie die gedruckten Zeitungen früher. Die Branche hat den Trend zu digitalem Journalismus ganz offensichtlich verschlafen. Nun meldet sie einen Bedarf von hunderten Millionen Euro an – im Jahr.
Bereitwillig wollte schon die Große Koalition den Verlagen 220 Millionen Euro überweisen, fast eine Viertelmilliarde. Viele Bundestagsabgeordneten sind in ihren Wahlkreisen auf die Berichterstattung einer Monopol-Zeitung angewiesen. So einer Zeitung wenige Wochen vor der Bundestagswahl Geld zukommen zu lassen, schien niemand problematisch zu finden. Erst als das mitgliederfinanzierte, digitale Magazin Krautreporter (Opens in a new window) – dessen Mitgründer und Herausgeber ich bin – sich nicht mehr zu helfen wusste und drohte, vor dem Verfassungsgericht zu klagen, ließ der Wirtschaftsminister seinen Plan fallen.
Aber auch die neue Bundesregierung will offenbar manche Medien bevorzugen. Die Druckverlage sollen Geld bekommen, nicht aber die vielen neuen, digitalen Medien, die früh genug – aber auch mühsam genug – digitale Geschäftsmodelle entwickelt haben. Ihre Konkurrenz von den Altverlagen soll dieses Versäumnis nun mit Steuergeld nachholen. Diese Wettbewerbsverzerrung kritisierte schon vor einem Jahr der Bundesrechnungshof in einem bemerkenswerten und unbedingt lesenswerten Bericht (Opens in a new window). Die Stellungnahme war so hart, wie es eine staatliche Institution sein kann, ohne ausfallend zu werden.
Es entspricht eigentlich dem gesunden Menschenverstand, dass in einer Demokratie nicht die Regierung entscheiden sollte, welche Medien sie bevorzugt und mit Millionen ausstattet. Die gesellschaftliche Aufgabe des Journalismus ist es, die Politik zu kontrollieren. Das kann sie nur glaubwürdig tun, wenn sie nicht abhängig ist vom Wohlwollen der Mächtigen, die sie im nächsten Moment wieder kritisieren soll. Journalismus ist unabhängig, oder es ist kein Journalismus.
Dabei geht es dem Journalismus schlecht, vor allem dem Lokaljournalismus. Neue Medien brauchen Förderung, auch vom Staat. Sie so zu organisieren, dass politischer Einfluss ausgeschlossen bleibt, wäre wichtig. Solange aber die Regierung entscheidet, welche Kritiker ihr genehm sind, ist es besser, die Presse gar nicht zu subventionieren, statt eine neue Zeitungsgebühr einzuführen.
Zuerst erschienen am 9. September 2022 in „Der Freitag“.