Skip to main content

Das war die Terrasse des Restaurants Antico Martini (Opens in a new window) am 15. November 2019. Gestern Abend sah ich  auf Sky History die Wiederholung einer überraschend kritischen Sendung: „Venezia, la città che affoga“ (Opens in a new window): Venedig, die Stadt, die ertrinkt (nicht nur im Hochwasser). Die Sendung entstand anlässlich des ersten Jahrestages der Hochwasserkatastrophe vom November 2019 (Opens in a new window)

Damals schien das Unglück kein Ende nehmen zu wollen, nach dem Höchststand von 1,87 Meter am 12. November (vier Zentimeter unter dem bislang höchsten Hochwasser von 1966, das bei 1,94 Meter lag), folgte der 13. November mit 1,45 Meter, der 15. November mit 1,56 Meter, der 17. November mit 1,52 Meter und die 1,44 Meter am Tag vor Weihnachten (Opens in a new window).  

Den italienischen Politikern diente das Hochwasser vor allem dazu, sich in Gummistiefeln auf dem Markusplatz fotografieren zu lassen, während Bürgermeister Brugnaro vor laufenden Kameras gestand (Opens in a new window), nichts vom Flutsperrwerk MOSE zu wissen – was ihn natürlich sofort dafür prädestinierte, zum „außerordentlichen Kommissar“ ernannt zu werden, um über die Hilfsgelder für die Geschädigten zu wachen.

Das Wunderwerk Mose wurde erst wieder „getestet“, als sich der Wind und das Hochwasser gelegt hatten. Den verantwortlichen Technikern wird klar gewesen sein, dass die Fluttore bei einem Sturmwind von 120 km/h ziemlich wahrscheinlich auf dem Markusplatz gelandet wären. 

In der Sendung betont der Journalist Silvio Testa die Merkwürdigkeit, dass in den Tagen nach der Katastrophe niemals über die Ursachen des Hochwassers gesprochen wurde (Vertiefung der Kanäle, Erosion der Lagune und die Unvereinbarkeit des Hafens mit der Lagune), sondern allein die „sofortige“ Fertigstellung von MOSE gefordert wurde, von allen Politikern. Und er sprach auch aus, was wir hier alle denken: Dass MOSE letztlich so unvollendet bleiben soll wie die Sagrada Família (Opens in a new window). Weil sich nur so viel Geld verdienen lässt. Dazu auch kurz etwas zu den Kosten: 290 000 Euro kostet jeder Einsatz des Wunderwerks. Wofür? Für den Einsatz einer Hundertschaft von Technikern, Ingenieuren, Spezialkräften und Arbeitern, die in 12-Stunden-Schichten arbeiten, Reise- und Unterbringungskosten, zuzüglich der Kosten für die Verwaltung der 78 Fluttore.

Vielleicht  haben Sie in diesen Tagen Fotos vom Markusplatz gesehen, der immer noch unter Wasser stand, etwa hier, auf einem Foto von AP, das von der Süddeutschen in der App veröffentlicht wurde, mit der Bildunterschrift "Nasses Vergnügen: In Venedig haben starke Regenfällt Teile der Stadt überflutet, darunter den Markusplatz" 

Ja, nasses Vergnügen! Und starke Regenfälle! Vielleicht ein Wasserohrbruch? Oh, heilige Einfalt. 

Tatsache ist, dass der Markusplatz  bereits bei 80 Zentimetern Hochwasser unter Wasser steht - während MOSE offiziell erst bei einem Wasserstand von 1,30 Meter eingesetzt werden soll. Was erstens bedeutet, dass bei 1,30 Meter die ganze Stadt unter Wasser steht, und zweitens damit garantiert werden soll, dass der Hafen weiter angefahren werden kann.

Manchmal wurde MOSE überraschend auch eingesetzt, obwohl der Wasserstand von 1,30 Meter gar nicht erreicht wurde. Kurz: Die endgültige Entscheidung, ob das Wunderwerk eingesetzt wird oder nicht, ist letztlich so wenig voraussehbar wie das Blutwunder von San Gennaro. 

So viel wollten Sie gar nicht über das Hochwasser wissen? Kann ich verstehen. 

Übrigens hat Venedig soeben von der EU aus dem Recovery-Fund 82 Millionen Euro erhalten. Früher gab es den Spruch, dass die Hilfsgelder für Venedig in Bürgersteigen in Mestre landen. Das hat sich jetzt geändert: Sie landen in Radwegen in Mestre. 27 Millionen Euro, als fast ein Drittel, investiert Brugnaro in Radwegen auf dem Festland. Sein Dank dafür, vom Festland in überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt worden zu sein. Der Rest geht nach Mestre. 

Für Venedig bleiben Brosamen: 2,5 Millionen Euro sollen in die "Steuerung der Touristenströme" investiert werden, also weniger als drei Prozent der Mittel. Für den Erhalt der Lagune: Null. Weshalb die von Brugnaro ausgerufene "Hauptstadt der Nachhaltigkeit" an vielen Stellen so aussieht: 

Überhaupt "Nachhaltigkeit" - Lieblingsbegriff beim Greenwashing (Opens in a new window). Gäbe es einen Wettbewerb darum, sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen, Brugnaros Venedig hätte den ersten Platz verdient.

Aber es gibt auch gute Nachrichten! Ich habe tatsächlich einen Verlag gefunden, der mein Venedig-Buch ins Italienische übersetzt, hurra, hurra, hurra! Es soll schon im nächsten Frühjahr erscheinen. Mehr darf ich noch nicht verraten. Auf jeden Fall freue ich mich sehr! 

Und nächsten Freitag mache ich meine letzte Lesung (Opens in a new window) dieses Jahres in Detmold. 

Bis dahin: Bleiben Sie gesund. (Sage ich normalerweise nie. Aber angesichts der Zahlen ...) 

Aus Venedig grüßt Sie Ihre Petra Reski 

 

0 comments

Would you like to be the first to write a comment?
Become a member of Reskis Republik and start the conversation.
Become a member