Lieber* vergendert
Versteht mich nicht falsch, ich bin super glücklich, dass viele cis Personen mittlerweile auf dem Schirm haben, dass genderneutrale Sprache eine gute Sache ist. Und das ist wirklich eine wichtige Notwendigkeit, wenn es allgemein oder für Menschen, bei denen es die korrekte Anrede ist, verwendet wird. Ich bin froh, dass das so passiert. Nur wie bei jedem Lernprozess, gibt es einige, die übergeneralisieren, weil sie z.B. Angst haben.
Schaut mal. Ich bin ein Mann. Völlig binär. Wenn ihr mich benennen wollt, habt ihr eine doch recht gut bekannte Option, die Maskulinum heißt. Exakt genau gleich wie bei einem cis Mann eben - weil cis Männer und trans Männer beides Männer sind. Für dieses Maskulinum habe ich gekämpft. Sehr lange.
Es gibt Formen wie Mitarbeiter*innen, die wiederum Menschen aller Geschlechter bezeichnen sollen. Aber ihr merkt sofort: Hier geht es um eine unbestimmte Menschengruppe. Beispiel: „Student*innen lernen in der Regel die letzten 4 Wochen vor der Klausur am meisten.“ Hier geht es um Menschen, die nicht bekannt sind, die studieren.
Gegenbeispiel: „Amira studiert hier. Sie als Studentin der Goethe-Uni kann uns sicher mehr über ihren Campus erzählen.“ Hier wird eine konkrete Person gegendert. Amira verwendet das Femininum für sich und wird mit femininen Bezeichnungen und Pronomen beschrieben.
Okay, so weit, so gut. Wenn es also um eine Person geht und geschrieben wird „Die Person studiert und kann uns da bestimmt mehr darüber sagen, so als Student*in der Goethe-Uni.“ (Oder noch besser: “Die Person studiert hier und kann uns bestimmt mehr über die Goethe-Uni sagen!”), ist die Person hier genderneutral dargestellt. Man merke den feinen Unterschied: Hier wird eine Person direkt genderneutral bezeichnet. Wenn wir die Person aber kennen und die Person sehr klar er-Pronomen und das Maskulinum verwendet und z.B. als trans Mann schon oft das Maskulinum verwehrt bekommen hat, ist das ein klarer Fall von Misgendering, d.h. eine schmerzhafte Bezeichnung mit falschem Pronomen.
Neulich bekam ich noch etwas Schöneres ab: „Lieber* Marco,…“ Wow, Moment…! Also, du hast erkannt, dass ich männlich bin, möchtest aber sprachlich noch dazu sagen, dass ich kein richtiger Mann bin, oder wie? Nein, okay, es war sicher ganz lieb gemeint. (Siehe dazu gerne „Well meaning cishets“ (Opens in a new window), dazu gibt es ganze Parodie-Seiten auf Insta) Also, wolltest du mich vorsichtshalber genderneutraler machen, weil genderneutral ja niemandem weh tun kann?
Ach, eigentlich ist es mir egal, warum. Was ich sehe, ist, dass wohl einige nicht ganz verstanden haben, wofür man genderneutrale Termini verwendet. Und deshalb mal wieder ein Artikel mit Bildungsauftrag.
Kurzgefasst: genderneutrale Formen verwendet man für a) unbestimmte Menschengruppen (Liebe Kolleg*innen), b) unbestimmte Menschen im Singular, wenn sie z.B. in ihrer Funktion benannt werden („Ein*e Anwält*in sollte im allgemeinen….“) und c) Menschen, die genderneutrale Formen für sich selbst verwenden.
Und nochmal auf den Punkt gebracht: Menschen, insbesondere trans Menschen, die deutlich sagen, dass sie ein Genus (z.B. Femininum) und die dazugehörigen Pronomen verwenden, mit genderneutralen Worten im Singular anzusprechen ist Misgendering.
Rant Ende. Danke für die Aufmerksamkeit. 😀