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Dämlack in Distress oder auch: Väter, liebt eure Söhne!

Tachchen, hier schreibt Laura. Willkommen im Proseminar Feministische Filmanalyse. Ich habe den neuen Super Mario Bros.-Film gesehen und für gut befunden. Insofern ist diese Ausgabe des Newsletters eine Art extended Lila-Tipp. Plus Nerdwissen und Spoiler. (Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!)

Die Klempner-Brüder Mario und Luigi wollen bei einem Großeinsatz in Brooklyn helfen, als sie versehentlich von einem mysteriösen Rohr eingesaugt werden und in zwei verschiedenen Welten stranden. Mario landet im Pilzkönigreich, regiert von Prinzessin Peach. Luigi landet im Dunkelland, wo der Schurke Bowser den Ton angibt und seine Gefangenen in kleinen Käfigen bis zum jüngsten Tag von der Decke baumeln lässt.

https://youtu.be/XIbbR2CKbZU (Opens in a new window)

Mario muss seinen kleinen Bruder retten. Dafür braucht er Hilfe. Und wer könnte dafür besser geeignet sein, als eine Prinzessin? Diese Prinzessin kann nämlich alles, und damit sind wir schon mittendrin im Thema. Bislang kannte man Prinzessin Peach als typische Damsel in Distress, übersetzt sowas wie die Jungfrau in Nöten. Das ist ein uraltes Erzählmuster, das uns bereits seit der Antike begleitet.

Zur Belohnung gibt's ne Frau

Schon bei den alten Griechen gab es die Figur der Andromeda. Die Story geht ungefähr so: Ein Typ war sauer auf Andromedas Mutter. Also schnappte er sich Andromeda, schmiedete sie an einen Felsen und überließ sie dort dem sicheren Verspeisungstod durch ein Untier. Dann kam ein anderer Typ namens Perseus, rettete Andromeda und nahm sie zur Belohnung zur Frau. Ob sie das auch wollte, ist nicht überliefert, aber das Prinzip Konsens hat sich ja bis heute noch nicht zu 100% durchgesetzt.

Warum ich euch das erzähle? Weil dieses alte Narrativ uns bis heute immer wieder in Serien, Büchern und Co. aufs Neue lauwarm aufgetischt wird und es erfrischend ist, zu sehen, wenn es anders gemacht wird. (Wird es schon immer öfter, aber hey, im Mainstream?) Prinzessin Peach kannte man vier Jahrzehnte lang als weitgehend charakterlosen Sidekick von Super Mario in den gleichnamigen Computerspielen. Die meiste Zeit hockte sie in einem Turm und wartet darauf, gerettet zu werden.

Super-Mario-Film sprengt Rekorde

Nun bin ich absolut keine Gamerin. Also so gar nicht: Als kleines Mädchen bin ich bei Super Mario Kart immer in die falsche Richtung gefahren und habe fortan beschlossen, dass Autofahren und Computerspiele halt was für Jungs sind. Aber nach allem, was ich mitbekommen habe, ist das in der Gamingszene ein Riesending, dass es jetzt diesen Film gibt. Im Übrigen eine Kooperation von Nintendo mit Illumination. Das sind die mit den Minions. Auf den einschlägigen Seiten wurden Countdowns gezählt und den Veröffentlichungen einzelner Trailer entgegengefiebert. Nun ist der Film draußen und hat über Ostern an den Kinokassen bereits Rekorde gesprengt (Opens in a new window).

Apropos Ostern: In der Filmsprache meint man mit dem Begriff Easter Eggs im Film versteckte Anspielungen. Dieser hier ist natürlich randvoll mit Anspielungen auf die Super-Mario-Spiele. Was ich aber noch viel cooler finde: Er ist ebenso randvoll mit feministischen Easter Eggs. Das fängt schon mit der Rolle von Prinzessin Peach an:

In dieser Verfilmung ist Prinzessin Peach die heimliche Hauptdarstellerin und Mario eher eine Art Sidekick. Man könnte auch sagen, dass die Macher*innen das Prinzip der Damsel in Distress umgedreht haben. Das muss man nicht nur gut finden, aber dazu später mehr.

Fit mit Peach

Diese Prinzessin kann wie gesagt alles und das erfahren wir auch gleich zu Beginn der Held*innen-Reise, als Mario auf den freundlichen kleinen Pilz Toad trifft. (Frage an die Mario-Nerds: Die heißen alle so, oder? Schreibt mir gern an laura.lucas@lila-podcast.de) Bei ihrer ersten Begegnung wirft Peach Mario erst einmal mit einem gekonnten Karategriff auf den Rücken.

Wenn du es da durch schaffst, nehme ich dich mit. Pass auf und lerne.

Als Waisenkind im Pilzkönigreich aufgewachsen und mit den Herausforderungen einer Computerspielwelt bestens vertraut, muss sie den Schluffi Mario zunächst trainieren, um ihn fit zu machen im Kampf gegen den fiesen Bowser, der seinen Bruder mit dem Tod bedroht. Sie schickt Mario in einen für die Computerspiele typischen Parcours – mit den Worten: “Wenn du es da durch schaffst, nehme ich dich mit. Pass auf und lerne.”

Ja, richtig: Sie hat „mitnehmen“ gesagt. Peach rettet Luigi nämlich eher so nebenbei. Ihre eigentliche Mission ist es, das Pilzkönigreich vor der Invasion durch Bowser und seine Zombieschildkröten zu bewahren. Kein Wunder also, dass ihr Pilzvölkchen bei der großen Ansprache kurz vor der Rettungsmission fragt: „Wer ist denn der da?“ und Peach antwortet: „Er ist nicht wichtig!“. Autsch für Mario (-Fans) aber auch irgendwie saucool.

Die Heilige Dreimännlichkeit

Peach, Mario und Toad machen sich also auf den Weg. Erstmal zu Cranky Kong. Sie wollen sich dessen Armee ausleihen. Der verleiht seine Truppe aber nicht einfach so. Erst muss Mario in einer Art Gladiatorenkampf gegen Sohnemann Donkey Kong kämpfen. Den kennt man auch aus den Nintendo-Spielen. Donkey Kong ist neben Mario und Bowser der dritte im Bunde der Heiligen Dreimännlichkeit.

Nicht nur haben die Macher*innen das Prinzip der Damsel in Distress umgedreht, sie haben auch viele kleine Kommentare auf (toxische) Männlichkeit eingebaut. Wie jeder „richtige Mann“™ hat Donkey ordentlich Muckis, ein Aggressionsproblem und einen Vaterkomplex. Das verbindet ihn im Übrigen mit seinem anfänglichen Kontrahenten Mario, denn auch dessen Vater hält ihn für eine Witzfigur. (Nur dass Mario das mit einem Helferkomplex kompensiert.)

Love Interest ohne Interest

Als Bowser im Dunkelland spitzkriegt, dass Mario im Anmarsch ist, möchte er als allererstes wissen: „Finden Prinzessinnen ihn attraktiv?“ Denn: Auch in diesem Film ist die (einzige) weibliche Rolle der Love Interest (mindestens) eines Mannes. Aber auch das wurde hier wieder ziemlich charmant gelöst. Dieser Love Interest hat nämlich nicht die geringste Absicht, sich heiraten zu lassen. Und: Wir können sogar so etwas wie Empathie für den Schurken entwickeln. Der liebestolle Bowser hat einen fetten Selbstwertmangel und nie gelernt, mit seinen Gefühlen umzugehen. Eigentlich möchte er Peach mit Klaviermusik und Blumen von sich überzeugen. Aber wenn das nicht klappt, dann eben mit Gewalt. Wir sehen hier also einen, wie ich es liebevoll nenne, „Dämlack in Distress“.

Ich könnte so noch stundenlang weitermachen und von Feministischer Außenpolitik, Magic Mushrooms gegen das Patriarchat und spermienförmigen Riesenraketen schreiben. Aber vielleicht treibt es meine Fantasie da auch zu bunt, immerhin sprechen wir hier von einem Kinderfilm.

Schlumpfine lässt grüßen

Kommen wir also zu den Wermutstropfen: Man hätte vielleicht noch originellere Ideen finden können, statt das Narrativ Damsel in Distress einfach nur umzudrehen. Was wir brauchen, sind vielfältige Figuren. Gängige Geschlecherklischees schlicht ins Gegenteil zu verkehren, ist auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Ein bisschen geärgert habe ich mich auch darüber, dass Peach unbedingt einen sexy hautengen Anzug tragen und ein pinkes Motorrad fahren muss. Bei wohlwollendem näheren Hinsehen kann ich darin die Botschaft erkennen, dass hübsch eben nicht gleich dümmlich und hilflos ist und rosa auch für Stärke stehen kann.

Dann wäre da noch das Schlumpfine-Prinzip. Diesen Begriff hat die Schriftstellerin und Kritikerin Katha Pollitt bereits Anfang der 1990er-Jahre geprägt. Sie beschreibt damit ein gängiges Muster in Film, Fernsehen und Literatur: Einer rein männlichen Gruppe von Protagonisten mit differenzierten Charaktereigenschaften wird eine einzige weibliche Figur zur Seite gestellt, deren Hauptmerkmal ihr Geschlecht ist.

Voll cool, das Mädchen

Auch in diesem Film ist Peach die einzige erkennbar weibliche Figur. Wenn auch viel differenzierter dargestellt. Immerhin: Nach der Kinovorführung hörte ich ein Gespräch zwischen zwei Mädchen auf der Toilette. Das eine sagte: „Ich fand das Mädchen am besten!“ und das andere ergänzte: „Voll cool, so eine richtige Karate-Prinzessin“. Ich finde, es gab schon viel schlimmere Ergebnisse als das. Und wenn der eine oder andere "richtige Mann"™ seinen Sohn ab sofort häufiger in den Arm nimmt, ist ebenfalls schon viel gewonnen.

Es gibt wohl auch Menschen, die den Film dünn finden und eine Handlung vermissen. Ich jedenfalls hatte großen Spaß. Am besten seht ihr selbst. Und im Anschluss könntet ihr noch(mal) "Mad Max: Fury Road" gucken. Ihr werdet Parallelen finden.

Bis neulich!
Eure Laura

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Bilder: Unsplash / Ryan Quintal

 

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