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Noltes Notizen | 20. Januar 2023

Liebe KLup-Freund:innen,

während ich euch diesen Newsletter schreibe, klingen vom nahen Prinzipalmarkt Rede-Fetzen und Musik herüber. Es sind vielleicht 300 Meter, die unsere Redaktion von Münsters "Guter Stube" zwischen Lambertikirche und Historischem Rathaus trennen. 

Bis gerade eben saß ich noch allein in unserem kleinen Großraumbüro unterm Dachjuchee, aber in diesen Minuten kommen drei meiner Kolleg:innen zurück, um richtig loszulegen: Unser Reporter Michael Bönte (Opens in a new window), unsere neue Video-Reporterin Meike Hans (Opens in a new window)und unser Volontär Paul Hintzke (Opens in a new window) waren bei der großen Demonstration gegen den Neujahrsempfang der AfD mit deren thüringischem Landesvorsitzenden Björn Höcke im Rathaus. 

Demonstration gegen die AfD auf Münsters Prinzipalmarkt. (Foto: Michael Bönte)

Politik 1 - Münster

Mehr als 5.000 Menschen sind dort nach Polizeiangaben zusammengekommen, um gegen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus und für Toleranz, Menschenfreundlichkeit und Vielfalt zu demonstrieren. In Münster kommt diese Partei wunderbarerweise nur auf unter drei Prozent Stimmen - das ist Minimalrekord in Deutschland. Ich geb' es ganz offen und sehr gern zu: So etwas macht mich ziemlich stolz auf meine Heimatstadt. 

Nachdem sie live auf unserem Instagram-Kanal direkt vom Prinzipalmarkt berichtet haben, machen sich meine drei Kolleg:innen jetzt daran, ihr gesammeltes Material zu Video-Reportage, Social-Media-Story und Bericht zusammenzubasteln. 

Meike Hans und Michael Bönte beim Schnitt für ihr Video.

Paul Hintzke produziert eine Story für Instagram.

Die Ergebnisse von Michael, Meike und Paul findet ihr so schnell wie möglich auf allen unseren Kanälen:

Natürlich waren auch diverse kirchliche Verbände wie der Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ), die Katholische junge Gemeinde (KjG) und die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) bei der Demo vertreten - und auch in unseren Interviews. Schon aus diesem Grund waren wir natürlich dabei und berichten.

Politik 2: Nordirak

Ohnehin sind wir in diesen Tagen ziemlich politisch unterwegs. Gestern Morgen hat der Bundestag einstimmig den Genozid der Terrormiliz "Islamischer Staat" an den Jesid:innen im Irak als Völkermord anerkannt (Opens in a new window). Die Jesid:innen sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden - mit mehreren hunderttausend Mitgliedern weltweit und 80.000 in Deutschland. Ihr Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum. Tausende Jesid:innen wurden ab August 2014 vom IS aus ihrer Heimat im  Nordirak vertrieben, versklavt oder ermordet. Systematisch wurden Frauen  und Kinder vergewaltigt. 

Nur wenige Minuten nach der beeindruckend klaren Bundestagsentscheidung konnten wir dieses Thema "herunterbrechen", wie wir Journalist:innen sagen: Wir zeigen regionale oder lokale Anknüpfungspunkte für dieses internationale wie nationale Thema. Weil sich die Abstimmung im Bundestag schon vor einigen Tagen abzeichnete, sind wir flugs aktiv geworden. Das Ergebnis: hochaktuelle Reaktionen von Ömer Sahin, ein seit 40 Jahren in Münster lebender Jeside, und von Jochen Reidegeld, Priester des Bistums Münster und ein wahrer Freund der Jesid:innen, der mehrfach in der Türkei und im Nordirak war. Den Beitrag von Michael Bönte dazu findet ihr hier. (Opens in a new window)

Einen weiteren, ziemlich besonderen Beitrag zum Thema haben wir heute veröffentlich: Mein Kollege Michael Rottmann (Opens in a new window) hat mit Schwester Makrina von der Benediktinerinnenabtei Dinklage im Landkreis Vechta gesprochen (Bild oben, 2. von rechts | Foto: privat). Sie will die Kultur der Jesid:innen im Nordirak dokumentieren und war dafür erst im Dezember im Shingal-Gebirge unterwegs. Die Geschichte über das Projekt der beeindruckenden promovierten Kirchenhistorikerin und gebürtigen Kalifornierin lest ihr hier. (Opens in a new window)

Politik 3: Berlin und überall

In der kommenden Woche geht es politisch weiter. Bis zum Frühjahr will (und muss) der Bundestag Regelungen darüber gesetzlich manifestieren, wie ein assistierter Suizid von statten gehen kann. Das Bundesverfassungsgericht hatte dessen Rechtmäßigkeit ja nicht nur grundsätzlich bejaht, sondern die Politik auch zu eben jenen gesetzlichen Regeln aufgefordert. Wir stellen nicht nur die verschiedenen Gesetzentwürfe vor, die fraktionenübergreifend zustande kamen, sondern wollen für die Brisanz des Themas sensibilisieren. Dabei hat sich vor allem Michael Bönte recherchierend ins Zeug gelegt. 

Ein Aspekt unserer kommenden Themenwoche: Wie gehen Mitarbeitende etwa eines katholischen Pflegeheims damit um, wenn ein:e Bewohner:in den Wunsch nach einem assistierten Suizid äußert? Es ist klar, dass aus katholischer Position keine solche "Hilfe" möglich ist. Das begründet neben fundierten moraltheologischen Aspekten auch die beeindruckende Praxis-Erfahrung: Wo über die Gründe für einen solchen Wunsch gesprochen wird, wo eine professionelle palliative Behandlung und zutiefst empathische menschliche Begleitung in Aussicht gestellt werden, tritt der Sterbewunsch in den Hintergrund. Dazu empfehle ich auch einen Gast-Kommentar, den Eva Maria Welskopp-Deffaa, (Opens in a new window) Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, schon im Mai letzten Jahres für uns geschrieben hat. Aktuell wird Michael Bönte selber am Ende unserer nächsten Themenwoche seine Meinung dazu veröffentlichen.

Politik 4: Auf dem Rücken der Pferde

Und eine letzte, auf ihre Weise politische und doch tief berührende Geschichte will ich hier erzählen - ein wunderbarer Lichtblick am Ende eines Newsletters mit schweren Themen: Anfang des Jahres hatten wir von Menschen aus der Ukraine berichtet und darüber, wie für sie der so schnell dahingesprochene, in diesem Jahr aber so unglaublich aktuelle Wunsch für ein "friedvolles neues Jahr" klingt. Einer dieser Menschen war die 21-jährige Mariia Vytivska (Opens in a new window) (Bild oben | Foto: Michael Bönte). Sie musste ihre Eltern in ihrem Heimatort nahe von Lwiw zurücklassen. Eigentlich wollte sie nur ihren Bruder in Münster besuchen, erst hier entschied sie, das Rückfahrticket in die Heimat nicht einzulösen. "Den Krieg habe ich in meinem Kopf mitgenommen", erzählt sie. Darum sucht sie hier nach Ablenkung, nach neuen, guten Erfahrungen. Nach einer Perspektive. Hat kleine Alltags-Sehnsüchte. Ans Meer fahren zum Beispiel. Und: „Ich wünsche mir schon seit meiner Kindheit, einmal auf einem Pferd zu sitzen.“

Was soll ich sagen: Unsere Leser:innen sind einfach eine Wucht! Eine von ihnen hatte bei uns von Mariia Vytivska gelesen und von ihrem Wunsch, auf einem Pferd zu sitzen. Und weil diese Leserin einen Reitstall hat, lädt sie die junge Ukrainerin herzlich ein, sie zu besuchen und ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Natürlich werden wir dabei sein, wenn es soweit ist. 

Politik 5: Jesus und wir = Kirche

An Geschichten wie diesen wird immer wieder klar, wie wir politisch sein wollen und müssen. Da, wo Hass gesät wird, Menschen gegeneinander ausgespielt werden; wo Angehörige welcher Herkunft, Religion, Hautfarbe, Ethnie, sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität auch immer - aber erst recht bei Minderheiten - verfolgt, verletzt, getötet werden; wo Menschen in großer innerer Not zwischen Leben und Tod sind, wo sie leiden und wo womöglich eine Entwicklung Raum nimmt, die den Druck erhöht, doch bitte anderen nicht zur Last zu fallen; wo Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie ihnen dort zerschossen wurde, weil sie dort keine Zukunft mehr haben, weil sie Leib und Leben retten wollen: 

Überall da haben wir zu berichten, mit den Mitteln und den Ressourcen, die wir haben. Weil überall da Christ:innen mit ihrer klaren Option für die Armen, die Kranken, die Kleingehaltenen, die Verfolgten Friedensstifter sein können und müssen. Da ist Christentum selbstverständlich politisch - und muss es sein. Und wo Christ:innen sich in diesem Sinn einsetzen, die Stimme erheben, gewaltlos und entschieden für Versöhnung, für Gerechtigkeit, für Frieden, für eine gute Zukunft der Menschen eintreten - da verwirklicht sich die Kirche in ihrer glaubwürdigsten Art. Da ist sie authentisch, weil sie so nah bei dem ist, in dessen Namen sie überhaupt Kirche sein kann.

In diesem Sinn euch allen gute, bereichernde und bewegende Lektüre unserer Angebote, vielen Dank für Eure Unterstützung, empfehlt uns weiter - und natürlich:

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)

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