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Ückeritzer Fragmente VI

Ückeritz, Ferienhaus Strandidyll, 25.08. 2023

11.00 Uhr

Es scheint, als fehle ein Eintrag. Der gestrige Tag hieß Arbeit. Mails schreiben, ein paar organisatorische Dinge ...

... denn allmählich wirds wieder eng. Ich muss mehr machen, brauche gute Aufträge, wie solche, die mir Claudia bei der Leipziger Messe verschafft hatte. Ein paar Videoclips für ein paar tausend Euro … wenns nur ewig so weiterginge. Mit wenig Arbeit zu viel Geld...

Aber derzeit bin ich in der Phase des Schreibens. Und in der Phase des Schreibens kann ich nichts anderes tun. Morgens zwei bis vier Stunden tippen, meist sogar mehr, mich auswringen, im tiefsten Ich Erinnerungen aufstöbern, sie von allen Seiten betrachten, zu analysieren, auszuwerten, sie zu beschreiben … all das kostet so viel Kraft. Und je weiter eine solche Schreibphase zurückliegt, desto weniger erinnere ich mich daran, wie anstrengend das Schreiben eigentlich ist, denn es ist, zumindest in meinem Fall, (auch) immer die Beschäftigung mit dem Ich, mit Erlebnissen, die mich zu mir gemacht haben und machen, mit Dingen, die ins Unbewusste fielen, ins Unterbewusstsein geschoben, verbannt wurden, um das Ich, das Wesen, den Kopf, den Bauch vor der Realität und ihren Unwägbarkeiten zu schützen.

Ich will nicht das Wort Trauma überbelasten, will es nicht ins Irrelevante führen und seinen Sinn entfremden und doch denke ich, dass wir alle auch aus Traumata gebaut sind. Alles Geschehene, vom ersten Moment der Existenz an, formt uns. Ich glaube, dass es keinen Menschen gibt, der nicht sein Trauma, seine Traumata, mit sich herumschleppt. Viele wissen nicht, das da etwas in ihnen schlummert. Viele bemerken es gar nicht, weil sie sich hinnehmen und ihr Denken, Fühlen und Handeln nicht hinterfragen. Und vielleicht ist das gar der bessere Umgang mit sich selbst?

Doch im Schreiben liegt die Reflexion. Das Weiß einer leeren Seite ist der Spiegel, die Finger sind das Licht und die Buchstaben die Augen, die ins innerste Ich blicken und im Schlamm der gefressenen Vergangenheit wühlen, ihn aufwirbeln und so Vergrabenes zu Tage fördern.

Das strengt an. Das verbraucht Kraft und Energie. Das schafft eine müde Leere, setzt man den letzten Punkt des Tages. Dann muss man sich ausruhen, dann muss ich mich ausruhen und alles andere, das Notwendigkeit heißt, bleibt liegen. (Jedem schreibenden Menschen sollte ein Adjutant zu Seite gestellt werden, ein Sekretär oder eine Sekretärin, die sich um dieses Notwendige kümmert, in der Phase des Schreibens.)

Ich bräuchte ein zweites Ich. Einen Klon bräuchte ich. Meinen Klon, den ich zum Funktionär erziehen würde. Zur Bürokraft, zum Arbeiter, der parallel die Notwendigkeiten abarbeitet, der mein Denken ist wie mein Fühlen, meine Hände, Arme, Beine, Füße … und der nicht trinkt … der nicht raucht … der mir in dunklen Zeiten des Verfalls Organspender ist, mir Leber gibt und Lunge, Magen auch und Niere, Galle und Gedärm, Blase und Gehirn … der lächelt, wenn er ausgenommen wird, mich zu retten. Wie wäre das … ich rette mich selbst …

"Aber das kannst du auch ohne Klon!" höre ich DICH sagen. "Du kannst dich selbst retten." sagst Du. Wie deutlich ich dich hören kann. Wie deutlich sich DEIN Zeigefinger aus dem Nichts kontrastiert ... Damit habe ich angefangen. Zaghaft habe ich damit angefangen… die ersten Yoga Übungen habe ich begonnen ... vorgestern ...

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