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Der vergessene Nr.1-Pick

Niemand möchte sich noch ans All-Star Weekend erinnern, aber da müssen wir jetzt durch - es ist auch bloß am Rande relevant, versprochen. Wisst ihr noch, die Skills Challenge? Mit dem Team der Nr.1-Picks? Mit Anthony Edwards, der kurzerhand entschied, alles mit links zu machen und seinen Nebenmann Victor Wembanyama (den einzigen Hoffnungsschimmer für das gesamte All-Star Weekend in den kommenden Jahren) damit in den Wahnsinn trieb? Ohne Cade Cunningham?

Richtig … Edwards (2020), Paolo Banchero (2022) und Wemby (2023) formierten das Team mit “sicheren” Dingern: Ant war bereits zum zweiten Mal All-Star, Banchero war erstmalig dabei (auch wenn die Nominierung problematisch bleibt, aber das ist ein anderes Thema) und Wemby wird nächstes Jahr an der Reihe sein, sowie in vermutlich jedem Jahr danach, in dem er ansatzweise gesund bleibt. Der 2021er Jahrgang wurde übergangen, gewissermaßen.

Es ist kein Wunder: Cade hat nun fast drei NBA-Jahre auf seinem Buckel, auch wenn er Jahr zwei fast vollständig verpasste. Er hatte zum Zeitpunkt des All-Star Weekends 27 Spiele gewonnen - nicht in dieser Spielzeit, in seiner Karriere. Er hat insgesamt bisher ein negatives Box Plus/Minus als NBA-Spieler. Ein sicheres Ding ist Cade damit nicht, zumindest nicht wirklich.

Oder vielleicht irgendwie doch?

Es tut sich etwas bei Cade und den Pistons, insbesondere seit der All-Star-Pause. 25,4 Punkte, 5,1 Rebounds und 7,9 Assists legt Cade seither über zehn Spiele auf, wobei die Counting Stats noch nie sein Problem waren - wichtiger ist: Sein Offensiv-Rating beträgt seither 120, die True Shooting Percentage 61,3%. Das ist beides enorm weit von seinen Karriere-Zahlen entfernt (102; 52,5%) und zeigt, dass sich zuletzt einiges in die richtige Richtung verschoben hat.

Vor allem die Dreierquote springt ins Auge. Seit der Pause nimmt Cunningham 7,3 Dreier pro Spiel und versenkt fast 44% davon. Es wird sich erst zeigen müssen, ob dies ein Hot Stretch ist oder ansatzweise zur Norm werden kann - es würde ihn zu einem anderen Spieler machen. Der Dreier ist im Prinzip der Schlüssel für Cade, um die anderen Baustellen in seinem Skillset effektiv zu kaschieren. Existent sind diese trotz der klar gestiegenen Effizienz nach wie vor.

Cunningham ist einer dieser Spieler, über die immer wieder gesagt wird, dass sie “in ihrem eigenen Tempo” spielen. Das stimmt, ist aber nicht automatisch positiv zu verstehen - negativ betrachtet ließe sich auch sagen, dass Cade relativ langsam ist. Er ist kein Highflyer, hat nicht den gefährlichsten ersten Schritt. Im Gegensatz zu anderen Vertretern ihres “eigenen Tempos” wie Luka oder Nikola ist er aber auch nicht größer, schwerer und/oder kräftiger als all seine Gegenspieler. Im Gegenteil; viele der Wings, die ihn zumeist verteidigen sollen, können vor ihm bleiben.

Cade muss dadurch etwas mehr investieren, um zu seinen Spots zu kommen. Er kommt nicht automatisch an Separation, braucht dafür etwas mehr Hilfe durch Screens und gutes Spacing als manch anderer Star. Es ist umso wertvoller, dass er neuerdings extreme Fortschritte insbesondere als Pullup-Dreierschütze zeigt - da diese Fähigkeit Verteidiger dazu zwingt, enger an ihm zu bleiben und dadurch mehr Drives zu ermöglichen.

https://youtu.be/nlTySVHkImY (Opens in a new window)

Die Pistons haben Cade über die ersten drei Jahre seiner Karriere bekanntermaßen ähnlich viel Raum geschaffen wie ein zu kleiner Handschuh. Es ist noch immer kein ideales Ökosystem, aber es gab zuletzt ein paar Fortschritte beim Spacing - Spieler wie Simone Fontecchio oder Quentin Grimes strahlen eine gewisse Gefahr als (Catch-and-Shoot-)Dreierschützen aus, auch Cade selbst spielt teilweise etwas mehr Off-Ball. Das ist keine Degradierung, sondern sinnvoll; sein Backcourt-Partner Jaden Ivey (und auch Ausar Thompson) ist kein ausgewiesener Shooter, hat dafür einen Raketenantrieb im Hintern und kann durch seine Penetration auch mal die ersten Lücken in der Defense reißen, was das Attackieren für Cade wiederum leichter macht. Aus meiner Sicht wird das noch immer zu selten genutzt (der Umgang von Monty Williams mit Ivey ist ohnehin ein Thema für sich).

https://youtu.be/LUsqMM-cGbY (Opens in a new window)

Stand jetzt kreiert Cade noch immer einen riesigen Anteil seiner Abschlüsse selbst (64% - Höchstwert unter allen Wings laut Cleaning the Glass). Das macht sein Leben aus meiner Sicht schwieriger als nötig, aber auch bei der Self-Creation gibt es Fortschritte. Durch die engere Defense am Perimeter kommt Cunningham etwas häufiger in Korbnähe und zieht dort mehr Freiwürfe, auch wenn es dabei noch immer viel Luft nach oben gibt. Er wirkt zumindest etwas explosiver, dunkt in letzter Zeit häufiger. Er ist noch immer ein unterm Strich schlechter Finisher am Ring (56% - im 21. Perzentil), der zu oft geblockt wird, aber dem Eye-Test zufolge wurde er zuletzt besser darin, sich Platz zu verschaffen und auch mal gegen Kontakt abzuschließen.

https://youtu.be/802uk2uaHL0 (Opens in a new window)

Es kommt positiv hinzu, dass Cade über die letzten Wochen auch in seinem ohnehin seit Jahren besten Abschluss - dem Midrange-Jumper - noch einen Schritt nach vorn gemacht hat. Über die Saison trifft Cade gute 48% seiner langen Zweier und erinnert mit der Art und Weise, wie er sich zu seinen Jumpern schlängelt, bisweilen an einen relativ bekannten Point Guard, der mit zunehmendem Alter immer stärker abhängig von diesen Abschlüssen wurde.

https://youtu.be/gK2uxe7AYJM (Opens in a new window)

Dem aktuellen Trend zufolge verringert sich diese Abhängigkeit seitens Cade gerade. Er hat noch einen gewissen Weg vor sich, bevor man von einem echten Three-Level-Scorer sprechen kann, aber die Ansätze sind da. Er wirkt generell deutlich sicherer auf dem Court, was sich auch bei den Turnovern zeigt, die nicht mehr ganz so haarsträubend oft vorkommen wie noch in den ersten Saisonmonaten (3,1 seit der Pause). Er war schon immer ein guter Passer, nutzt den neu gewonnenen Respekt vor seinem Scoring weiterhin oft, um insbesondere Jalen Duren in Szene zu setzen. Es ist davon auszugehen, dass die starke Vision noch mehr durchschimmern würde, wenn der Teamkontext und das Spacing in Detroit etwas besser aussehen würden.

https://youtu.be/BZpV-S3U4gQ (Opens in a new window)

Die Pistons haben Hausaufgaben im Sommer. Die schlechteste Bilanz der NBA-Geschichte werden sie nicht aufstellen, den Rekord für die meisten Niederlagen am Stück nimmt ihnen zumindest in diesem Jahr keiner mehr. Jetzt sollte sich der Fokus darauf richten, wie sie insbesondere für Cade eine bessere Situation schaffen können. Dass sie entscheiden werden, ihm nach drei unterm Strich enttäuschenden Jahren trotzdem vorzeitig einen Rookie-Max-Deal vorzulegen, ist wohl anzunehmen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Cade mit seinen körperlichen und athletischen Voraussetzungen ein klassischer Nr.1-Scorer sein sollte, dafür sind mir viele seiner Abschlüsse Stand jetzt zu schwer und Varianz-abhängig, aber das muss er vielleicht ja auch gar nicht sein. Ein Spieler mit einem so breiten Skillset kann in mehr als einer Rolle, in mehr als einer Art von Team funktionieren. Die beste Version von Cade haben wir noch längst nicht gesehen.

THE PLUG

Für ran.de (Opens in a new window) habe ich gestern einen ausführlichen Blick auf die New Orleans Pelicans (Opens in a new window) geworfen. Diese (und vor allem Zion Williamson) waren auch Thema in der letzten Extrafolge Korbjäger Podcast (Opens in a new window).

Zudem sei an dieser Stelle mal wieder Hall of Game erwähnt: In der neusten Folge haben Len Werle, André Voigt und ich uns mit der Hall-of-Fame-Karriere des Christopher Paulus auseinandergesetzt.

https://steadyhq.com/de/hall-of-game/posts/ae4f355f-205c-4e7d-9cc4-c3bbf979f4ec (Opens in a new window)

SOUNDTRACK

Der FUNK!!!

https://open.spotify.com/intl-de/track/6gkO2o2Kc8N2UYkmP4TnO1?si=885c38341ca54f8d (Opens in a new window)

Bis zum nächsten Mal!

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