Die digitale Apokalypse in der Kommentarspalte

Sie verstehen nichts, aber glauben, alles zu durchschauen, und posten es auch noch.
Herrrreinspaziert! Kommen Sie, treten Sie ein!
… in den Internetzirkus der Selbstüberschätzer, in dem Halbwissen, Arroganz und Ignoranz zu einer toxischen Suppe verkocht werden, die uns täglich in den Kommentarspalten entgegenschwappt.
Der Maulkorb-Gedanke: Verboten, aber verführerisch
Du liest drei Kommentare unter einem harmlosen Artikel, vielleicht über einen neuen Fahrradweg oder ein Tempolimit. Und plötzlich bist du wütend auf die gesamte Menschheit. Nicht wegen des Themas, sondern wegen denjenigen, die meinen, ihr gefährliches Halbwissen, ihre pseudologischen Überzeugungen und ihre selbstgefällige Ignoranz ins Netz kotzen zu müssen, als wären sie Moses mit zwei iPads unterm Arm.
Und dabei geht’s selten um Wissen. Es geht ums Machtgefühl. Um dieses satte, warme Überlegenheitsgefühl, wenn man gegen den „Mainstream“ wettert und sich dabei als “Einziger, der noch klar sieht”, inszeniert. Es ist nicht einfach nur Dummheit, das wäre ja noch schön. Es ist dieses süffisante Grinsen im Profilbild, gepaart mit der Haltung: „Ich bin nicht wie ihr. Ich bin wach.“
Natürlich weißt du, dass es keinen digitalen Maulkorb geben darf. Meinungsfreiheit und so. Aber innerlich träumst du davon, dass es einen kleinen Online-Buzzer gäbe, mit dem man Leute einfach mal für 48 Stunden auf Flugmodus schalten kann. Nur kurz. Für den Weltfrieden.
Der „Social Media-Führerschein“: Utopie oder letzter Ausweg?
Ein Gedanke kriecht in dir hoch: Internet-Führerschein klingt vielleicht erstmal wie Satire, aber mal ganz ehrlich: Wenn man einen Roller nur mit Prüfbescheinigung fahren darf, warum dann bitte Social Media-Plattformen ohne Hirn betreten? Wer bewusst Fake News verbreitet oder „Hinterfragt doch mal ALLES!!11“ schreit, ohne jemals auch nur einen einzigen seriösen Nachrichten-Artikel fertig gelesen zu haben, sollte nicht mehr posten dürfen als seine eigene Schuhgröße.
Wie würde ein solcher Social Media-Führerschein aussehen?
Theorieprüfung mit den Basics: Quellenkritik, Argumentationslogik, und ganz wichtig: dem Unterschied zwischen Meinung und Fakt.
Praktischer Teil: Nicht bei jedem Artikel sofort in die Kommentare koten. Sondern lesen. Verstehen. Nachdenken. Und dann immer noch nichts posten, wenn’s Blödsinn ist.
Aber stell dir mal vor, man würde das tatsächlich vorschlagen. Laut würde es werden! Sooo laut! Denn dann brüllen dieselben Leute, die ständig „Eigenverantwortung!“ krähen, sofort: „Zensur! Unterdrückung! Orwell!“, während sie gleichzeitig stolz eine Facebook-Seite betreiben, auf der sie mindestens fünfmal täglich schreiben, dass man ja nichts mehr sagen dürfe.
Ignoranz mit Attitüde: Das neue Statussymbol
Früher war es peinlich, keine Ahnung zu haben. Heute wird’s mit Stolz getragen, wie es scheint. Die Leute, die sich niemals trauen würden, einen wissenschaftlichen Text zu lesen, brüllen am lautesten über „die Lügen der Wissenschaft“. Wer bei einer Ampel überfordert ist, hält sich plötzlich für den geopolitischen Mastermind, weil er einen YouTube-Zusammenschnitt mit dramatischer Musik gesehen hat.
Und das Schlimmste: Sie sehen sich nicht als Teil des Problems. Nein, sie sind die „kritischen Geister“. Die letzten Freidenker. Die Robin Hoods des Bullshits. In Wirklichkeit sind sie einfach nur die lautesten im Raum, die sich gegenseitig bestätigen und aber genau nix verstanden haben. Und damit sind sie auch die gleichgültigsten. Gleichgültig gegenüber Wahrheit. Und gegenüber den Konsequenzen ihrer Worte.
„Die Wahrheit tut weh!“ - Ja, aber nicht so, wie ihr denkt
„Ich sag halt, was ich denke!“ Mhm. Eh. Und genau das ist das Problem. Denken bedeutet nicht, den nächsten Impuls ins Handy zu schreien. Es bedeutet, Informationen zu prüfen, Hintergründe zu kennen, und manchmal: die Klappe zu halten, wenn man nichts beizutragen hat. Das tun die „Ich durchschau alles“-Poster nie. Sie hauen lieber drauf, nennen Fakten „Narrative“, Experten „Systemlinge“ und fühlen sich bei jeder Gegenrede im Recht – denn wer widerspricht, bestätigt sie ja nur in ihrem Opfermythos.
Der persönliche Kollateralschaden
Du sitzt da, hyperventilierst beim Scrollen, denkst: „Wofür das alles?“ Und dann trifft es dich: Ohne das Internet gäbe es deinen Job nicht. Ohne das Netz würdest du vielleicht selbstgetöpferte Keramik auf einem staubigen Flohmarkt verkaufen, barfuß in alten Jeans, mit dünnem Kaffee in der Thermoskanne und völlig entspannt, weil dir kein Hans-Wurst aus Schasklappersdorf „Fragen darf man ja wohl noch!!“ ins Ohr brüllt.
Aber nein, du bist hier. Du kämpfst. Mit Verstand, mit Fakten, mit Ironie (und manchmal mit dem Wunsch, den Router einfach anzuzünden).
Die große Aufklärung läuft, aber rückwärts
Unsere Zeit ist bemerkenswert: Wissen ist so zugänglich wie nie zuvor, und doch entscheiden sich viele lieber für das Gegenteil: Ignoranz mit Haltung. Sie wollen nicht lernen. Sie wollen sich überlegen fühlen. Und das geht nun mal am leichtesten, wenn man sich selbst zum Opfer einer erfundenen Elite erklärt.
Was steckt dahinter? Der Nervenkitzel einer Art Revolution? Hauptsache, sie fühlen sich dabei wie digitale Freiheitskämpfer?
In Wahrheit stehen sie in ihrer Filterblase und wedeln mit ihren “iPad-Tafeln”, während der Rest der Welt versucht, den Schaden zu reparieren, den sie hinterlassen.
Fazit
Es ist keine Schwäche, wütend zu sein. Es ist ein Zeichen, dass dir was daran liegt, dass der Irrsinn nicht die Oberhand gewinnt. Also bleib wütend. Bleib laut. Aber denk dran: Die Dummheit im Netz ist wie Schimmel: Wenn man sie ignoriert, breitet sie sich aus.
Also: Atemmaske auf, Ironie scharfstellen, und weiter rein ins Info-Schlachtfeld. Wer soll’s denn sonst machen? Elon Musk?
Aber vielleicht wär Keramik töpfern doch der gesündere Job.

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