In diesem Sommer (Juli-Logbuch)
In diesem Sommer tue ich mich mit dem Fühlen schwer. Das ist erstmal nichts Neues. Wie ich durch die Tage schlafwandle und Pläne mit dem Kopf mache, aber das Herz gräbt sich ein. Emotionaler Winterschlaf, und ja, das geht auch bei dreißig Grad im Schatten. Ausharren, warten auf Dunkelheit, ich bin ein Gemütlichkeitsmensch, ich schwitze nicht gern, ich mag keine kurzen Nächte, ich habe FOMO, während scheinbar alle am See liegen, Eis essen, den Sommer feiern, dabei stört es mich gar nicht, das zu verpassen. Ich denke nur, es müsste mich stören. Und das reicht, um wieder einmal gegen mich selbst zu kämpfen.
Über Packlisten und Lieblingskuchen
In diesem Sommer habe ich das gemacht, was man in Sommern tut. Ich habe die Ferien ersehnt, für den Urlaub gepackt, habe Lieblingsmenschen besucht, Ausflüge unternommen, einen längst überfälligen Eistee mit der Partnerin in Murks getrunken und noch mehr schöne Dinge geplant - nur um dann festzustellen, dass ein leerer Akku eben irgendwann wirklich nichts mehr hergibt. Kennst du das, wenn die elektronische Küchenwaage den Geist aufgibt und du die Batterie rausnimmst, einmal drehst, wieder reinlegst, und dann geht's noch eine Weile? Das reicht meist länger als gedacht. Aber natürlich ist genau dann Ende, wenn du deinen Lieblingskuchen backen willst.
Genauso war das. Und es ist schwer zu akzeptieren und noch schwerer, daraus die Konsequenz zu ziehen. Eben nicht immer wieder über die letzte Energiereserve hinauszuplanen, und trotzdem keine Angst zu haben; nicht von vornherein zu denken: Ich schaffe das sowieso nicht. Das Gleichgewicht zu halten zwischen dem, was es mich kostet, und dem, was mich erfüllt. Ich weiß noch nicht, wie das geht. Aber ich bin dankbar, das mit Menschen ausprobieren zu dürfen, die meine Grenzen nicht persönlich nehmen. Die es mir leichter machen, ebendiese Grenzen zu akzeptieren.
“Ihre Suche ergab keine Treffer.”
In diesem Sommer hat mich eine unverhoffte Chance ereilt. Es gab da diese Tür, die sich fürchterlich verkeilt hatte. Ich habe eine Weile versucht, sie zu schließen und irgendwann aufgegeben. Ja, okay, dachte ich mir, dann bleibt sie eben offen, auch wenn mir die Aussicht nicht gefällt. Aber es war eben nicht okay. Ich habe es gern verdrängt, mehr schlecht als recht die Hand vorm Gesicht, aber in den entscheidenden Momenten hat es mir Herzschmerz bereitet und die Zuversicht versperrt.
Lange Metapher, kurze Wahrheit: Die Tür ist jetzt zu. Und es hat kurz gezwickt. Aber ich habe mir lieber die Finger geklemmt, als weiter an einem Ort nach mir zu suchen, wo ich nicht hingehöre. Jetzt habe ich nicht nur die Hände, sondern das Herz frei. Für bessere Erfahrungen, sicher auch für neue Fehler, aber das passt schon, das gehört dazu.
Immer noch im Chaos
In diesem Sommer habe ich mich ins Schreiben zurückgeschrieben, es wieder lieben gelernt, und letztendlich lag der Schlüssel eben darin, nichts erreichen zu wollen. Mein Ding zu machen. Zu schreiben, was mir gefällt und wie es mir gefällt - die Freiheit des Unperfekten auszuleben. Die Methode ist mir vertraut, ich muss mich trotzdem gelegentlich daran erinnern, dass sie funktioniert.
Und während ich diese Zeilen tippe, erhalte ich eine letzte Absage, ich warte auf den Stich, aber er kommt nicht. Weil es wirklich, wirklich okay ist. Für mich geht die Reise jetzt erst einmal ohne festen Plan weiter, dafür mit viel Vorfreude. 2025 wird mein Selfpublishing-Jahr, und das fühlt sich richtig, wenn nicht gar notwendig an. In den letzten Monaten kam es mir oft vor, als würde ich mit gezogener Handbremse durch dieses Autorinnenleben gehen, den Feuerlöscher im Anschlag, und das funktioniert auf Dauer nicht, das ist wortwörtlich nicht mein Stil. Ich will nicht wohlüberlegte Worte flüstern, ich will herausschreien, was in mir brennt. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.
Oder um aus meinem Text Immer noch hier aus Chaos und Licht (Opens in a new window) zu zitieren:
Ich bin immer noch in der Stadt, in der ich mich gegen das Weglaufen entschied. Über deren Dächer ich »Scheiß Weihnachten!« brüllte, weil manchmal das Fass mit Enttäuschungen überläuft. Und dann stehe ich mit beiden Füßen mittendrin und nutze sie als Tinte, um neue Erwartungen aufzuschreiben.
Ich bin trotzdem woanders.
Weil es nicht darum geht, nie enttäuscht zu werden.
Weil es nicht darum geht, vorsichtshalber nichts zu erwarten. Auf Zehenspitzen durchs Leben, das ist nichts für mich. Damit sich Türen öffnen, braucht es Schwung.
Und klar gibt das blaue Flecken.
Und klar, manchmal ist der Schwung zu viel oder dahinter eine Wand oder ein Abgrund oder ein Fass, das umkippen kann und eine riesige Sauerei veranstaltet.
Ich will diese Sauerei.
Weil sie an den großen Träumen klebt, und ich will die großen Träume.
Egal, wie oft ich dafür »Scheiß Irgendwas!« brüllen muss.
Sie bringen mich weiter.
Das Echo zugeknallter Türen
Und dann bin ich eben doch losgefahren. Nicht ganz so weit weg, wie ich es vorhatte - aber immerhin zur lang ersehnten Lesung der Lieblingsautorin. Merit Niemeitz hat am 26.07. in Leipzig ihr neues Buch ”Delicate Dream” vorgestellt (meine Rezension dazu findest du hier (Opens in a new window)), es war genauso gut wie erhofft und sogar noch besser. Weil es für mich als mittelkleinen Sprachnerd nichts Großartigeres gibt, als die Geschichte hinter tollen Texten zu erfahren, den Menschen dazu in echt zu erleben, und dazu noch andere Buchliebhaberinnen kennenzulernen, denen es ebenso geht. Ich durfte diese Freude eine Stunde lang in der Signierschlange teilen, ein bisschen Mut machen, ein Buchpaket widmen. (Falls du das liest: Liebe Grüße!)
Hach! Das war so schön.
In diesem Sommer spüre ich so sehr wie lange nicht, dass Liebe das stärkere Echo erzeugt. Dass Erfolg eben nicht darin besteht, die Beste zu sein, es endlich zu schaffen - koste es, was es wolle; nicht darin, dass Pläne aufgehen. Sondern darin, diese Begeisterung zuzulassen, einfach loszulaufen, die eine oder andere Schramme in Kauf zu nehmen, das Herz zu öffnen, auch wenn es Angst macht; und mitten im Chaos festzustellen, dass es sich richtig anfühlt, weil es echt ist, weil das ich bin. Halbherzigkeit war noch nie mein Ding.
Es gibt einen Grund dafür, dass ich Liebesgeschichten schreibe. Ich habe einst entschieden, dass ich mit diesem Gefühl durchs Leben gehen möchte, und daran halte ich fest. Auch wenn ich mich dabei manchmal verlaufe, auf der Gefühlsachterbahn das Anschnallen vergesse, ein bisschen Herzblut verliere. Besonders dann. Weil es auch Liebe ist, eine Tür zuzuknallen.
In diesem Sommer fühle ich mich frei. Und du?*
Danke für deine Zeit. 🤍