Es war einmal ein Crowdfunding
Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Ein Tag in meinem Leben vor zehn Jahren.
Hallo!
Ich möchte heute vom Freitag, dem 13. erzählen. Dem 13. Juni 2014 nämlich. Genau zehn Jahre ist es her. An diesem Tag um 13 Uhr etwa ging unser Server in die Knie, weil zehntausende Menschen „Reload“ drücken, um dabei zu sein, wenn Krautreporter am letzten möglichen Tag die Zielmarke von 15.000 überschreiten würde.
Dann war der Moment einfach da.
Ich glaube mein ehemaliger Chef Ulf Poschardt hat das Foto unten gemacht (ausgerechnet!), denn ich saß zu dem Zeitpunkt in Hamburg im Spiegel-Gebäude (ausgerechnet!) und war vom Reporter-Forum eingeladen, über Die Zukunft des Journalismus™ oder irgendwie so zu diskutieren, mit Ulf und einem gewissen Dirk Kurbjuweit (ausgerechnet! Der ist inzwischen Chefredakteur beim Spiegel). Und ein paar Minuten vor der wirklich überflüssigen Diskussion war das wahr, an das kaum noch jemand geglaubt hatte.
Es war: der Wahnsinn.
Jedenfalls war das das einzige Wort, was mir in dem Moment einfiel. Mehr Wahnsinn passte nicht in 120 Zeichen.
Ich frage mich heute, was zur Hölle ich in Hamburg zu suchen hatte. Warum ich erst in den Zug nach Berlin steigen musste, um mit den anderen Krautreportern zu feiern. Ganz offenbar hatte auch ich nicht mehr an einen Erfolg geglaubt.
Während ich im Zug saß, brauchen die Dämme. Bis Tagesende kamen nochmal dreitausend Mitglieder dazu. Eine Millionen Umsatz in vier Wochen, das hatte wirklich geklappt.
Im Büro unser Software-Entwickler-Freunde von Bitcrowd in Kreuzkölln freuten sich gemeinsam ein paar Leute aus dem Gründungs-Team. Geplant war nichts, keine Party, überhaupt kein Treffen.
Denn in den beiden Wochen zuvor hatte es eigentlich nicht so ausgesehen, als ob wir es noch schaffen würden.
Diese Excel-Auswertung hatte einer der vielen Leute von unserer Seite gescraped und ins Netz gestellt, die es in diesen vier Wochen spannend fanden, zuzugucken, ob wir es gerade so auf allen vieren ins Ziel schaffen, oder doch brennend zu Boden krachen würden.
Vielen im Publikum wäre beides recht gewesen. Es war einfach unterhaltsam. Und man bekam eine Menge Aufmerksamkeit dafür, uns entweder toll oder doof zu finden. Jedenfalls in der damals noch kleinen, aber lautstärkeren digitalen Öffentlichkeit bei Twitter und Facebook und mit möglichst emotionalen Emotionen, fordernden Forderungen, über-spitzen Überspitzungen.
Es war unglaublich anstrengend.
Ich möchte mich im Nachhinein immer noch bei den zwei Dutzend Mitstreitenden erstens bedanken und zweitens entschuldigen, denen ich diesen Höllentrip aufgequatscht hatte. Ein bisschen hatten sie ihn natürlich auch mir aufgequatscht. Geschadet hat das ganze Erlebnis im Nachhinein auch niemandem. Trotzdem plagen mich bis heute Schuldgefühle.
Denn – hatte ich das erwähnt? –: Es war UNGLAUBLICH anstrengend!
Aus diesem Grund kann mich an viele Details nicht mehr erinnern, und ich möchte mich an vieles auch nicht mehr erinnern. Ich will diese Hirnregionen nicht mehr besuchen. Ich will den Stress für immer vergessen. Ich bin einfach froh, dass das alles letztendlich nicht umsonst war.
Stolz bin ich heute drauf, dass wir noch immer da sind. Auf das, was mehrere Redaktions-Generationen in den Jahren danach mit geduldiger, unglaublich wohlwollender Unterstützung unserer Mitglieder aufgebaut haben. Und auf die Wirkung, die wir offensichtlich auf andere, ähnliche Medienunternehmungen hatten. Tausende Steady-Projekte nahmen hier einen Anfang.
Vorgestern erst, am Samstag, fand die jährliche Generalversammlung der Krautreporter-Genossenschaft statt. Mein Co-Vorstand Leon Fryzser, der inzwischen die Geschäfte leitet und das Schiff steuert, konnte erneut einen Umsatz jenseits der Million verkünden. Wir sind stolz drauf, Steuern zu zahlen, denn Krautreporter ist mit seinem werbefreiem, Mitglieder-finanzierten Journalismus seit Jahren ein profitables Wirtschaftsunternehmen.
Ich behaupte: Mehr Unabhängigkeit geht nicht.
Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian
PS:
Die versprochenen Lösungen zur Reichweite-Krise liefere ich kommende Woche nach. Das Krautreporter-Jubiläum hatte ich nicht auf dem Schirm, wollte euch meine Erinnerungen daran aber nicht vorenthalten.
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