Hölderlinplatz
Der Hölderlinplatz ist ein überaus seltsamer Ort.
Als hätte sich mit dem Namen des depressiven Romantikers ein Teil seines Wesens in das Straßenpflaster versenkt und dünstete täglich in gleichmäßigen Dosen Melancholie und ein Irrewerden an der Welt in das Gelächter und das Treiben aus.
Der sogenannte Platz besteht aus der Kreuzung zweier Straßen. Sie schneiden einander nicht, die eine läuft in die andere hinein und endet nach einigen Metern und einer Endhaltestelle der U-Bahn, die hier als Tram fährt, abrupt. Am Treffpunkt der Straßen steht ein hoher, schmaler Trichter, der an den Dichter erinnert. Eine Art Säule, die die Gestalt einer überdimensionalen, von unbegabten Eltern selbstgefertigten Schultüte hat.
„Ein Zeichen sind wir, deutungslos
Schmerzlos sind wir und haben fast
die Sprache in der Fremde verloren“,
ist der Anfang eines Gedichts des sich seinem Unglück hingebenden Hölderlin darauf zitiert. Des Dichters Verse folgen dem Bau der Tüte, nicht seinem Zeilensatz und scheinen schlecht gewählt.
Deutungslos ist an diesem Platz nur das Rätsel, mit welcher nahezu irritierenden Offenherzigkeit auch völlig fremde Menschen sprachlich übereinander herfallen. Den ansatzlosen, ohne Vorwarnung sich ergießenden Offenbarungen folgen Hände, Arme, tiefe Blicke und schmerzlos, nonchalant serviertes Begehren nach mehr.
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