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Nachrichten aus dem Exil

Venedig vorgestern. So schön.

Schickte mir der Venezianer an meiner Seite, denn ich befinde mich zur Zeit im Bettwanzen-Exil (kein Witz): Dank der von Bettwanzen verseuchten Airbnb-Wohnung über uns sind Bettwanzen durch die Decke (wir leben in einem Palazzo aus dem 16. Jahrhundert) auch in unser Schlafzimmer gekommen. Ich erspare Ihnen jetzt die Details. Nur so viel: In Venedig spricht niemand darüber. Wäre ja auch kontraproduktiv in einer Stadt, die nur noch als riesige Zimmervermietung betrachtet wird. “Wir finden Bettwanzen vor allem dort, wo viele unterschiedliche Menschen nächtigen”, (Opens in a new window) sagt der Zoologe, der Bettwanzen sehr spannend findet.

Problematisch wird es nur für diejenigen, die keine Zoologen sind. Und die wie wir versuchen, ein normales Leben in einem Palazzo zu führen, in dem einige Eigentümer ihre Wohnungen als Airbnb vermietet haben: Dann müssen sie zusätzlich zu den üblichen Unannehmlichkeiten durch Airbnb-Vermietungen (Wasser, das durch die Zimmerdecke tropft, Müllberge im Innenhof) auch noch unter Bettwanzen leiden.

Dank einer Rezension eines Airbnb-Gastes entdeckte ich, dass die Wohnung über uns mit Bettwanzen verseucht war - nicht etwa, weil der Vermieter uns auf die Gefahr aufmerksam gemacht hätte. Nach der Inspektion durch den Kammerjäger erfuhren wir, dass wir unsere Wohnung eineinhalb Monate lang praktisch nicht nutzen können. Als ich versuchte, das Gesundheitsamt darauf aufmerksam zu machen, wurde mir beschieden, dass es für “Probleme in privaten Wohnungen” nicht zuständig sei. Ich frage mich: Wie ist es möglich, dass wir nicht ungestört in unserem Haus leben können - nur weil andere mit ihren Wohnungen Geld machen wollen? Wie weit geht die Gier?

Klar, Bettwanzen gibt es auch in venezianischen Hotels - die unterliegen aber den Vorschriften des Gesundheitsamts: Als wir uns ein neues Bett (neue Matratze, neues Kopfteil) kauften, erzählte uns der Matratzenverkäufer, dass in Venedig ganze Hotels wegen der Bettwanzenplage schließen mussten. Und bei den Ferienwohnungen in Venedig (im Grunde egal, ob sie über Booking oder Airbnb vermietet werden) gibt es einige Besitzer, die ihre Wohnungen inzwischen sogar als sanificato, als "desinfiziert" (Euphemismus für "entseucht") anpreisen.

Aber mein Exil hat auch etwas Gutes: So hatte ich das Glück, in München an der Demo gegen den Rechtsextremismus teilnehmen zu können, und als ich dieses Foto meinen italienischen Freunden schickte, waren sie fassungslos.

Zumal Italien ja, wie schon mal in der Geschichte, bereits einen Schritt weiter ist, mit der Ministerpräsidentin einer offen sich auf den Faschismus berufenden Partei: Im Logo der „Brüder Italiens“, lodert die grün-weiß-rote Flamme, die in der Symbolik der italienischen Rechten für die ewige Flamme auf dem Grab Mussolinis steht - einst das Symbol der neofaschistischen MSI, dem Movimento Sociale Italiano, später der Alleanza Nazionale und heute der Fratelli d’Italia.

“Du siehst auf der Straße Leute, die den Arm zum Faschistengruß hochrecken und denkst: Der Faschismus ist zurückgekehrt. Aber das stimmt nicht. Der Faschismus ist nie aus Italien verschwunden”, sagte der Regisseur Stefano Massini (Opens in a new window). In seinem kurzen, grandiosen Monolog (Opens in a new window) fasst er zusammen, wie die italienischen Rechtsextremisten nach dem Krieg die Geschichte Italiens bestimmten: Als sie in den 1960er Jahren die Regierung Tambroni (Opens in a new window) unterstützten und damit zum ersten Mal nach Kriegsende Einfluss auf die Politik nahmen, als sie 1970 mit ihrem Staatsstreich (Opens in a new window) scheiterten, in den 1970er und 1980er Jahre Attentate begangen, die den Linken in die Schuhe geschoben wurden. Sie waren stets Teil des politischen Systems. Und haben als solche die Politik bestimmt: Mit der Geheimloge P2 (Opens in a new window), aus der Spitzen der Gesellschaft wie Berlusconi hervorgingen, der von 1994 bis zu seinem Tod die italienische Politik bestimmen sollte.

Die Attentate von 1992-93, das nur zur Erinnerung, wurden ja nicht allein von der Mafia begangen, sondern in Zusammenarbeit mit Geheimdienstlern. Ziel war, die kippende Stimmung in Italien in die richtige politische Richtung zu lenken: Am 26. Januar 1994, praktisch heute vor 30 Jahren, wurde Forza Italia gegründet und Berlusconi zum ersten Mal gewählt - der die Mafia noch als Ministerpräsident finanzierte. Und dessen würdige Nachfolgerin Giorgia Meloni ist.

Und ja, mich regt schon lange auf, wie harmlos Meloni in den deutschen Medien daherkommt: Seitdem sie die Ukraine unterstützt und auch keine Anstalten macht, aus der EU auszutreten, gilt sie euphemistisch als „Postfaschistin“. Dazu auch ein sehr guter Kommentar (Opens in a new window) von Julian Nida-Rümelin.

Und zum Schluss noch ein paar Empfehlungen:

Ein Film über AfD-Aussteiger (Opens in a new window), weil ich so verstand, dass die AfD nicht viel anders vorgeht als jede andere Sekte auch.

Ein Podcast-Tipp: Christopher Weingart, mit dem ich ja den Podcast Reskis Republik (Opens in a new window) betreibe, erzählt die irre Geschichte einer Aids-Leugnerin, hier geht’s zu den Folgen. (Opens in a new window)

Und eine Ausstellung: Noch bis zum 4. Februar läuft im Münchener Theatermuseum die Ausstellung der Theaterfotografin Ruth Walz (Opens in a new window). Es ist ein Weg durch deutsche Theatergeschichte, durch Freundschaften, vor allem aber durch das Leben von Ruth Walz, die ihre Existenz dem Theater verschrieb. Und wenn ich mir erlauben darf, die SZ zu korrigieren: Ruth Walz war nicht mit Bruno Ganz “liiert”, sie war sein Lebensmensch.

In diesem Sinne grüßt Sie Ihre Petra Reski - bald hoffentlich wieder zurück in Venedig, damit ich wieder mit dem Boot durch den Canal Grande fahren kann!

Und zum Schluss noch:

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