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Herzen in Einklang

Redebeitrag von Masjid al-Muṣawwir zur Demo „Wähl Liebe“ am 15.02.2025 in Frankfurt am Main, bundesweit organisiert von den CSDs

As-salamu ʿalaykum, Frankfurt!

Es ist unbeschreiblich so viele wunderschöne, linke Herzen hier zu sehen! Ich bin Marco Yasin Linguri. Ich bin Imam bei der Masjid al-Muṣawwir, einem inklusiv-islamischen Kollektiv für Empowerment und Solidarität. Und: ich soll euch alle herzlich von meiner Gemeinde grüßen, die gerade in unterschiedlichen Städten auf der Demo steht.

Beginnen wir mit einem Koranvers: Sure 3, Vers 103:

Aʿūḏu bi-Llāhi mina š-šayṭāni r-rajīm. Bi-smi llāhi r-raḥmāni r-raḥīm. "Haltet alle fest am Seil Gottes und spaltet euch nicht! Und gedenkt der Gnade Gottes an euch, als ihr Feinde wart: da brachte er euch in Einklang in euren Herzen, und so wurdet ihr durch seine Gnade Geschwister."

Vor 1400 Jahren gab es Menschen, die die ersten Muslim*innen verfolgt, gefoltert, getötet haben. Bis sie ihr Zuhause in einer anderen Stadt fanden. Aber: nicht in Geflüchtetenhäusern außerhalb der Stadt, ohne Arbeitserlaubnis und auch nicht als Deutsche auf Bewährung mit Drohung von Remigration, sondern als wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Der Prophet (ṣallā Llāhu ʿalayhi wa-sallam) war dort Streitschlichter, hat vermittelt und brachte Frieden. Gemeinsam haben Menschen aller Gruppen dort einen Stadtvertrag miteinander geschlossen. Eine Utopie gelebt und jahrelangen Frieden.

Das passiert, wenn man sich nicht spalten lässt!

Wir dürfen die Wurzeln des Faschismus nicht unsere Herzen spalten lassen! Lasst uns eine solidarische Gemeinschaft schaffen, die niemanden ausschließt! Eine Gemeinschaft, die Diskriminierungserfahrungen anerkennt und Privilegien mitdenkt. Eine Gemeinschaft, in der niemand gegen niemanden ausgespielt werden kann.

Ich stehe hier als Muslim, als trans Mann und als Autist. Und ich stehe hier als Imam einer inklusiven Moschee, die sich einen dunkelroten Sichelmond als Logo ausgesucht hat, weil wir stolz sein dürfen muslimisch zu sein - und links.
Unsere Existenz ist Widerstand. Unsere Liebe ist Widerstand. Unser Stolz ist Widerstand.

Rechtes Gedankengut – egal wie stark ausgeprägt, egal bei welchem Menschen oder welcher Partei - ist eine Gefahr. Eine Gefahr für queere, für inter*geschlechtliche, für migrantische Menschen, für Frauen und Mädchen, für behinderte Menschen, für Sexarbeiter*innen, für Jüdinnen*Juden, für Sinte*zze und Rom*nja, für Muslim*innen, für alle, die nicht in deren völkisches Weltbild passen.

Wählt Liebe.

Liebe ist aber nicht nur ein Wort. Liebe ist eine Handlung. Liebe ist, sich zu verbünden. Liebe ist, füreinander einzustehen. Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind. Nochmal: Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind. Freiheit gibt es nur für alle oder für niemanden. Deshalb stehen wir hier. Deshalb kämpfen wir.

Faschismus gewinnt, wenn wir uns spalten lassen. Wenn trans* Personen als Gefahr für Kinder und Muslim*innen als Gefahr für Queers dargestellt werden. Das ist eine Strategie der Rechten: Sie wollen, dass wir uns misstrauen, dass wir gegeneinander kämpfen, dass wir vergessen, dass wir gemeinsam gegen sie kämpfen könnten. Faschismus beginnt dort, wo wir uns gegenseitig abwerten, wo wir uns klein halten, anstatt uns gemeinsam zu stärken.
Deshalb stehen wir hier. Deshalb kämpfen wir. Deshalb wählen wir. Nicht nur für uns selbst, sondern für alle, die nicht hier stehen können, alle, die Angst haben, alle, die bereits zu viel Gewalt erlebt haben.

Und wir werden uns nicht beruhigen!

Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, dass die Gesellschaft nach rechts abdriftet. Wer glaubt, es betrifft ihn nicht, hat nicht genau hingeschaut. Wir müssen verstehen, dass alle Menschenfeindlichkeit aus der gleichen Wurzel wächst. Deshalb heißt es strukturelle Diskriminierung. Wer glaubt, eine Form der Diskriminierung bekämpfen zu können, ohne sich mit anderen Formen der Unterdrückung auseinanderzusetzen, hat nichts verstanden und wird scheitern.

Also: Nutzt Privilegien, wo ihr welche habt, seid solidarisch, kämpft für eine gerechte Gesellschaft – für alle!

Stellt euch vor, wir wären die, die das System gemeinsam besiegen und eine Welt aufbauen, in der mehrfach marginalisierte Menschen im Zentrum stehen. Das ist die Welt, um die ich Allah jeden Abend im Gebet bitte.

Barrak Allāhu fīk. Danke, dass wir heute hier zusammenstehen. Möge der Segen Allahs mit euch allen sein. Ich bin Marco, trans Mann und Muslim. Meine Familie kam aus der Türkei hierher, weil wir dort als ethnische Minderheit verfolgt wurden. Ich bin hier in Frankfurt geboren – hib de Bach als eschder Frankfurter Bubb. Und ich bin Imam in der Masjid al-Muṣawwir, einem inklusiv-islamischen Kollektiv für Empowerment und Solidarität.

Steht an meiner Seite, steht an unserer Seite!

Steht mit mir auf gegen rechts, gegen Queerfeindlichkeit, gegen Antimuslimischen Rassismus, gegen Faschismus. Steht mit mir Schulter an Schulter. Lasst uns zusammenhalten. Lasst uns lieben. Lasst uns kämpfen – nicht nur heute, sondern jeden Tag – für eine Welt, in der alle frei und sicher leben können!

Topic Identität & Glaube

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