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Du wirst gerade abgezockt

Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Die nächste Distributions-Disruption bedeutet schlechte Nachrichten für unabhängige Medien.

Hallo!

Es gibt im Moment drei Wege, wie Leute zu dir finden – Fachbegriff „Distribution“:

  1. Search (Google)

  2. Social (Meta)

  3. Direct (das sind vor allem Links und Newsletter)

Zwei von drei drohen gerade kaputtzugehen. Zumindest lernen wir gerade viel darüber, wohin die großen amerikanischen Digital-Firmen in den kommenden Monaten das Internet steuern wollen, und zwar mithilfe von künstlicher Intelligenz. OpenAI (Firma hinter ChatGPT) und sowohl Microsoft als auch Google haben in den vergangenen zwei Wochen ihre neuen Produkte und Konzepte vorgestellt. Apples Beitrag folgt am 10. Juni.

Das Ergebnis: Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen. Du und ich werden die Folgen zu spüren bekommen – wahrscheinlich früher, als uns lieb ist. Ein Überblick.

Google schickt dir bald viel weniger Traffic

  • Google reagiert damit auf die Bedrohung seines Such-Monopols durch Künstliche Intelligenz: Microsoft, Apple, Meta und OpenAI entwickeln eigene Suchlösungen. Das könnte zwar zu einem gesünderen Wettbewerb der Suchmaschinen führen, hat Google aber offenbar in Panik versetzt und zu riskanten Entscheidungen bewogen.

  • Google baut seine Suchmaschine so um, dass eine Google AI unser Fragen direkt beantwortet, statt uns eine Liste von Links anzuzeigen. Das sieht dann für die Suche (von Toolkits (Opens in a new window)-Gründer Jack Marshall (Opens in a new window)) „what are sleeper subscribers“ zum Beispiel so aus, dass Google den Inhalt eines Artikels mehr oder weniger paraphrasiert:

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  • Statt auf die Seite eines Magazins oder einer Zeitung zu gehen, will Google die Inhalte, die wir produzieren, nur noch nutzen, um Antworten direkt zu generieren. Solche „Zero-Klick-Suchen“ werden schon in wenigen Monaten der Standard für hunderte Millionen Google-User sein.

  • Daten gibt natürlich noch nicht, aber Analysten spekulieren (Opens in a new window), dass das Suchvolumen bis 2026 um 25 Prozent sinken wird. Google bestreitet das und behauptet, dass AI-Suchergebnisse den Verlagen mehr Traffic bringen. Worauf diese gewagte These beruht, ist nicht so ganz klar.

OpenAI bevorzugt große Verlage gegen Geld – du gehst leer aus

  • Niemand glaubt OpenAI mehr, ein gemeinwohl orientiertes Projekt zu sein. Stattdessen verhält sich die ChatGPT-Firma immer mehr wie Facebook vor ein paar Jahren. Wir erinnern uns: Move fast and break things bzw. It’s better to ask for forgiveness than permission.

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  • Spektakulärstes Beispiel aus der vergangenen Woche: die Stimme der neuesten ChatGPT-Version „4o“ klingt so sehr wie die Schauspielerin Scarlett Johansson im Spike-Jonze-Film „Her“, dass OpenAI sich öffentlich entschuldigen musste (Opens in a new window). Der Firma ist so etwas Persönliches wie die eigene Stimme einer Person offenbar egal. Was bedeutet das für unabhängig produzierte Webseiten, Podcasts, Newsletter?

  • Der Branchen-Dienst Ad-Week veröffentlichte gerade ein vertrauliches Pitch-Deck (Opens in a new window), das OpenAI an „select, high-quality editorial partners“ sendet, um exklusive Deals zu vereinbaren. Kernversprechen (neben einem Riesenhaufen Geld): Additionally, members of the program receive priority placement and „richer brand expression“ in chat conversations, and their content benefits from more prominent link treatments.

  • Anders formuliert: ChatGPT wird große Verlage bevorzugen und sie auch noch mit Geld überschütten. Deals mit Axel Springer, The Financial Times, Le Monde und Wall Street Journal sind schon bekannt geworden. Leute wie du und ich sind dabei nicht mal von Interesse.

Facebook und Instagram schicken dir dramatisch weniger Traffic

  • Zum Glück gibt es ja neben Google noch Social-Media-Plattformen, die uns unabhängigen Medien Leute vermitteln, könnte man sich beruhigen. Aber die schlechte Nachricht lautet: Das tun sie immer weniger.

  • Das Branchen-Medium Pressgazette berichtet von neuen Daten (Opens in a new window) der Analytics-Services Chartbeat und Similarweb über der Traffic, den Facebook etwa 800 Publishern sendet. Seit dem vergangenen Frühjahr bricht er geradezu ein, und der Abwärtstrend hält weiter an:

  • Besonders hart betroffen sind die kleinen Medien im Daten-Sample. Bei denen geht der Facebook-Traffic inzwischen gegen null:

  • Dazu kommt der steigende Konsum der Entertainment-Plattformen Youtube, Instagram und Tiktok, auf denen es kaum noch möglich ist, eine direkte Beziehung zum eigenen Publikum aufzubauen, das nicht von der Plattform kontrolliert wird.

Search und Social fallen aus

Es sieht also so aus, als ob Search und Social als verlässliche Distributions-Kanäle in absehbarer Zeit mehr oder weniger ausfallen.

Ich formuliere mal das Gefühl, das diese Entscheidungen bei mir auslösen: Wut. Es wird wohl wieder so laufen wie vor zehn Jahren, als Facebook den traditionellen Medien den Teppich unter den Füßen wegriss. Abertausende Journalist:innen in aller Welt haben inzwischen ihren Job verloren, eine manipulierte Öffentlichkeit hat populistische Regierungen zur Macht verholfen.

Die nächste Distributions-Disruption scheint jetzt bevorzustehen: Künstliche Intelligenz schafft Produkte, die Leute wie dich und mich ausnutzt und nichts zurückgibt. Das ist zwar nicht nachhaltig; aber das ist den handelnden Männern im Silicon Valley egal.

Du brauchst den direkten Draht

Unabhängigen Medien bleibt nur der dritte Weg als verlässlicher Distributions-Kanal: Direct. Wir brauchen eine direkte Beziehung zu unseren Communitys, ohne Zwischenhändler und Türsteher. Wir brauchen offenen Kanäle wie Newsletter, Podcast-Feeds und vielleicht neue offene Standards wie das Open Activity Protokoll (Opens in a new window). Und wir brauchen die Zusammenarbeit aller, die eine andere, aufgeklärte Öffentlichkeit wollen.

Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian

PS:

👍 Diese Ausgabe fand ich hilfreich. (Opens in a new window)
😐 Di (Opens in a new window)ese Ausgabe war ganz okay. (Opens in a new window)
👎Die (Opens in a new window)se Ausgabe war für mi (Opens in a new window)ch uninteressant. (Opens in a new window)

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