Redensarten Nr. 14 - Die Statistik, Donald Trump und das Kochen
Liebe Redensarten-Freundinnen und Freunde,
willkommen zu meinem vierzehnten Newsletter.
Heute beschäftigen wir uns einmal mit etwas, das nur auf den ersten Blick (Opens in a new window) trocken und langweilig ist: der Statistik. Denn manchmal ist es ganz interessant zu beobachten, nach welchen Redensarten die Leute so suchen.
Ein bisschen Statistik
Auf meiner Seite findet Ihr eine Auflistung der 5 am gestrigen Tag am häufigsten gesuchten Redensarten (Opens in a new window) und auch die 50 häufigsten Anfragen des letzten Monats (Opens in a new window). Auf der Ebene der Einzeleinträge könnt Ihr die Abrufstatistik aufrufen, wenn ihr den kleinen, blauen Knopf mit dem Diagramm-Symbol klickt.
Übrigens wäre es ein Fehler zu glauben, dass die Einträge, die in der Liste ganz oben stehen, auch am häufigsten im Alltag verwendet werden. So spielt eine viel größere Rolle, an wievielter Stelle der entsprechende Link zum Redensarten-Index steht, wenn man die Redensart bei Google sucht. Und das sind häufig eher seltene, die auf anderen, konkurrierenden Seiten nicht häufig auftauchen. Auch gibt es viele Redewendungen, die nicht jeder kennt oder schwierig sind zu verstehen. Nach denen sucht man natürlich eher, um Näheres zu erfahren. So gehört zu den Highlights im Ranking "das tangiert mich peripher (Opens in a new window)" (das ist mir egal). Ein Dauerbrenner ist auch: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral (Opens in a new window)". Bei diesem Spruch von Bertolt Brecht wollen die Suchenden wissen, wie man den richtig deutet - vermute ich zumindest.
Redensarten und Medien
Wenn im Fernsehen von Politikern, Prominenten oder Showmastern eine Redewendung gebraucht wird, dann wirkt sich das oft auf die Anfragehäufigkeit aus. Das Interesse lässt dann aber schnell wieder nach. Ein typisches Beispiel wäre der "Wumm oder Wumms (Opens in a new window)" (eine spektakuläre / beeindruckende / effektvolle Sache, etwas mit starker Wirkung). Olaf Scholz als Bundesfinanzminister und späterer Bundeskanzler verwendete das Wort zweimal, um die große Wirkung der von ihm initiierten Staatshilfen zu verdeutlichen - entsprechend oft wurde der Ausdruck abgefragt (Opens in a new window).
Problematische Redewendungen
Natürlich gibt es im Deutschen auch Redensarten und umgangssprachliche Ausdrücke, die nach landläufiger Meinung nicht verwendet werden sollten. Hierzu gehören solche, die derb, abwertend oder diskriminierend gegenüber Minderheiten sind. In Deutschland immer heikel: Redewendungen, die sich auf die Zeit des Nationalsozialismus beziehen. Ich rate jedem - insbesondere Fremdsprachlern, die die "Fettnäpfchen (Opens in a new window)" der deutschen Sprache nicht kennen - die folgenden Redewendungen nicht zu verwenden. Sie sind ohnehin nur selten zu hören.
Aogos Ausrutscher
Wenn ein Prominenter eine derartige Redensart benutzt, dann ist die Aufregung groß und die Statistik schießt nach oben. Das bekam z. B. Dennis Aogo im Mai 2021 (vergleiche Statistik (Opens in a new window)) zu spüren, ein ehemaliger deutscher Fußballspieler. Nach Beendigung seiner Fußballkarriere trat er im Fernsehsender Sky Sport als Experte auf und sagte über das Team von Manchester City: "Sie trainieren das bis zur Vergasung (Opens in a new window)". Ich selbst erinnere mich noch an meine Kindheit in den 1970er Jahren, da habe ich diese Redewendung oft verwendet und mir nichts Böses dabei gedacht. Damals war sie auch allgemein geläufig. Das ist aber lange her. Heute denkt man bei "vergasen" schnell an die Juden in den Konzentrationslagern, die während der Nazizeit in einem industriell organisierten Massenmord millionenfach - u. a. durch Giftgas - umgebracht wurden. Aogo jedenfalls wurde öffentlich kritisiert, er entschuldigte sich und gab bekannt, vorerst nicht weiter als Experte bei Sky aufzutreten.
Dennis Aogo (Bild: dpa)
Dabei stammt diese Redensart gar nicht aus der Nazizeit, sondern war schon vorher bekannt. Wer jetzt deshalb meint, man wolle die Leute "erziehen", selbst harmlose Redensarten dürfe man nicht mehr äußern - und überhaupt: "Man darf ja nichts mehr sagen!" - , der versteht nicht, dass es hier nicht ums Verbieten oder Dürfen geht. Es geht darum, was man gedanklich mit einem Wort verbindet und dabei versucht, unpassende Assoziationen zu vermeiden. Nebenbedeutungen können sich ganz schnell ändern. Denken wir nur an das Wort "Querdenker" :
https://www.dwds.de/wb/Querdenker (Opens in a new window)Das ist ein ursprünglich positiv besetzter Begriff, der schnell ins Negative kippte, als sich während der Zeit der Corona-Pandemie Impfgegner so bezeichneten.
Kloses Genugtuung
Ein weiteres Beispiel, in der sich eine öffentliche Diskussion entzündete, stammt ebenfalls aus der Fußballwelt: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika hat Deutschland gegen Australien einen 4:0-Sieg eingefahren. Das zweite Tor schoss der Stürmer Miroslav Klose. Dieser war vorher wegen schwächerer Leistungen in die Kritik geraten und es wurde spekuliert, ob er überhaupt der Richtige sei, in der Nationalelf mitzuspielen. Dass ihm ein Tor gelang, dürfte jedenfalls eine große Genugtuung für ihn gewesen sein. Im Fernsehen wurde das Spiel analysiert, bei dem die Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein sagte, für Klose sei der Treffer ein "innerer Reichsparteitag (Opens in a new window)" gewesen. Autsch (Opens in a new window)!
(Quelle: youtube (Opens in a new window))
Ich habe das damals auch zufällig gesehen und gedacht: Bitte was? Diese Redensart kannte ich bis dato gar nicht und fand sie jedenfalls zumindest unangemessen. Sie ist auch ziemlich selten. Jedenfalls sorgte das für Diskussionen, denn unter "Reichsparteitag" versteht man die Parteitage der Nazipartei NSDAP in den 1930er Jahren: Schwülstig-bombastische Inszenierungen mit Massenaufmärschen und Fackelzügen, die das Hirn aus- und kitschigen Pathos einschaltete und den totalen Machtanspruch der NSDAP untermauern sollte. Die darin enthaltene Selbstbeweihräucherung hat eben zu der Redensart "innerer Reichsparteitag (Opens in a new window)" im Sinne "innere Genugtuung, feierliche Stimmung" geführt. Müller-Hohenstein jedenfalls wurde vorgeworfen, eine "extremistische Terminologie" zu verwenden.
Dabei ist die Verwendung des Ausdrucks durchaus ambivalent: Die einen sagen, die Redensart sei Nazi-Jargon und bereits bei der Hitlerjugend in Gebrauch gewesen, deshalb solle man sie nicht verwenden. Die anderen verteidigen die Redensart und sagen, hier komme eine ironische Distanz zu den Reichsparteitagen zum Ausdruck, weil auch hier die banalsten Dinge mystisch überhöht wurden. Und es stimmt: Da schwingt schon ein gewisser Spott mit. Ob es allerdings eine gute Idee ist, während eines Fußballspiels, das mit Spaß und Unterhaltung verknüpft ist, eine Redensart zu verwenden, die sich auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte bezieht, ist eine andere Frage.
Donald Trump und das Kochen
Ich erinnere mich noch an den 9. November 2016, einen Tag nach der erstmaligen Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Das Ergebnis hatten viele nicht erwartet und waren geschockt. Welche Redewendung wurde an diesem Tag am häufigsten aufgerufen? Es war das Sprichwort "Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird (Opens in a new window)". Aus diesem spricht die Hoffnung, dass es so schlimm nicht kommen wird.
(Quelle: depositphotos.com (Opens in a new window))
Jetzt ist Trump wieder - und wider Erwarten - gewählt worden. Das wird vielfältige Auswirkungen haben und ist eine schlechte Nachricht für Einwanderer, den Klimaschutz, die Palästinenser, die Ukraine, die deutsche Wirtschaft, die Wahrheit usw. und eine gute für Rechte, Impfgegner und Reiche. Und diesmal ist hierzulande die Zuversicht wohl nicht mehr so groß, zumindest wenn man die Anfragehäufigkeit unseres Sprichwortes (Opens in a new window) betrachtet, denn diese ist zwar wieder nach oben geschnellt, aber nicht so kräftig wie beim ersten Mal.
So, das wärs für heute. Ich gebe zu, das war heute etwas schwere Kost (Opens in a new window) mit eher seltenen Redensarten. Beim nächsten Mal widme ich mich wieder Ausdrücken, die oft verwendet werden. Versprochen!
Viele Grüße,
euer Peter vom Redensarten-Index
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