Be a human’s human
Na, wie sieht eure For You-Page so aus? Memes, politische Diskussionen,
feministische Literaturempfehlungen, Tiervideos, kritische Männlichkeit,
Brownierezepte? Same. Hier schreibt heute übrigens Tabea. Ich bin im Mai als Hospitantin beim Lila Podcast dabei.
Wer wie ich seinen Insta-Algorithmus (größtenteils) erfolgreich auf linke, queerfeministische, empowernde Inhalte trainiert hat, vergisst manchmal, dass das (leider) nur eine von vielen Realitäten des world wide webs ist. Während mir Heidi Reichinnek zuruft, dass wir eine gerechtere Welt erschaffen können, werden anderen User*innen zahlreiche Videos junger Frauen ausgespielt, die einen straight zurück in die 1950er katapultieren.
Lange Kleider, viele Kinder, große Küche, im Gesicht ein strahlendes Lächeln und unterm Arm eine Schüssel mit selbst gerührter Butter – darüber ein Voice Over über die Vorzüge des Lebens als Mutter und Ehefrau, die ihr ganzes Sein darauf auslegt, dass es ihrem Mann gutgeht, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt.

Foto von Provincial Archives of Alberta (Opens in a new window) auf Unsplash (Opens in a new window)
What the fuck: Womanosphere?!
Tradwives, SkinnyTok und Co. – das Kind hat endlich einen Namen:
Womanosphere. Klingelt da was? Genau, klingt wie Manosphere. Ein
Internetphänomen, das wir bereits in unserer Folge „Radikalisierung von jungen Männern auf TikTok verhindern“ (Opens in a new window) besprochen haben, und das
spätestens durch die virale Netflixserie „Adolescence“ in den öffentlichen
Diskurs gefunden hat. Über die Stärken und Schwächen der Serie hat Laura Ende März im Newsletter (Opens in a new window)geschrieben.
Trotzdem ein kurzer Reminder: Bei der Manosphere handelt sich um eine antifeministische Bewegung, die sich an junge Männer richtet und insbesondere auf Social Media misogyne Inhalte propagiert. Das Ziel: Zurück zu alten, binären Rollenbildern vom mächtigen Mann und der ihm unterlegenden Frau.
Die Womanosphere funktioniert äquivalent dazu und richtet sich gezielt an junge Frauen. Dating Tips, Diät Tips, Coaching in Sachen weibliche Energie, bis hin zu mehr oder weniger offenem rechten Gedankengut. Betrachtet man das Ganze genauer, (Opens in a new window) fällt auf, dass sich die Inhalte der Womanosphere (Opens in a new window) ebenfalls Female Empowerment zunutze machen, nur eben in einer ganz anderen Form als es in der queerfeministischen Bubble stattfindet.
Wenn euch das Thema interessiert, hört doch mal in eine dieser Lila Podcastfolgen rein:
Optimiert für den Male Gaze
Jungen Frauen wird ein gesellschaftlicher Wert zugeschrieben – allerdings in ihrer Rolle als loyale Ehefrau, die mit vermeintlich weiblichen Attributen wie Fürsorge und Zurückhaltung ihren Mann glücklich macht und möglichst viele Kinder auf die Welt bringt. Junge Frauen sollen sich um ihren Körper kümmern, sportlich sein und sich gesund ernähren – mit dem Ziel, dünn zu sein, sich für den Male Gaze zu optimieren und so bessere Chancen beim
Dating zu haben.
Für die Verbreitung solcher „Werte“ (Ehe, Familie, Jugend, Fruchtbarkeit, Fuckability, sexuelle Verfügbarkeit etc.) wird in der Womanosphere ein Gefühl der Gemeinschaft erzeugt. Es sind junge Frauen, die anderen jungen Frauen vermeintlich wohlgemeinte Ratschläge geben. Dabei wirken manche harmlos (z. B. darmfreundliche Rezeptideen), während sich andere Content Creatorinnen offen gegen den modernen Feminismus positionieren und ihn zum Untergang essenzieller gesellschaftlicher Werte postulieren.
Ganz schön rückwärtsgewandt
Diese Ansicht vertreten auch Magazine wie Evie oder The Conservateur.
Ersteres rühmt sich mit der Behauptung: „Our often contrarian opinions
don’t tell readers what to think, but rather give them enough to think
about.” Blättert man weiter, folgen Schlagzeilen wie „Burning Questions:
I’m A Virgin. How Do I Make My Wedding Night Go Smoothly?”, „Why I
Love Being A Hot Mom” und „Body Positivity Is A Cope”. Bisschen
widersprüchlich, wenn ihr mich fragt.
Offenbar haben wir die Zeit von frauen- und queerfeindlichen, bodyshamenden Zeitschriften doch noch nicht ganz hinter uns gelassen. So frustrierend dieser Backlash sein mag, Fakt ist: Es ist nicht der erste seiner Art. Wie jede große Bewegung, wird auch der Feminismus von Beginn an mit Gegenbewegungen konfrontiert. Susan Faludi hat sich bereits vor 34 Jahren in ihrem Buch „Backlash“ (Opens in a new window) mit diesem Phänomen auseinandergesetzt. Das Wissen darum macht Rückschläge wie die Womanosphere zwar nicht weniger ernst, aber vielleicht ein bisschen weniger erschreckend.
In diesem Sinne: Trust the process. And while you’re at it: Be a girl’s girl. Oder noch besser: Be a human’s human.
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https://lila-podcast.de/unterstuetzen/ (Opens in a new window)Liebe Grüße, eure Tabea